Polen-Deutschland: Falsche Zungenschläge
Von Wojciech Pięciak und Joachim Trenkner
Die polnisch-deutschen Beziehungen sind seit langem schlecht und
entgegen der Meinung der Kritiker von Lech und Jarosław Kaczyński
bildet das Jahr 2005 keine Zäsur. PiS behielt die
Linie der vorangegangenen Regierungen bei, allerdings in dem sie diese mit einer
abschätzigen Rhetorik begleitete. Erst in den letzten Tagen kann man über eine
neue Situation in den polnisch-deutschen Beziehungen sprechen, über eine neue,
aber keineswegs bessere. Eine Alternative ist jedoch nicht in Sicht.
Es gibt ein deutsches Sprichwort,
das besagt: „Ende gut, alles gut.“ Da nun der Unionsgipfel in Brüssel mit einem
Kompromiss endete, kehren wir deshalb zur Normalität zurück? Zu guten
polnisch-deutschen Beziehungen? Sicher nicht, obwohl sich bereits der Rauch auf
dem Brüsseler „Schlachtfeld“ verzogen hat und der Kampf um Macht und Einfluss
in einer zukünftigen europäischen Konstruktion - vorerst? - beendet wurde.
Schließlich geht es doch darum und keiner stellt das in Abrede: Deutschland,
Polen, Großbritannien, mit einem Wort jedes der 27 Länder der Union will für
sich die beste Position erreichen. Das ist auch berechtigt. So war es auch bei
jedem europäischen Gipfel in der Vergangenheit. Aber am Ende wurde ein
Kompromiss gefunden, der für alle akzeptabel war.
Aber harte Verhandlungen sind nur
das eine. Das Benutzen einer aggressiven Sprache der Konfrontation, in dem man
dem Gegner die schlechtesten Absichten unterstellt - z.B. den Deutschen, dass
sie sich zum „Staatsanwalt“ Polens aufspielten (wie es auf dem Brüsseler Gipfel
der Bevollmächtigte des polnischen Außenministeriums für die polnisch-deutschen
Kontakte feststellte) oder dass sie die Dämonen der Vergangenheit
wiederbelebten (eine Äußerung des Premiers) - das andere. „Nach Brüssel“ wird
es schwer, die Wunden zu heilen, besonders auf der Linie Warschau-Berlin.
Materie und Methode
Es entstehen eine Reihe von
Fragen: Befindet sich Polen prinzipiell auf der europäischen „Anklagebank“,
weil es mit einem Veto gegen den Reformvertrag der Union drohte? Die Antwort
lautet: Nein. Die Sicherung nationaler Interessen ist, wie gesagt, so alt wie
die europäische Integration. In ihrer Geschichte gab es Treffen, die noch
kontroverser verliefen als das in Brüssel. Zum Beispiel im Jahre 2000 in Nizza,
als auf dem längsten Gipfel der Gemeinschaft eine regelrechte Schlacht um
Einfluss in den Brüsseler Institutionen tobte. Oder noch früher, als während
der britischen Beitrittsverhandlungen die „Eiserne Lady“ Margaret Thatcher
kompromisslos spezielle finanzielle Erleichterungen aushandelte, obwohl das für
das reiche Britannien keine Frage von „Sein oder Nichtsein“ war.
Auch diesmal traten die Briten
vom Standpunkt der Union als Ganzes gesehen wesentlich kontroverser auf als
irgendein anderes Land. (...)
Im Vergleich mit den britischen
Aktivitäten nehmen sich die polnischen Bemühungen um eine bessere Position bei
der Stimmenzählung scheinbar harmlos aus. Aber nur scheinbar, denn „der Ton
macht die Musik“. So auch in der Union. Während die britische Regierung ihre
Interessen professionell und leise vorantrieb, machte die polnische Regierung
um ihren Standpunkt einen außergewöhnlichen Lärm und schlug unaufhörlich Alarm.
Schon allein deshalb hat Warschau eine Menge verloren. Das Ergebnis: Nicht nur
die alten Länder wie Italien oder Luxemburg reagierten irritiert auf die nun
folgenden „Schüsse“ aus Warschau, die gegen Berlin abgefeuert wurden, sondern
auch kleinere und neue Länder wie Ungarn, Slowakei oder Estland, in deren
Interesse Polen vorgab aufzutreten.
