„Das ist ja
ein Stall!“
Die
Erinnerungen des „Vergeltungsgefangenen“
Désiré Guérin
aus Sedan an seine Haft in einem
deutschen Konzentrationslager im Jahre 1918
Von Helmut Donat
Das Jahr 1917 geht zur Neige. Frankreich und Deutschland befinden sich
seit August 1914 im Krieg. Ein Ende ist immer noch nicht abzusehen. Not und
Elend, Schrecken und Tod kennzeichnen den Alltag an der Front. Verdun ist zum
Menschenschlachthaus geworden. Große Teile Nord- und Ostfrankreichs sind nach
wie vor von deutschen Truppen besetzt. Anfang Januar 1918 geschieht etwas noch
nie Dagewesenes und bis dahin Unvorstellbares, und
selbst heute fällt es schwer, dafür eine Erklärung zu finden. Désiré Guérin, Rektor einer
Schule in Sedan, erhält am 5. Januar 1918 von der
deutschen Militärkommandantur den Befehl, sich einen Tag später als „Geisel“
zur „Abreise bereit nach Deutschland zu halten“.
Er soll „ausreichend warme
Kleidung bei sich führen“ und darf „bis zu 50 kg Gepäck mitnehmen.
Beanstandungen werden nicht anerkannt.“1 Doch Désiré
Guérin ist nicht der einzige, der sich - so die
Sprachregelung der deutschen Militärbehörden - künftig als „Vergeltungsgefangener“
zu fühlen hat. Betroffen sind insgesamt 600 Männer. Ohne Rücksicht auf ihr
Alter, ihre Herkunft, Stellung und Gesundheit haben sie sich an einem
Bestimmungsort einzufinden. Sie stammen aus den Orten Lille, Douai, Valenciennes, Huson, Sedan und Montmedy. Verbrochen haben sie nichts, niemand wirft ihnen
etwas vor oder zweifelt an ihrer Unschuld. Man hat sie aus „Vergeltung“
festgenommen, weil die französische Regierung der deutschen Forderung, im Elsaß inhaftierte Deutsche freizulassen, nicht entsprochen
hat. Ein Willkür- und Racheakt, wie es ihn bis dahin im 20. Jahrhundert im
Zusammenleben der Völker noch nicht gegeben hat. Offenbar geht es darum, ein
Exempel zu statuieren. Désiré Guérin
ist fassungslos; dennoch oder gerade deshalb legt er Zeugnis ab von den
Drangsalierungen, denen er und seine Leidensgefährten ausgesetzt gewesen sind.
Seine Aufzeichnungen geben uns zudem einen erstaunlichen Einblick in eine vor
allem uns Deutschen bislang verschlossen gebliebene Welt.
Transport in das "camp de concentration"
Am 6. Januar 1918 deportiert man
die Gefangenen von Huson aus in verdreckten Waggons
der 3. und 4. Klasse, in denen es weder Heizung noch Beleuchtung gibt, nach
Osten. Es ist der erste Transport der deutschen Eisenbahn im 20. Jahrhundert,
der Häftlinge in ein außerhalb der deutschen Grenzen gelegenes, von deutschen
Truppen besetztes Gebiet und in ein eigens für sie ausgewähltes Lager bringt.
Es heißt „camp de concentration“ - zu Deutsch:
Konzentrationslager. Noch während der Fahrt stirbt der aus den Ardennen
stammenden Baudelot, Major der Reserve aus Vrigne aux Bois - ein erstes Opfer der
Kälte.
Sechs Tage und Nächte ist der Zug
unterwegs. Nach etwa 2.500 Kilometern hat er sein Ziel erreicht: Zoslte, ein Ort im Raum Wilna. Während der Fahrt haben die
Gefangenen - abgesehen von einem täglichen Mehl- oder Körnerbrei - nichts zu
essen erhalten. Bei ihrer Ankunft sagt man ihnen, es gehe weiter nach Milejgany, wo man sie in einem großen Schloss unterbringen
werde. Ausgehungert, vor Kälte zitternd, geschwächt und verängstigt müssen die
Franzosen sich in Viererreihen und Fünfzigergruppen aufstellen. Milejgany liegt etwa sechs bis sieben Kilometer entfernt.
Schlitten gibt es nur für das schwere Gepäck. Auf dem Marsch durch Schnee und
Eis begleiten sie Soldaten, die Gewehre mit aufgestecktem Bajonett tragen.
