Hallo Herr Schade,
beim diesjährigen Tag der Mahnung
in Berlin ist mir an einem Stand zufällig die Ausgabe 3/2009 von „POLEN und wir“ in die Hände gekommen. Ich
kannte die Zeitschrift zwar schon aus meiner Studienzeit an der Viadrina, wurde nun aber doch positiv überrascht, dass Sie
den Mut finden, kritische Texte wie z.B. den von F. Leidinger zu publizieren.
Dieser hebt sich von den ritualisierten deutsch-polnischen geschichtlichen
Selbstvergewisserungs-Salbungen positiv hervor, die Problemen und Fragen
betreffend beider Länder eher aus dem Weg gehen, als sie bewusst aufzugreifen.
Einen solchen Beitrag habe ich
also nicht in einer Zeitschrift erwartet, die den deutsch-polnischen
Beziehungen gewidmet ist, weil diese Themen leider völlig von dem Schulterklopf-Diskurs der jeweiligen Staatsvertreter jeden
Inhalts und Sinns beraubt wurden.
Das traurigste dabei ist, dass
dieses sinnentleerte Mimen von Gesprächen, Diskussionen und „Aufarbeiten“ über
die Oder-Neiße hinweg längst unter Jugendlichen, StudentInnen
und überhaupt Organisationen, die sich der grenzüberschreitenden Thematik
verschrieben haben, Einzug gehalten hat. Entweder fungiert das oberflächliche
Engagement in deutsch-polnischen Organisationen als Durchlauferhitzer für
spätere Beamtenkarrieren oder es dient „Kulturschaffenden“ in Zeiten der Krise
zur Einwerbung von sog. „granty“, die darin einen
Ersatz für Sozialabbau im Kulturbereich gefunden haben.
In diesem Sinne freue ich mich,
dass Sie es zumindest in Bezug auf Deutschland geschafft haben, Aspekte der
Geschichtspolitik zu kritisieren. Einer ähnlichen Kritik sollte nun auch die
politische Situation in Polen unterzogen werden. Es ist mir bis heute ein
Rätsel, wie jemand wie Bartoszewski, der soviel
erlebt hat, so unfähig sein kann, die sozialen Probleme in Polen, den Rassismus
und die Geschichtsklitterung anzusprechen.
Gruß aus Berlin
Kamil Majchrzak,
Redakteur der polnischen Edition der Le Monde Diplomatique und des ostdeutschen
telegraph