Denkmalpflege
in Polen
Von Udo Kühn
Wenn ich nach meinen Polenreisen in den siebziger und auch achtziger
Jahren begeistert von den Erfolgen polnischer Restaurateure in den polnischen
Städten nach dem Zweiten Weltkrieg erzählte, zum Beispiel von der wunderschön
wiedererstandenen Warschauer Altstadt, dann reagierten meine Zuhörer oft mit
der Bemerkung, dass die Polen doch eigentlich Wichtigeres zu tun hätten, als
ihre Denkmäler, alten Schlösser oder halt die Warschauer Altstadt wieder
aufzubauen. Das hat sich inzwischen geändert. Heute fahren diese Leute als
Rentner mit komfortablen Reisebussen in diese wieder aufgebauten und
restaurierten polnischen Städte von Posen über Danzig nach Warschau, natürlich
begeistert.
Dass polnische Restaurateure aber
auch in deutschen Städten arbeiten
- nachdem dort wieder Interesse
am alten Stadtbild modern wurde - ist weniger bekannt, aber Tatsache. Die
Polnischen Werkstätten für Denkmalpflege wurden zu einem Begriff für Qualität
und Ausführung.
Anstoß zu diesem Artikel gab die
Eröffnung einer Ausstellung in Darmstadt im
Haus der Geschichte im September 2006 mit dem Titel „Der Wiederaufbau
Warschaus: Altstadt und Königsschloss“. Es ist unmöglich, umfassend dieses
Thema zu behandeln, deshalb nachfolgend nur ein kleiner Auszug aus der Presse
ab 1970 zum Themenschwerpunkt Denkmalpflege und Restaurierung:
In der ZEIT vom 2. Juli 1971
heißt es, dass Bauarbeiter für den kommunistischen Teil Europas ein höchst
paradoxes Projekt in Angriff genommen haben. Gemeint ist der Wiederaufbau des
königlichen Schlosses in Warschau; Symbol der nationalen Identität. Aber auch
auf dem Isartor regieren die Polen. „Am gesamten Bauwerk sind Spezialisten am
Werk, wie sie München noch nie gesehen hat: polnische Restaurateure aus den
berühmten „Warschauer Staatswerkstätten für Denkmalpflege“...“ stellte die
Süddeutsche Zeitung am 20. April 1972 fest.
Es ist zu erkennen, dass
Denkmalschutz in Polen als eine ernste patriotische Sache angesehen wird. „Was
da in Warschau oder Krakau und wo sonst noch an Patrizier-, Bürger-,
Handwerker- und Bauernhäuser freigekratzt,
gespachtelt, abgestützt und vorbildlich restauriert wird, ist eben polnische
Geschichte - Gesellschaftsgeschichte, bitte schön - aber keine deutsche und
keine russische. Daß polnische Konservatoren
inzwischen allerorts begehrte Spezialisten ihres Faches sind, ist ein
sympathisches Nebenprodukt des nationalen Eifers (...)“, ist in der Frankfurter
Allgemeinen Zeitung am 28. Juni 1975 zu lesen. Dem Wiesbadener Kurier war am 7.
Oktober 1982 zu entnehmen, dass der Preis für Denkmalschutz an einen Warschauer
Professor ging. Glaubt man der „Neuen Zeit“ vom 20. Juni 1994, hat ein Treffen
zwischen polnischen und deutschen Denkmalpflegern in Berlin und Brandenburg
gemeinsame Probleme sowie Unterschiede sichtbar werden lassen.
Im Jahre 2001 machte die TAZ auf
die Schlossherren im Hirschberger Tal aufmerksam.
Insgesamt gibt es 38 Schlösser, Burgen und Herrensitze im polnischen Jelenia Gora vor den Toren
Berlins. Nachdem die alte Pracht lange Zeit unbeachtet und vernachlässigt
zerfiel, wird nun - mit oder ohne EU-Gelder - restauriert. Mit viel Aufwand
werkeln Privateigentümer an Fassaden und Interieur.
Die vollständigen Artikel, aber
auch weitere, sind im Deutschen Polen-Institut in Darmstadt archiviert und
zugängig. In diesem Zusammenhang ist auf eine besondere Veröffentlichung des
Deutschen Polen-Instituts zu verweisen, in der einige interessante Vorträge zum
Thema aus polnischer Sicht aufgeführt wurden: „Die Schleifung. Zerstörung und
Wiederaufbau historischer Bauten in Deutschland und Polen“ Harrassowitz
Verlag, Wiesbaden 2005; Band 20.
Last, but
not least: Wer Zugang zu einer der großen
Bibliotheken in der Bundesrepublik hat, kann sich dort eine „Rezensierende Bibliographie“
von Hans-Jürgen Scharfenberg mit dem Titel „Modernes Bauen, Restauration und
Rekonstruktion historischer Architektur in Polen nach 1945“ auf 50 Seiten
ansehen, die im Band 1 der „Polen-Information“, Wiesbaden 1979, enthalten ist.
Es ist einer der ersten Veröffentlichungen aus der „Dokumentation
Polen-Information“ und bespricht Bücher, die heute längst in Vergessenheit
geraten sind, aber durchaus bleibenden Wert besitzen. Auch werden
Restaurierungsarbeiten durch polnische Spezialisten in der damaligen BRD und
DDR, sowie weltweit, aufgeführt.
In diesem Band ist auch ein
ausführlicher Artikel von El¿bieta Dobrzyńska enthalten, in dem sie bereits 1977
folgendes feststellt: „In der Pflege von Baudenkmälern besitzt Polen reiche
Erfahrungen, konnte Polen Erfolge erringen, die in der Welt beispiellos
dastehen. Als Beispiel seien hier der Wiederaufbau der fast völlig zerstörten
Altstädte von Warszawa, Gdańsk, Wroc³aw, der
Wiederaufbau des Schlosses in Warszawa oder die
Restaurierungsarbeiten an den Baudenkmälern der einstigen polnischen Hauptstadt
- Kraków - genannt. Auch Zamość,
eine Stadt mit Renaissancearchitektur, die in Europa Seltenheitswert besitzt,
ersteht im alten Glanz.“ Beim Fraunhofer-Informationszentrum (www.irbfrauenhofer.de/bauforschung/projekte.jsp?p=85108000081)
wird auf eine technische Dissertation der TH Aachen, Fakultät für Bauwesen,
verwiesen: Georg Weinberg, Denkmalpflege in Polen. Entstehung und Entwicklung
bis 1945. Struktur nach 1945. Charakteristik der durchgeführten Arbeiten und Studien.
Probleme des Umbaues und der Anpassung an gewählten Beispielen. Selbstverlag;
Aachen 1984; ca. 430 S.
Dass die polnische Restaurierungskunst bis heute hohes Ansehen genießt, zeigt die konstituierende Sitzung zur Gründung einer Deutsch-Polnischen Stiftung Kulturpflege und Denkmalschutz am 9. Februar 2007 in Krakau (s. auch: www.denkmalschutz.de/794.html).