„Nach einer Stunde Weg“, schreibt Guérin, „ist daraus
ein jammervoller Zug geworden.“
Selbst Hundehütten wären besser gewesen
Milejgany,
ein kleiner, armseliger Ort von etwa 100 Einwohnern, besteht aus ungefähr
fünfzig Blockhütten. Das Lager liegt sieben- bis achthundert Meter entfernt
davon auf dem Abhang einer sich nach Süden ausbreitenden Ebene. Es gehört zu
einem landwirtschaftlichen Betrieb von nicht geringer Größe, dessen einzelne Gebäude,
auf Tannenstümpfen errichtet, voneinander getrennt sind: Ställe, Scheunen,
Schuppen, Blockhütten der polnischen Arbeiter. Man bringt die „Geiseln“ in einem
„länglichen, sehr niedrigen, fensterlosen Gebäude“ unter, das sich auf einem
großen viereckigen, von Stacheldraht umgebenen Grundstück befindet: ein etwa 50
m langer Backsteinbau mit nur wenigen kleinen Luken unter dem Dach und einer
zweiflügeligen Tür. „Das ist ja ein Stall!“ - ruft Désiré
Guérin aus, als er den Raum betritt. „Und hier, in
dieser elenden Höhle, will man uns einpferchen! Ich spüre Entsetzen und
Schrecken in mir aufkommen. Man stelle sich den Eingang in einen Untertagebau
vor, schwach erleuchtet, links und rechts Holzgerüste. Dieses Holzgestänge sind
Betten - selbst Hundehütten wären besser gewesen!! Über die gesamte Länge der
Stellwände hat man mit Tannenholzpfählen übereinander drei Etagen aus rundem knüppeligem Holz gebaut. Darauf werden wir schlafen. Etwas,
das undeutlich nach schmutzigen Holzsäcken aussieht, liegt darüber. Diese Schlafstellen,
wie einzelne Fächer, liegen in weniger als einem Meter Abstand übereinander,
und man kann nur in gebückter Haltung kriechend wie ein Tier durch eine etwa 70
cm breite Öffnung hineingelangen - ja, kaum würde man es wagen, hier einen Hund
unterzubringen. Über diesen beiden Bettreihen ist ein Boden eingezogen, der den
Raum in Dunkelheit taucht; aber dieser Boden bildet noch eine Etage, wo sich
die Schlafenden in 4 Reihen hinzudrängen haben. So bleibt kein Fingerbreit Raum
unbesetzt.
Beginn einer Schreckenszeit
Nach und nach treffen die Geiseln
ein. Missmutig, traurig und enttäuscht stehen sie da. Angstvoll sehen sie
einander an. Der Anblick dieser widerwärtigen Höhle schlägt sie zu Boden.
Einige lassen ihrer Entrüstung freien Lauf, und mit Ungestüm protestieren sie
lauthals. ‚Was, hier drinnen sollen wir wohnen, in diesem dunklen Stall, in
diesem Bau, ohne Luft und Licht, in diesem dreckigen Nest, in das man schlüpfen muss wie ein Raubtier in seine Höhle. Das, das ist
ja der Tod für uns!' (...) Man kann die Hobelspäne, die unsere Strohsäcke
füllen, nur noch erahnen, zuvor von russischen Gefangenen benutzt, sind sie
schmutzig, filzig und widerwärtig. (...) Auch die runden Knüppelholzstämme sind
ebenfalls sehr hart. Sie quetschen sich ins Fleisch und peinigen den Körper.
(...) Unter diesen jammervollen Bedingungen vergeht die erste Nacht (...)
Schreckenszeit, die für uns alle der Alptraum unseres Lebens bleiben wird.“
Das Lager und der Ort Milejgany befinden sich in einer gottverlassenen und
isolierten Gegend. Weit und breit ist niemand zu sehen, „kein Laut zu hören:
man hatte das Gefühl, völlig von der Welt abgeschnitten zu sein.“ Und es
herrscht eine schreckliche Kälte.
Am nächsten Tag treiben die
Deutschen die Häftlinge mitsamt ihrem Gepäck auf den Hof hinaus. Fünf Stunden
müssen sie dort warten und im Schnee auf der Stelle treten. Sie sind vor Kälte
wie erstarrt, das Thermometer zeigt 12 Grad unter Null. Im Stallinneren wird
derweil Platz geschaffen. Um alle in dem Gebäude unterzubringen, werden die Strohsäcke
auf eine maximale Breite von 60 cm pro Mann zusammengeschoben.
