Alpine Peace Crossing

 

Von Udo Kühn

 

1945, nach dem Zweiten Weltkrieg, gab es in den Westzonen der künftigen Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich Tausende Personen, von den Alliierten als „Displaced Persons“ bezeichnet, kurz DPs genannt. Viele von ihnen waren jüdischen Glaubens und nannten sich selbst mit einem biblischen Begriff und mit verpflichtendem Auftrag „Sche'erit Hapletah“, der „Rest der Geretteten“. Mit vielen Hunderttausenden anderer, nichtjüdischer Flüchtlinge aus Osteuropa wurden sie nach Ende des Krieges vor allem in den DP-Lagern der Westzonen Deutschlands einquartiert. Sie hatten die Konzentrationslager überlebt, kamen aus den Wäldern des Ostens oder waren in die Sowjetunion geflohen. Mit den antisemitischen Ausschreitungen in Polen, die im Pogrom von Kielce im Juli 1946 gipfelten, wuchs die Zahl der jüdischen DPs drastisch an. Bis zu 300.000 Juden kamen so zeitweise auf den eben noch „judenreinen“ deutschen Boden.

 

Die alliierte Besatzung empfing sie nicht mit offenen Armen, sie wurden in Lagern auf engstem Raum untergebracht, teilweise mit Stacheldraht umgeben. Monate nach ihrer Befreiung trugen viele von ihnen noch die gestreifte KZ- Häftlingskleidung. Im Gegensatz zu anderen Nationalitäten, etwa aus dem Baltikum, wurden die jüdischen Ausreiseanträge schleppend bearbeitet; Palästina blieb ihnen aufgrund der britischen Politik gegenüber den Arabern zunächst weitgehend verschlossen. Jüdische Hilfsorganisationen durften zunächst nicht in die Lager hinein. Offener Antisemitismus herrschte nicht nur unter den Deutschen, sondern auch unter den Alliierten vor, bis hin zu dem in Bayern verantwortlichen General George Patton, der damals meinte, wenn die Juden „nicht bewacht werden, werden sie nicht in den Lagern bleiben und wie Heuschrecken das Land überziehen. Schließlich müssen sie zusammengetrieben werden, nachdem einige von ihnen erschossen und einige Deutsche ermordet und ausgeraubt worden sind.“ Der typische Vertreter der jüdischen DPs sei „eine Art Untermensch..., der noch niedriger als das Tier steht...“.

Berichte über die Behandlung der Juden führten Ende August 1945 zu dem von Präsident Truman kommissionierten Harrison-Report, der die Lagerbedingungen mit den Worten zusammenfasste: „Wir scheinen die Juden so zu behandeln, wie die Nazis dies taten, nur daß wir sie nicht vernichten.“ (Zusammenfassung nach Michael Bodemann, „Ein vergessenes Zwischenspiel“, TAZ Nr. 4677, S. 12 vom 24. Juli 1995.)

Auch in Österreich gab es Hunderttausende jüdischer DPs. „In den Jahren von 1945 bis 1948 flüchteten mehr als 200.000 Juden, mehrheitlich aus Polen und Rumänien, auf zum Teil abenteuerliche Art und Weise durch Österreich Richtung Palästina. Für viele osteuropäische Überlebende des Holocausts war nach der nationalsozialistischen Ausrottungspolitik und angesichts des auch nach Kriegsende noch immer anhaltenden und oft gewalttätigen Antisemitismus in ihren Heimatländern die Emigration aus Europa die einzige Hoffnung auf einen Neuanfang.“

So beginnt die Dokumentation von Thomas Albrich (Hrsg.) mit dem Titel „Flucht nach Eretz Israel: Die Bricha (eine der oben erwähnten jüdischen Hilfsorganisationen - d. Verf.) und der jüdische Exodus durch Österreich nach 1945“; Innsbruck; Wien: Studien-Verlag, 1998 (Österreich-Israel-Studien; Bd.1) ISBN3-7065-1289-0.

Letztes „Schlupfloch“ nach Italien, von wo aus die Weiterreise mit Schiffen stattfand, war im Jahre 1947 der Krimmler Tauernpaß in einer Höhe von 2.634 m ü.d.M. vom Land Salzburg nach Südtirol in Italien. Das bedeutete konkret die Organisierung eines Marsches von der Ortschaft Krimml mit seiner Seehöhe von ca. 1.000 Meter, über das Krimmler Tauernhaus (1.630 m) im Krimmler Achental, hoch zum Pass und dann nach der österreichisch-italienischen Grenze, die illegal überschritten wurde, 1000 Höhenmeter hinunter zur Ortschaft Kasern im Ahrntal. Das ganze musste mit „Kind und Kegel“ jeweils in Gruppen von 200 bis 300 Personen, ohne entsprechende Kleidung und Schuhzeug und ohne Bergerfahrung geschafft werden. Insgesamt ca. 5.000 dieser „Tauerngeher“ im Sommer 1947 nahmen diese Strapaze auf sich.

Gedenkmarsch 2007

Das war vor sechzig Jahren. Aus diesem Anlass startete der Salzburger Dr. Ernst Löschner in Wien als Privatmann die Initiative „Alpine Peace Crossing“ Ende Juni 2007 zusammen mit dem Nationalpark Hohe Tauern Salzburg, der Stadtgemeinde Saalfelden sowie den Gemeinden Krimml und Ahrntal. Offizieller Sponsor ist die Bank BNP Paribas S.A., neben weiteren Sponsoren. Siehe auch Interview mit Ernst Löschner in den Salzburger Nachrichten [www.salzburg.com] vom 16. April 2007.

Am 28. Juni 2007 fand eine Gedenkstein-Enthüllung in Saalfelden im ehemaligen DP-Lager und am selben Tag ein großer Festakt mit über 200 Teilnehmern in Krimml statt. Höhepunkt war am 29. Juni 2007: Die nachvollzogene Tauernüberquerung zu Fuß vom Krimmler Tauernhaus nach Kasern mit 120 „Tauerngehern“. Wir waren dazu 11 Stunden unterwegs. Am Abend fand dann eine Abschlussveranstaltung in St. Johann im Ahrntal statt. Besonders Fußstarke liefen am nächsten Tag einen anderen Weg über den Tauern wieder zurück. [Siehe auch im Internet unter: www.alpinepeacecrossing.org]

Viele Gäste kamen aus Israel angereist und Nachkommen von den damaligen „Tauerngehern“ waren jetzt mit dabei. Insgesamt war es eine gelungene Veranstaltung, die sehr eindrucksvoll im Gedächtnis aller Teilnehmer bleiben wird. Es ist geplant, mit weiteren Veranstaltungen dieser Art dem Projekt Nachhaltigkeit zu verleihen.