Erfolglose Taktik
In Deutschland selbst traf die
Rhetorik der polnischen Regierung auf Unverständnis und hat niemanden
überzeugt. Sie rief im Gegenteil allgemeine Empörung hervor. Besonders das
Benutzen der polnischen Kriegsopfer durch Jarosław Kaczyński als Argument im Streit um das System der
Stimmenzählung führte zum gegenteiligen Effekt als geplant.
„Polen hat nicht nur das Recht,
sondern - ähnlich wie Israel - die Pflicht, an seine tragische Geschichte zu
erinnern. Denn sie lastet auf dem Schicksal der gegenwärtigen, aber auch
zukünftigen Generationen von Polen. Hören wir diejenigen, wie Rabbiner Andreas Nachama, Direktor der Stiftung ‘Topographie des Terrors’
sprechen, dass Polen das Recht hat, über seine Geschichte zu reden und zu
fordern, dass sie im Bewusstsein der Deutschen verewigt wird.“ „Das Leben von
Millionen Bürgern kann nicht zurückgegeben werden. Aber die Erinnerung an sie
sollte ein wichtiges Element des europäischen und nicht nur des polnischen
Bewusstseins sein.“ - So schrieb Maciej Korkuć in der Rzeczpospolita
am 4. Juli, den Premier verteidigend.
Feierliche Worte. Das Problem
besteht darin, dass das taktische Ziel Jarosław Kaczyńskis, für das
er so starke Argumente gebraucht, nicht das Festlegen der historischen Wahrheit
im deutschen Bewusstsein ist (ein richtiges Ziel, darüber wird noch die Rede
sein), sondern die Verbesserung der Position Polens in der Union. Unterdessen
versteht die Mehrheit der Deutschen, darunter Politiker, diese neuen, schon
offen antideutschen Töne nicht, die aus Warschau herüberkommen. Für sie ist
Polen ein normales Land, Partner in Union und Nato, deren Soldaten gemeinsam
mit Deutschen in Afghanistan kämpfen. Die polnisch-deutsche Grenze ist garantiert;
deutsche Vertriebene, obwohl es um sie laut ist, gehören (es klingt brutal) zu
einer aussterbenden Gruppe. Polnische und deutsche Historiker sind sich einig,
dass im XX. Jahrhundert Deutsche Polen unermessliches Leid zugefügt haben.
Weshalb dann diese Emotionen - 62
Jahre nach dem Krieg und 18 nach der Erringung der Freiheit durch Polen sowie
Freiheit und Einheit durch Deutschland?
Eine Bewusstseinslücke
Der gegenwärtige Konflikt engt
das Blickfeld ein. Schaut man zurück, so erkennt man eine fatale Lücke. Eine
Lücke in der bis dahin gewaltigen deutschen „Erinnerungsarbeit“. Polen nahm in
ihr die größte Nebenrolle ein. Natürlich wird in den Schulen weiterhin gelehrt
und gelernt, dass 1939 Deutschland Polen überfallen und okkupiert hat. Das ist
die rationale Seite des Wissens. Das emotionale Deutschland - gemeint ist die
Gesellschaft, nicht einzelne Ausnahmen, die sich für die polnisch-deutsche
Versöhnung vor 1989 und später engagiert haben, ist sich nie bis zu Ende der
„Polen als Opfer“ bewusst geworden. Sicher nicht aus bösem Willen: Schon seit
den 60er Jahren, seit den Auschwitz-Prozessen (Prozesse gegen die Wärter von
Auschwitz in Frankfurt am Main), die sich zum Katalysator in der Diskussion
über die Jahre 1933 bis 45 entwickelten, dominierte der Holocaust den Diskurs
über die Opfer. Das Bewusstsein des Mordes an den Juden verschleierte gewissermaßen
andere Verbrechen. Auf den zweiten Platz in der „Opferhierarchie“ (eine
schreckliche Formulierung, aber in Historikerdiskussionen benutzt) platzierte
sich mit der Zeit die große Sowjetunion: Eine Weltmacht, deren Armee fast ein
halbes Jahrhundert auf deutscher Erde stationiert war und während des Kalten
Krieges eine reale Bedrohung darstellte.