Jeder bekommt zwei dünne graue Decken, alt und schmutzig, einen Esslöffel und
eine Emailleschüssel, die als Waschbecken und Essnapf dienen soll. Nach Nummern
aufgerufen, kehren die Häftlinge in den Stall zurück und müssen geradezu
akrobatische Anstrengungen vollbringen. Vollbeladen klettern sie die
senkrechten, höchst unbequemen Leitern hinauf und zwängen sich durch eine kaum
hinreichend große Öffnung, um die ihnen zugewiesenen Plätze einzunehmen. Nach
26 Stunden ohne Verpflegung erhalten sie endlich ihr erstes Lageressen: eine
„Portion Nudelkleister“. Mit der mageren Kost im Bauch warten die Geschundenen
auf den nächsten Tag, für den man ihnen Kaffee ankündigt.
An der Lagerpforte wartet der Tod
In dem Lager gibt es für die
Gefangenen weder Tische noch Bänke oder irgendwie Raum. Viele sind nach der
mühseligen Fahrt, dem kräftezehrenden Marsch durch
den Schnee und dem „Appell“ am ersten Tag im Lager erkrankt. Husten, Schnupfen,
Bronchitis, Hals- und Lungenentzündungen, abgefrorene Glieder bleiben
unbehandelt. Weder sind ein sanitärer Dienst noch eine Krankenabteilung, weder
ein Arzt noch Medikamente vorhanden. Es gibt kein Wasser. Das Geschirr und sich
selbst wäscht man mit Schnee. Die Häftlinge müssen sich von 6 Uhr abends bis 6
Uhr morgens in ihrer Behausung aufhalten. Drinnen wie draußen stehen Wachposten
mit geladenem Gewehr und aufgesteckten Bajonetten. Sie schießen ohne Warnung
auf jeden, der es wagt, sich zu entfernen oder das Gelände zu verlassen.
Die Verhältnisse in dem Lager,
wie sie uns Désiré Guérin
und andere Häftlinge vor Augen führen,2 spotten jeder Beschreibung.
Die deutschen Behörden haben für nichts gesorgt, um den Schmerz und die Qualen
der Leidenden zu mildern. Am schlimmsten betroffen sind
eine nicht geringe Anzahl von Männern, die bereits über 70 Jahre alt und mit
Gebrechen behaftet sind, die sich durch den Transport verschlimmert haben. Und
welche Not die Hilfsbedürftigen auch immer plagt, auch sie müssen - so Désiré in seinen Aufzeichnungen - „an allen Gliedern
schlotternd, einen über fünfzig Meter langen Weg durch Schnee, Wind und eisige
Nacht hindurch gehen, um zum ‚stillen Ort’ zu gelangen, der im freien Wind
errichtet ist und an Widerwärtigkeit alles übertrumpft, was man sich vorstellen
kann. Und jeden durchläuft ein beängstigender Schauer, während ihm klar wird,
das der Tod an der Lagerpforte lauert und sich bald seine unglückliche Beute
abholen wird!“
„Persönlichkeiten“ des Lagers
Kommandant des Lagers ist
Leutnant Bedarf, „ein großer, starker Kerl von ca. vierzig Jahren, ernst, immer
tätig“. Er überwacht, befiehlt, kontrolliert, ist ständig im Einsatz. Die ihm
auferlegten Verpflichtungen erfüllt er mit „bemerkenswertem Eifer“. Sein
„schwerer Schritt, seine kalte Miene, steif und ehrwürdig“, sind gefürchtet.
Erwischt er jemanden im Innern des Stalles beim Rauchen, bestraft er ihn
zunächst mit dem Entzug des Mittagessens für zwei Tage; das ist ihm schon bald
zu milde, und so ordnet er „zwei Tage Kabinett“ (= Reinigen der Toiletten) an.
In dem „Protest der Gelehrten von Lille“3 wird Bedarf als
„Überwachungsoffizier“ mit der „Seele eines Schergen“ bezeichnet.
Persönlichkeit Nummer zwei ist
der Dolmetscher Minnendorf: „25 Jahre alt, rotblond,
der Typ des ‚korrekten jungen Mannes’, frischer rosiger Teint, lächelnd“.
