Gültige Rechtsverordnung gegen die polnische Minderheit vom 27. Februar 1940

 

Im Namen mehrerer polnischer Organisationen in Deutschland fordert in einem offenen Brief der Berliner Rechtsanwalt Stefan Hambura die Aufhebung einer heute noch gültigen Verordnung aus dem nationalsozialistischen Deutschland. In dieser Verordnung werden der polnischen Minderheit alle Rechte als Minderheit genommen sowie die Beschlagnahmung des gesamten Besitzes ihrer Organisationen im Dritten Reich angeordnet. Die Bundesrepublik Deutschland ist als Nachfolgerin des Dritten Reiches ‘Erbe’ dieses Erlasses und es liegt an ihrer Initiative, ihn durch ein Gesetze aufheben zu lassen.  Unabhängig von den politischen Orientierungen der polnischen Organisationen unterstützen wir die Forderung nach Aufhebung dieser Verordnung.

 

Berlin, 24.08.2009

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

 

namens und in Vollmacht zahlreicher polnischer Organisationen und Vereine (siehe Anlagen) in Deutschland wende ich mich an Sie in einer Angelegenheit, die das deutsch-polnische Verhältnis betrifft.

Die Beziehungen zwischen Deutschland und Polen entwickeln sich gegenwärtig so gut, wie nie zuvor. Beide Staaten sind Mitglieder der Europäischen Union, des Nordatlantischen Verteidigungsbündnisses und zahlreicher internationaler Organisationen. Sie sind füreinander wichtige Wirtschaftspartner. Es gedeiht die wissenschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit.

All dies ist möglich, weil durch gemeinsame Anstrengung vieler Deutscher und Polen Hindernisse aus der schwierigen deutsch-polnischen Vergangenheit beseitigt wurden. Dennoch besteht leider zumindest ein solches Hindernis formell weiter. Gemeint ist die Verordnung des Ministerrats für die Reichsverteidigung über die Organisationen der polnischen Volksgruppe im Deutschen Reich vom 27. Februar 1940 (Anlage anbei - Reichsgesetzblatt, Jahrgang 1940, Teil I, Seite 444). Die Verordnung wurde mit Gesetzeskraft erlassen. Gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 dieser Verordnung wurde die Tätigkeit der Organisationen der polnischen Volksgruppe verboten. Es handelte sich um Vereine, Stiftungen, Gesellschaften, Genossenschaften und sonstige Unternehmen. Darüber hinaus durften keine neuen polnischen Organisationen gegründet werden (§ 1 Abs. 1 S. 2).

Die Verordnung über die Organisationen der polnischen Volksgruppe im Deutschen Reich wurde formell rechtmäßig erlassen. Die Grundlage stellte der Erlass des Führers über die Bildung eines Ministerrats für die Reichsverteidigung vom 30. August 1939 dar.

Eine ausdrückliche Aufhebung der Verordnung vom 27. Februar 1940 und die Feststellung ihrer Nichtigkeit fanden bisher nicht statt. Sie existiert also rechtlich weiter.

 

Sehr verehrte Frau Bundeskanzlerin,

angesichts des 70. Jahrestages des Ausbruchs des Zweiten Weltkrieges appelliere ich an Sie, von der Befugnis aus Art. 76 des Grundgesetzes Gebrauch zu machen, wonach Gesetzesvorlagen beim Bundestag auch durch die Bundesregierung eingebracht werden, und, die Verabschiedung eines Gesetzes über die Aufhebung der Verordnung vom 27. Februar 1940 und Feststellung ihrer Nichtigkeit zu initiieren. Ein solches Gesetz hätte eine enorme symbolische Bedeutung und würde einen großen Beitrag zur Pflege von guten nachbarschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Polen darstellen.

 

Mit freundlichen Grüßen

Stefan Hambura

Rechtsanwalt