Polen, nach 1945 westlich
verschoben und „beschenkt“ mit deutschem Vorkriegsgebiet, spielte im deutschen
Schuldbewusstsein eine geringere Rolle als - nennen wir sie so - „Opfer der
zweiten Kategorie“. Erst mit der Warschauer Geste Willy Brandts (obwohl er auf
die Knie vor dem Ghettodenkmal fiel, wurde sie als Geste gegenüber Polen
verstanden), und dann mit der großen Hilfsaktion für Polen, die nach Ausrufung
des Kriegszustandes anlief, zeigten Deutsche gegenüber Polen Emotionen, bei
denen sicherlich auch das Schuldbewusstsein - im Falle jüngerer Generationen
eine historische Verantwortung - eine gewisse Rolle spielte.
Es geht nicht darum, Schuldige zu
suchen. Wenn überhaupt, so ist vor allem der Kalte Krieg schuld, der Polen
nicht nur aus den politischen Prozessen, sondern auch aus den historischen
Debatten, die in Westeuropa geführt wurden, ausschaltete.
Ist es heute, 62 Jahre nach dem
Krieg möglich, dieses Defizit im deutschen Gedächtnis auszufüllen? Es ist
sicher schwer, aber man sollte es probieren. Und solche Proben wurden in
Angriff genommen. Dazu zählen z.B. die Einrichtung eines polnischen Zentrums
für Historische Forschungen in Berlin oder Ausstellungen, die vor kurzem in
Deutschland präsentiert wurden: Über die Verbrechen der Wehrmacht 1939 oder
über polnische Zwangsarbeiter.
Unabhängig davon wäre es gut,
wenn deutsche Politiker und Journalisten, die nicht nur die kürzlich geäußerten
Meinungen polnischer Politiker kommentierten, sondern auch z.B. polnische
Reaktionen auf den Plan Erika Steinbachs oder die deutsche Debatte über eigene
Opfer (Vertreibung, Luftangriffe u.s.w., worüber auch
im Tygodnik Powszechny
geschrieben wurde), sich dieses Defizits bewusst wären.
Die Geschichte dreht sich weiter,
aber die Vergangenheit verrinnt nicht so schnell. Besonders in einem Land, in
dem erst nach 60 Jahren das Museum des Warschauer Aufstandes entstand. Polen
hat das Recht, sich seiner Geschichte zu erinnern. Diese Erinnerung an sie
sollte auch ein Element des europäischen Bewusstseins werden.
Das Durchstreichen der näheren wie der entfernteren
Vergangenheit
Um dies zu erreichen, ist eine
mühsame und scheinbar wenig attraktive Arbeit an den Grundlagen nötig. Außerdem
können andere unsere Geschichte nur schätzen, wenn wir sie selbst schätzen. Es
ist etwas traurig, dass die Mannschaft von Lech Kaczyński, die das Museum
des Aufstandes baute, seit langem die Arbeit von Menschen entwertet, die sich
noch vor 1989 für die polnisch-deutsche Versöhnung engagierten. Jarosław
Kaczyński spricht über die
Notwendigkeit, historische Erinnerungen zu erhalten. Gleichzeitig aber
demontiert er einen Teil der Erinnerungen, in dem er feststellt, dass
diejenigen, die sich für die Versöhnung mit Deutschland einsetzten,
möglicherweise edel waren, aber politisch naiv und per saldo schädlich.
Warum macht er das? Nach zwei
Jahren Regierungszeit von PiS könnte die Antwort
folgendermaßen lauten: Aus ähnlichen Gründen wie er die Leistungen der Außenpolitik
nach 1989 entwertet hat. In einem seiner Interviews sagte er im Sommer 2006,
dass jetzt eine harte Politik durchgeführt wird und das, was bisher war, eine
„Politik auf Knien“, „eine Politik der weißen Fahne“ gewesen sei. Diese
Bezeichnungen wurden schon zu geflügelten Wörtern, wiederholt wie ein Axiom
z.B. durch die Außenministerin Anna Fotyga als
Antwort auf alle Vorwürfe.