Zunächst der „Schatten“ seines Vorgesetzten, wird er den Gefangenen gegen Ende
„sogar sympathisch“, verkauft ihnen „manchmal Makronen und Zigaretten für
teures Geld“. Dritter im Bunde der Lagerführung, die alles in Betrieb hält,
ist, während das andere Wachpersonal mehr oder minder eine „Statistenrolle“
spielt, Unteroffizier Mowak, der
„Arbeitsdienstorganisator“: „Klein, rothaarig, lächelnd, ca. 35 Jahre alt, ein
netter Mann“, der auch „zum Kaffee oder zur Suppe ruft“. Er freundet sich mit
dem Gymnasiallehrer Laroche aus Sedan
an, dem er heimlich „Butter, Schinken und Wurst bringt, die er ihm, wie er
vorgibt, zum Kaufpreis überlässt“.
Für den „Arbeitsdienst“ werden
zehn Sektionen von je sechzig Mann gebildet, mit jeweils einem Sektionschef und
einem von den Inhaftierten benannten Dolmetscher. Der Kommandant teilt den
Gefangenen die ihm übertragenen Anweisungen mit. Danach sind die „Geiseln“ für
den Lagerdienst zuständig: Versorgung der Küche mit Wasser und Holz,
anderenfalls gibt es weder Kaffee noch Suppe; Reinigen des Lagers, Ausfegen des
Stalles, Freimachen des Hofes von Schnee und Eis, Leeren der Latrinen usw. Jede
Sektion hat für jeden Tag, reihum, 25-30 Männer zu stellen und die Arbeiten
auszuführen. Vom nächsten Morgen an müssen die Häftlinge bei jedem Wetter,
Regen oder Schnee von weit entfernt 2000 Liter Wasser in Eimern
herbeischleppen, das notwendige Holz sägen, zuweilen im Schnee dicke Bäume
fällen, 6-7 Kilometer entfernt im Wald. Dazu kommt Schnee-Schieben, Eis-Brechen
und das Reinigen der Latrinen und Leeren der Sickergrube, von Guérin als besonders "widerwärtige Fron"
beschrieben, haftet doch denen, die ihr ausgesetzt sind, "noch lange ein
ekelhafter, Brechreiz erzeugender Gestank an“.
Nicht fruchtende Proteste
Deutlich sehen die Entrechteten
die Folgen der grausamen Behandlung voraus. Eine „Lagerkommission“, bestehend
aus den Personen Febvret, (Präsident des Appelationsgerichts von Douai), Vittini (Unterpräfekt von St. Quentin), Delattre
(Industrieller in Ferrières-las Grande bei Maubeuge),
Mouchet (Dekan der juristischen Fakultät der
Universität Lille) und Guilbau von der Handelskammer
Lille, schildert die hoffnungslose Lage der „gefangenen Geiseln“ und wendet
sich in Protestnoten, die sie dem Kommandanten überreichen, an den
französischen Innenminister in Paris sowie an den spanischen Botschafter in
Berlin - Schreiben, die ihre Empfänger wohl nie erreicht haben. Auch die
Proteste, jenen deutschen Offizieren vorgetragen, die das Lager besichtigen,
fruchten nichts. Ohne Unterschied weisen sie die Beschwerdeführer mit dem
Bemerken ab, sie mögen doch „wenn sie sich hier nicht wohl fühlen“, den Herren Poincaré und Clemenceau
mitteilen, dass sie die hier zu erduldenden „Entbehrungen“ der französischen
Regierung verdanken, die deutsche Gefangene im Elsass misshandele.
