Görlitz und Zgorzelec
feiern gemeinsam
Von Wolfhard Besser
Ende August lud Görlitz zum „13. Altstadtfest 2007“ ein. Seit einiger
Zeit ist auch die polnische Nachbarstadt
Zgorzelec beteiligt. Beide Städte, die sich seit der
Bewerbung als „Kulturhauptstadt Europas 2010“, Europastadt Görlitz/Zgorzelec
bezeichnen, hatten das Fest vorbereitet. So wurde am letzten
Augustwochenende beiderseits der Neiße gefeiert; in der historischen Görlitzer
Altstadt mit ihren wunderschönen Renaissance- und Barockhäusern,
mittelalterlichen Kirchen, Türmen und Stadtbefestigungen und jenseits des
Grenzflusses in der historischen ulica Wroc³awska. Diese enge Straße entlang der Neiße mit
ihren mittelalterlichen Gebäuden wurde
in den letzten Jahren wieder in den
ursprünglichen Zustand versetzt und lädt zum Bummeln ein.
Hier stand das Altstadtfest unter
dem Motto „Jakuby 2007“. Zwölf Bühnen beiderseits des
Flusses boten abwechslungsreiche und unterhaltsame Programme. Über 500 Künstler,
Gaukler und Musikgruppen gestalteten die drei Tage, Gastronomen bewirteten und
Handwerker umgarnten die Gäste. Dicht umlagert war auch die Bühne an der Postmeile in der ul.
Wroc³awska. Dort trat das Theater Maska aus Jelenia Góra auf, polnischer Rock
und Pop erklang; an anderer Stelle wurden Ritterkämpfe gezeigt, dazu mittelalterliche
Musik in einem Ritterlager, Folklore, Kabarett und Straßentheater erfreuten die
Besucher hüben wie drüben. Es wurde also grenzenlos gefeiert. Zu so einem
Altstadtfest gehörten auch Trödelmärkte, Handwerker- und Töpferschau. Polnische
Familien bummelten durch die alten Straßen der Nachbarstadt, deutsche Besucher
waren auf der Festmeile in Zgorzelec unterwegs. Dicht
gedrängt saß man an den Biertischen, zumal Essen, Trinken und Souvenirs
wesentlich billiger zu bekommen waren
als auf deutscher Seite. Eine erst kürzlich wieder aufgebaute Brücke
über die Neiße direkt zwischen den ursprünglichen Altstadtteilen macht den
Besuch über die Grenze unkompliziert möglich. Man darf nur nicht den Ausweis
vergessen. Aber von 2008 an soll auch diese Formalität wegfallen.
Bedeutende Persönlichkeiten - bedeutende Orte
Ein besonderer Anziehungspunkt in
der ul. Wrocławska ist zu jeder Jahreszeit das
Jakob-Böhme-Haus. In diesem Haus wohnte einst
der Mystiker und Naturphilosoph Jacob Böhme, ein einfacher Mann aus dem
Volke, Schumachermeister von Beruf, der durch sein dialektisches Denken
wesentliche Impulse um 1600 für
Wissenschaft, Kultur und Politik gab. Hegel bezeichnete ihn als den ersten
deutschen Philosophen. Jacob-Böhme, in seiner Zeit von Kirche und Görlitzer
Stadtverwaltung verfemt, wohnte und
arbeitete von 1599 - 1610 in diesem Haus, das heute nicht nur Museum ist. Seit
Jahren bemüht sich das Jacob-Böhme-Institut um die Pflege seines Werkes,
erforscht sein Wirken in der Oberlausitz. Die kleine Bildungsstätte ist ein
interessanter Anlaufpunkt für Interessierte, nicht nur aus Deutschland und
Polen; auch aus den Niederlanden und den USA. Deshalb war auch eine
Veranstaltung des Altstadtfestes dem großen Sohn der Stadt Görlitz gewidmet
„Auf den Spuren Jacob Böhmes“.
Den Rahmen des Festes bildet jedes Jahr das Gesamtensemble der
mittelalterlichen Gebäude, wovon 3500 unter Denkmalschutz stehen. Nach 1990
sind eine Vielzahl der Bauten restauriert worden, sodass sich die Stadt heute
wieder in alter Schönheit präsentiert; eingeschlossen ein Großteil der Häuser
auf polnischer Seite, der ulica Wrocławska.
Gute Aussichten
Auch im nächsten Jahr wird es wieder ein Altstadtfest geben am letzten Augustwochenende. Beide Städte - Görlitz und Zgorzelec - laden dazu sein. Auch wenn es in der so genannten „großen Politik“ zwischen Deutschland und Polen gegenwärtig ernste Spannungen gibt, im alltäglichen Zusammenwirken auf unterer Ebene ist dies offensichtlich kein Thema. Die Stadtverwaltungen beider Städte bemühen sich um ein enges Zusammenwirken in gemeinsamen Anliegen, sei es in kulturellen, wirtschaftlichen oder ähnlichen Belangen. Auch aus brandenburgischen Städten und Gemeinden ist zu hören, dass sie mit ihren polnischen Partnern nach wie vor ein enges Verhältnis pflegen; wie auch der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) mit Telewizja Polska Wrocław, die gemeinsam das deutsch-polnische Magazin „Kowalski trifft Schmidt“ (alle zwei Wochen sonntags um 19.00 Uhr im rbb-Fernsehen und im polnischen Regionalfernsehen) gestalten und donnerstags „Nachrichten aus Polen“ in Zusammenarbeit mit Wrocław und Szczecin innerhalb der rbb-Achse „Aktuell um 6“ (18.00 Uhr) senden. Schon so manche Filmberichte und Nachrichten hatten in diesen Sendungen die Städte Görlitz und Zgorzelec im Blick.