In der Psychologie wird diese
Herangehensweise „schöpferische Zerstörung“ genannt: Um einen Menschen aus
seinen Schwierigkeiten herauszuholen und ihm mit der Schaffung eines neuen
„Ichs“ zu helfen, ist es manchmal notwendig, das Alte zu zerstören. Aber war es
das Wert, die Errungenschaften der Versöhnung - obwohl und gerade deshalb, weil
es heute kein modernes Wort ist, werden wir daran festhalten - vor 1989 zu
zerstören. Eines verbindet sich mit dem anderen. War es das wert, die
Leistungen Polens in der internationalen Politik nach 1989 zu entwerten?
Die Erfolge der Versöhnung
Polen und Deutsche, die sich für
eine Versöhnung einsetzten, waren keine naiven Romantiker. Dass, was Stanisław
Stomma oder Władysław Bartoszewski
machten, war auch eine Politik, die den Umständen geschuldet war. „Unsere
Anstrengungen zur Versöhnung hatten zwei Gründe“, sagte Jerzy Turowicz 1995. „Zum Ersten leitete uns unser christlicher
Glauben, die christliche Treue nach dem Prinzip der Vergebung und
Nächstenliebe; zum Zweiten, der politische Realismus und das Bewusstsein, dass
unsere beiden Völker Nachbarn waren, sind und bleiben. Diese Tatsache
verpflichtete uns - auch im Interesse des Friedens - die Feindschaft zu
überwinden. Wir waren uns dessen bewusst, dass es unter den damaligen
Bedingungen notwendig war, von den Grundlagen an zu beginnen, von den Kontakten
zwischen konkreten Menschen, ehe es zur Annäherung zwischen Regierungen und
Staaten kommen konnte“. Es ging dabei um das politische Kalkül: Wenn sich Polen
irgendwann von der Dominanz der Sowjetunion befreien und sich dem Westen
zuwenden will, dann führt der einzige Weg über Deutschland.
Was die Sache so interessant
macht, wenn man über die Erinnerungen spricht, das ist die Polemik Turowiczs mit dem Brief der polnischen Bischöfe aus dem
Jahr 1965. (Damals verteidigte er den Brief; in den 90er Jahren polemisierte er
dagegen). Er sagte: „Es war mir nicht erlaubt, irgendeinen Einwand gegen seinen
Inhalt zu formulieren. Die Bischöfe schrieben an ihre deutschen Mitbrüder:
„Versuchen wir zu vergessen! Führen wir keine weiteren Auseinandersetzungen,
keinen weiteren kalten Krieg, beginnen wir den Dialog.“ Warum habe ich Einwände
gegen diesen Satz? Natürlich hatten die Bischöfe Recht, indem sie zum Dialog
aufriefen. Aber die Aufforderung „Versuchen wir zu vergessen!“ ist weder
realistisch, noch richtig. Die Generation von Polen, die den Krieg und die
Okkupation überlebten, kann nicht vergessen. Ich denke, dasselbe trifft auch
auf die deutsche Kriegsgeneration zu. Erst die folgenden Generationen, für die
der Krieg und seine Grausamkeit Geschichte wird oder schon geworden ist, werden
vergessen können. Andererseits sollte man auch nicht vergessen. Ganz im
Gegenteil, man sollte die Erinnerung bewahren, damit sich dies nicht mehr
wiederholt.“ Hier kann man sehen, dass die These falsch ist, dass Versöhnung
Vergessen bedeuten würde.
Ohne die Tätigkeit vor 1989 wären
viele Dinge, die wir heute für selbstverständlich halten, nicht so einfach
gewesen. Angefangen von 1989, als Polen die Unterstützung der BRD für seine
Reformen bekam und dann als es in die NATO und die Union eintrat, was ebenfalls
mit der Unterstützung Deutschlands geschah. Der Politologe Dieter Bingen, heute
Direktor des Deutschen Polen Instituts, fragte 1995: „Warum hat Polen im
heutigen Deutschland einen Verbündeten, der seine Bestrebungen in Westeuropa unterstützt?“
Seine Antwort darauf: Weil bei den deutschen Eliten eine propolnische
Lobby besteht. „Ihre Wurzeln pflanzten in der Vergangenheit Menschen aus dem
alten Westdeutschland, die die Idee der Versöhnung trugen, den Wirtschafts- und
Kulturaustausch unterstützten, aber auch Menschen aus der demokratischen
Opposition der DDR, die mit der Freiheitsidee aus Polen verbunden waren.“
Auf Knien?