Folgenschwere Anordnungen
Geringfügige Verbesserungen der
Lagersituation gibt es aber doch. Man beginnt damit, 160 Männer „auszusondern“
und bringt sie nach Jewy in eine ihrer Bestimmung
enthobenen russisch-orthodoxen Kirche, die man,
ähnlich wie Milejgany, in ein Konzentrationslager mit
doppeltem Stacheldraht verwandelt. Eine Art Krankenabteilung entsteht sowie ein
Waschsaal mit achtzehn Waschbecken für 440 Personen. Drei Ärzte aus den Reihen
der Häftlinge erhalten den Auftrag, sich der Erkrankten anzunehmen, doch „ließ
man sie fast ohne Medikamente und Verbandsmaterial“. Die Mangelernährung
verschlimmert die Lage zusehends. Morgens erhalten die Insassen lediglich ein
dünnes Gebräu, „Kaffee“ genannt, mittags einen Brei aus gekochten Körnern
(Gerste- oder Haferschleim), am Nachmittag ein zweites Gebräu, später 350 Gramm
Schwarzbrot und hin und wieder zwölf Gramm (!) Marmelade oder Wurst. Gemüse,
Kartoffeln oder gar Fleisch gibt es nicht; einmal in der Woche ist der Brei
durch „Ekel erregende Kohlrüben ersetzt“. Unter diesen Umständen erhöht sich
die Zahl der Kranken schnell, und nicht jeder verträgt die grobe Nahrung. Im
Januar und Februar 1918 sterben 25 Männer, mehrere davon an Hunger. Professor Buisine, Direktor des Chemischen Instituts der
Naturwissenschaftlichen Fakultät in Lille, seit langem an einer Herzerkrankung
und Speiseröhrenverengung leidend, ist dermaßen von der Kost angegriffen, dass
er bei seinem Tode nicht mehr als 35 kg wiegt. Aber noch aus einem anderen
Grund wirft sein Schicksal ein bezeichnendes Licht auf den Umgang der
Geiselnehmer mit ihren Opfern. Als die Ehefrau Buisines
den deutschen Oberstabsarzt Dr. Krug, der die Festgenommenen vor ihrer
Deportation untersuchte, auf den schlechten Zustand ihres Mannes aufmerksam
machte, antwortete ihr der Militärarzt: „Gnädige Frau, das ist nicht ansteckend
für die deutsche Armee.“4
Als ebenso folgenschwer erweist
sich am 22. Januar 1918 die Anordnung des Lagerkommandanten, eine
Generaldurchsicht aller Sektionen durchzuführen. Bis zu zweieinhalb Stunden
müssen sich die Gefangenen draußen im Schnee aufhalten, bei einer Temperatur
von minus 22 Grad. Der lange Aufenthalt im Freien wird auch dem Gymnasiallehrer
Laroche zum Verhängnis. Eine Brustfellentzündung
fesselt ihn an den Strohsack. Die Atemnot nimmt zu, sein fiebriger Zustand ist
beunruhigend. Es fehlt an Medikamenten und im Lager ist ihm nicht zu helfen.
Auf Bitten Désiré Guérins
spricht Mowak mit dem Kommandanten. Tatsächlich wird Laroche ins Krankenhaus nach Wilna transportiert - auf
einem Schlitten und in bitterer Kälte. Zu spät, nach wenigen Tagen kommt die
Nachricht, dass Laroche in Wilna gestorben ist.
(Fortsetzung
folgt)
1 Zitiert nach
der inzwischen ins Deutsche übersetzten
Fassung von Désiré Guérin,
Souvenirs de captivité: les otages
français dans le camp de concentration de Milejgany (Lithuanie) 1918. Der Verfasser des vorliegenden Beitrags
hat die Aufzeichnungen in einem nordfranzösischen Archiv gefunden. Die
Darstellung folgt dem Bericht - es handelt sich um ein handgeschriebenes
Manuskript (Umfang 112 Seiten) - von D. Guérin . Soweit nicht gesondert nachgewiesen, stammen die folgenden
Zitate aus dieser Abhandlung. Im Herbst 2007 bzw. Frühjahr 2008 werden Guérin s Aufzeichnungen, ergänzt um Berichte von weiteren
Häftlingen, die im Konzentrationslager Milejgany bzw.
in anderen Lagern der Umgegend gewesen sind, im Donat Verlag erscheinen.
2 Es handelt
sich dabei u.a. um zwei weitere Darstellungen. Die
eine stammt von einem französischen Priester, die nach 1918 in zwei Auflagen erschienen
ist; die andere ist als Broschüre ebenfalls nach dem Ersten Weltkrieg
publiziert worden.
3 Zitiert nach
der von der „Presse Médicale“ publizierten bzw.
herausgegebenen Anklageschrift der „Acadèmie de Médecine in Paris“ „Protest der Gelehrten von Lille gegen
die deutschen Barbareien“, o.O. o.J.,
S. 13. Dem Autor liegt eine französische wie deutsche Fassung dieser Edition
vor.
4 Ebd., S. 15.