70. Jahrestages des Kriegsbeginns Friedenstreffen der

Weltreligionen in Krakau

 

Von Josephina Knauf

 

Am frühen Samstagmorgen, 5. September, fuhren wir, eine Gruppe von 26 Schülerinnen der  Stufen 10 bis 12 der Bischöflichen Marienschule Mönchengladbach, mit Bus und Flugzeug (ab Dortmund) eine knappe Woche nach Krakau. Organisiert hatte diese Fahrt die katholische Gemeinschaft  Sant  Egidio. Fünf Betreuer dieser Gemeinschaft begleiteten uns. Sant Egidio, 1968 in Rom gegründet, hat sich zum Ziel gesetzt, den Dialog zwischen den Religionen und unterschiedlichen politischen Weltanschauungen voranzutreiben.

 

Seit 1987 kommen daher Vertreter verschiedener Religionen und Kulturen, Politiker, Wirtschaftsleute, ehemalige KZ-Häftlinge und andere mehr sowie Mitglieder der über die ganze Welt verstreuten Gruppen von Sant Egidio zusammen, um über aktuelle Konflikte und Krisen, aber auch über die grundlegenden Fragen der Menschen drei Tage zu sprechen - in diesem Jahr in Krakau. Ich hatte zuvor einige Bedenken, da mir die Gemeinschaft Sant Egidio bislang völlig unbekannt war, aber meine Eltern wussten, dass der Leiter, Andreas Riccardi, in diesem Jahr den anerkannten Aachener Karlspreis erhalten hatte.

Da es meine erste Polenreise war, strömten natürlich die unterschiedlichsten Eindrücke auf mich ein: So war ich etwas geschockt von der Armut der Vorortsiedlungen Krakaus, die im Gegensatz stand zu der unglaublich beeindruckenden Innenstadt. Aber neben vielen individuellen Erlebnissen, die auf einer solchen Fahrt nicht ausbleiben, standen der Besuch der Konzentrationslager Auschwitz und Birkenau und  die Berichte der Überlebenden in jeder Hinsicht im Vordergrund. So berichtete der ehemalige israelische Oberrabbiner Meir La, dass der damalige Papst Johannes Paul II einmal gefragt habe, wie viele Enkel sein Großvater gehabt habe. „47 Enkelkinder“, habe er zur Antwort gegeben. „Wie viele haben den Holocaust überlebt?“ „Fünf..“ Meir Lau hat das Vernichtungslager überlebt. Unser Entsetzen wurde noch gesteigert, als wir in das Stammlager Auschwitz, der ersten Station unserer Pilgerfahrt, geführt wurden: an den Galgen vor dem Küchenblock, an die Gaskammer; wir wurden vorbei geführt an den aufgetürmten Brillengestellen der Ermordeten, mussten die Wäsche der Säuglinge sehen, die mit ihren Müttern starben. Fast am meisten geschockt haben mich die aufbewahrten zwei Tonnen Haare, die am Ende des Krieges fabrikmäßig verarbeitet wurden:50 Pfennige, so sagte man uns, verlangte die SS für ein Kilogramm, das Haar von etwas 20 Frauen.

Wir waren beeindruckt von der Vielzahl der unterschiedlichen Religionsführer, die alle auf ihre Weise ihre Betroffenheit bekundeten über das Geschehene und am Dienstagabend gemeinsam in Krakau ein Friedenslicht entzündeten. Orthodoxe, Anglikaner, Methodisten, Lutheraner wie auch andere Bekenntnisse, darunter die am  farbenprächtigsten gekleideten  Buddhisten - sie alle standen nicht abseits neben den großen Weltreligionen. Für uns Deutsche ungewohnt war die Vielzahl und Dauer (nicht unter 2 1/2 Stunden) der Heiligen Messen, die überall angeboten wurden und, anders als in Deutschland, bestens besucht waren. Überhaupt wurde sehr viel gebetet, und am Dienstagabend unterzeichneten die Vertreter der verschiedenen Religionen auf dem Krakauer Marktplatz den feierlichen Schlussappell: „Religionen wollen keinen Krieg. (...) Dialog ist ein Geschenk, das wir dem 21. Jahrhundert machen wollen.“ Für uns Schülerinnen war diese ungewohnte Fahrt in jeder Hinsicht anstrengend. Aber wir haben Dinge gesehen und gehört, die wir in unserem weiteren Leben nie mehr vergessen werden.