NATO und Union: In diesen beiden
wichtigsten Fragen erwies sich die polnische Politik als erfolgreich), nicht
nur weil sie konsequent war und sie die Unterstützung des Westens hatte,
sondern auch deshalb, weil sie nach dem Prinzip der Kontinuität verfuhr. Obwohl
in Polen die Regierungen häufig wechselten, setzte jede folgende Regierung die
Linie ihrer Vorgängerinnen fort. Auch die Postkommunisten, die das erste Mal
bereits 1993 an die Macht zurückkehrten und für zehn Jahre den
Präsidentenpalast besetzten, erkannten die Ziele, formuliert durch ihre
Solidarność-Vorgänger, an. Aleksander Kwaśniewski und seiner
Mannschaft kann man viel vorwerfen, aber nicht in dieser Angelegenheit.
Es fand auch eine realistische
Politik statt, wenn man z. B. an die Beziehungen zu Russland denkt. (...)
Heute sagt man, dass Polen im
Jahre 2000 in Nizza eine günstige Position in der Union erreicht hat, deren
Gültigkeit für die nächsten zehn Jahre die polnische Delegation in Brüssel
ausgehandelt hat, was PiS als Erfolg präsentiert.
Damals gelang der Nizza-Erfolg nicht einem geheimnisvollen Polen, sondern
konkreten Menschen: dem damaligen Premier Jerzy Buzek
und dem damaligen Chef des Außenministeriums Władysław Bartoszewski (übrigens u.a. mit
Unterstützung Deutschlands).
Ein anderes Beispiel: Die nach
2005 berufene Führung der Stiftung Polnisch-Deutsche Aussöhnung (die Kader
werden nach jeder Wahl ausgetauscht; das ist an sich nichts Ungewöhnliches)
präsentiert heute, denn es gibt richtigerweise etwas zu präsentieren, die
Bilanz der Entschädigungen für polnische Opfer des III. Reiches, die in den
letzten Jahren ausgezahlt wurden. Es ist wichtig, daran zu erinnern, dass die
Entschädigung in den Jahren 1998 bis 2000 während ungewöhnlich schwieriger
Verhandlungen durch die Regierung von AWS und UW durch konkrete Menschen
erkämpft wurde. Zu nennen sind nicht zuletzt: Bronisław Geremek, Chef des Außenministeriums; Wiesław Walendziak, Kanzleichef des Premiers; die Verhandlungsführer
Jerzy Kranz und Bartosz Jałowiecki...).
Das Wort „erkämpft“ ist hier völlig berechtigt, denn als 1998 Kanzler Schröder
die Schaffung eines Fonds, in den die Entschädigung eingezahlt werden sollte,
versprach, war überhaupt nicht klar, ob auch Polen etwas erhalten würde und in
welcher Höhe.
Die nächste Sache. Die Hetze
deutscher Aussiedler, genauer gesagt, eines kleinen Teils von Millionen
Aussiedlern: In dieser Angelegenheit wurde alles das erreicht, was zu erreichen
war. Gerhard Schröder und danach die Regierung Angela Merkel erkannten an, dass
die Forderungen unbegründet waren, was
ein gemeinsames polnisch-deutsches Rechtsgutachten bestätigte. Das ist sicher
nicht wenig, wenn man sich an das Jahr 1998 und den damaligen
„Resolutionskrieg“ zwischen Sejm und Bundestag erinnert. (...) Die Jahre 1998
und 2007 trennen eine Epoche, aber den über Jahre andauernden Streit (...)
führten alle folgenden polnischen Regierungen. Die PiS
Regierung hätte sicherlich auch nicht mehr erreicht.
Das oben gesagte kann als Beweis
dafür gelten, dass nicht erst nach 2005 die Bedeutung der Geschichte und ihre
Rolle in der Politik wahrgenommen wurden. Wie denn, wenn nicht aktive
„historische Politik“, muss man den langjährigen Streit um das Projekt von
Erika Steinbach oder die Bemühungen um Entschädigung für polnische Kriegsopfer
nennen? (...)
Das war im Grunde genommen nichts
anderes als die Übertragung der innenpolitischen Rhetorik (Projekt der IV. Republik),
die von dem Streben zu schnellen Erfolgen begleitet wurde, mit denen man sich
vor der öffentlichen Meinung brüsten konnte - als Beweis für den Erfolg „der
Außenpolitik der patriotischen Kräfte“ (Michal Kamiński). Auf diese Weise
wurde die Außenpolitik zu einer Neben-Innenpolitik. Sie ging nicht einher mit
einer neuen Konzeption der Politik gegenüber Deutschland.
Obwohl PiS
im Grunde genommen die Außenpolitik ihrer Vorgängerinnen fortsetzte, versuchte
sie dennoch den Eindruck zu erwecken, dass sie anders sei. Deshalb musste dem
Stil, der Sprache und der Rhetorik eine größere Bedeutung zufallen. Letztere
war anfangs nur skeptisch gegenüber Deutschland sowie einer engen polnisch-deutschen
Zusammenarbeit, ging dann aber mit der Zeit immer mehr zur Konfrontation über.
Bis vor kurzem: Wenn der Premier über Deutschland spricht, kann man den
Eindruck gewinnen, dass das nicht die Sprache des intellektuellen Hintergrunds
der PiS ist (hier sind zu nennen: Marek Cichocki oder Dariusz Gawin),
sondern die Sprache, der sich schon seit Jahren Pater Tadeusz Rydzyk bedient: die Vision, dass Deutschland der Feind
Polens sei. Diese Taktik bringt nicht viel, sondern bestätigt eher die
Deutschen in ihrer Überzeugung, dass die Schuld für die schlechten
polnisch-deutschen Beziehungen eher auf polnischer Seite liegt.
Das Jahr 2009
Im Herbst 2009 finden Wahlen zum
Sejm und in Deutschland zum Bundestag statt. Ändert das etwas? Auf deutscher
Seite sicher nicht viel. Möglicherweise ändert sich die Zusammensetzung der
Regierung, wenn es der CDU und den Liberalen gelingt, eine Regierung zu bilden.
Aber auch in der Außenpolitik, heute dominiert von Angela Merkel, kann man
Kontinuität erwarten. Schlechter wäre es, wenn die SPD mit ihrer „Schröderischen“ Hinterlassenschaft gewinnt. Wenn dazu sich
eine Koalition antiamerikanisch und
protektionistisch in Wirtschaftsdingen mit der Linkspartei bildet, sie entstand
aus einer Verbindung von Postkommunisten und linken Splittergruppen aus den Altbundesländern, dann wird es
schlechter als schlecht.
Und auf polnischer Seite? Würde
eine PO Regierung etwas ändern? Das wäre zweifelhaft, denn das Problem liegt
tiefer und nicht, wie Adam Krzemiński von der Polityka
feststellte, in den letzten zwei Jahren der PiS
Regierung. Erstens gibt es kein zurück „vor“ bzw. nach den 90er Jahren, auch
nicht zur Zeit von vor 2005, denn schon damals waren
die polnisch-deutschen Beziehungen schlecht. Zweitens hat die gegenwärtige
Opposition kein Alternativprogramm zur Politik gegenüber Deutschland.
Einer der Ursachen für die
verfahrene Situation (...) ist die Einführung des Wortes „Patriotismus“ durch
Jarosław Kaczyński. Der Premier hat ein Klima geschaffen, in dem der
Politiker (oder Publizist), der gegen seine Vision auftritt, sich dem Vorwurf
aussetzt, er gehöre zur „Partei der weißen Fahne“, „er stoße der Regierung das
Messer in den Rücken“, er lebe von deutschem Geld u.s.w.
(...)
Polen und Deutschland benötigen
Diskussionen und Alternativen. Es muss etwas getan werden, damit es anders
wird. Denn am Ende kann es noch immer schlimmer kommen. Das sagte Władysław
Bartoszewski, der seit einiger Zeit jeden Kommentar
zu den polnisch-deutschen Beziehungen ablehnt.
Wojciech Pięciak, Joachim Trenkner, Polska-Niemcy: o
wiele słów za daleko,Tygodnik Powszechny, 9. 7. 2007; Übersetzung: Daniela Fuchs, Berlin. Kürzungen und Hauptüberschrift
von der Redaktion. Wir danken für das Nachdrucksrecht in eigener Übersetzung.