Polen und wir - Heft 50 - Juli 1999

DOKUMENTATION*DOKUMENTATION

Kosovo: ohne jeden Ausweg

Das ausweglose Dilemma um den Kosovo: soll man bombardieren oder auf Zeit spielen, in dem man Belgrad mit Bombardements droht - scheint sich dem Ende zuzubewegen. Die NATO und Diplomaten der USA, Großbritanniens und Frankreich können die Muskeln bis zu einem bestimmten Maße anspannen. Letztlich muss es zum Schlag kommen. Ihn will niemand im Westen, ihn will Russland nicht, es wollen ihn - aus genau entgegengesetzten Motiven - die Haupthelden des Kosovodramas: die Albaner und die serbische Equipe um Miloševic . So sieht es jedenfalls die Mehrheit der Beobachter.

Ein Militärschlag (...) kann unter der Bedingung Sinn haben, dass er den Weg zur militärischen Anwesenheit von Waffenstillstandskräften auf dem Boden bahnt. Aber die Serben wollen sich um nichts in der Welt mit der Stationierung eines Kontingents von 30.000 NATO-Soldaten im Kosovo einverstanden erklären. Und deshalb muss man ihren Widerstand brechen: den Angriffen aus der Luft müssen Bodentruppen folgen. Die Serben werden kämpfen. Das Kosovo entspricht für sie dem, was für uns Kleinpolen einschließlich Krakau bedeutet. Selbst wenn heute auf diesem Gebiet unseres Landes die Mehrheit zum Beispiel aus Ukrainern bestehen würde, würde die Forderung nach Abtrennung vom polnischen Staat für Warschau völlig inakzeptabel sein, und jeder von unseren Politikern, der das direkt allen und gegenüber jedem sagen würde, wäre ein Nationalheld. Falls überhaupt an einen Kompromiss zu denken ist, so muss er einige grundlegenden Fakten berücksichtigen. Erstens, dass die Serben Kosowo nicht abtreten können; zweitens, dass ein Angriff auf den Despoten Miloševic diesen zu einem Heiligen aller Süd- und Ostslaven macht; drittens, dass die Friedenstruppen nicht im Namen der NATO, nur unter dem der Kontaktgruppe auftreten können, was bedeutet, dass eine Notwendigkeit zu einer Übereinkunft mit Russland besteht, das ihr gleichberechtigter Partner ist. Viertens - und das ist vielleicht das Wichtigste - dass man das Kosovo nicht zu einem Kampffeld zwischen dem Westen und Osten machen darf, wenn auch nur deshalb nicht, weil überhaupt nicht klar ist, ob die Kosovoalbaner sich demokratischer als die Serben verhalten. Und fünftens, dass die einzig überzeugende Begründung für eine Intervention nur die durch die Serben verschuldete humanitäre Katastrofe im Kosovo sein kann.

Kosowo, wlasciwie bez wyiscia [Kommentar], Adam Szostkiewicz, Tygodnik Powszechny, Nr. 13 v. 28.3.1999 (Übersetzung: Wulf Schade, Bochum)


Eine Stunde der nationalen Genugtuung

(.....) Die Balkankrise ist weiterhin ein destabilisierender Faktor in einem wichtigen Gebiet Europas. Wenn wir über seine Genese nachdenken und wenn wir über die jetzige Situation nachdenken, kommt einem die Reflexion von Edmund Burke in den Kopf: "Die einzige notwendige Bedingung für den Triumph des Schlechten liegt darin, das der gute Mensch nichts tut."

(...) Polen spricht sich eindeutig für die dauerhafte und gewichtige Anwesenheit der Vereinigten Staaten in Europa aus. (...) Unser grundlegendes Ziel besteht darin, eine festere Verbindung der amerikanischen Interessen mit Polen und mit ganz Mitteleuropa als bisher herzustellen. Gleichzeitig sind wir bemüht, die Stellung Polens als den Hauptpartner der USA in der Region zu stärken, um im zunehmendem Maße gemeinsam die komplizierten Probleme in Mittel- und Osteuropa anzugehen. (.....)

Die Konflikte um Bosnien und Herzegowina wie auch um das Kosovogebiet widerspiegeln deutlich die Entwicklung der Beziehungen zu den Staaten des ehemaligen Jugoslawiens. Eine Ausnahme bildet hier Slowenien. Die Vertiefung der Kontakte mit diesem Land ermöglicht die Bildung einer Zone aus stabilen, demokratischen Staaten auf einem Gebiet von der Ostsee bis zur Adria.

In den Beziehungen mit Kroatien und Mazedonien werden wir die proeuropäische Orientierung in deren Politik stützen. Polen wird weiter Unterstützung für die zerbrechliche Staatlichkeit von Bosnien und Herzegowina leisten. Wir beabsichtigen unseren Anteil an den Friedenskräften (SFOR) beizubehalten. Wir sind ebenfalls bestrebt zur Stabilisierung der staatlichen Strukturen Albaniens beizutragen. (...) Unsere Beziehungen zur Bundesrepublik Jugoslawien können unter der Bedingung verbessert werden, dass Belgrad den Weg zur friedlichen Regelung des Kosovokonflikt betritt. (.....)

(...) [Das Kosovo-]Drama dauert bereits 10 Jahre an. Es verschärfte sich in den letzten 12 Monaten, als unter Bruch eingegangener Verpflichtungen die jugoslawische Regierung unter dem Deckmantel des Kampfes gegen die UCK auf breiter Front ethnische Säuberungen begann. (...) Erinnern wir uns deshalb: die Aggression hat seinen Ursprung in den Gedanken der Ideologen und wurde durch die Taten der Praktiker eines Großserbien in Gang gesetzt.

Die Regierung von Slobodan Miloševic ist für die Vorbereitung und Durchführung der Verbrechen an den Bürgern des eigenen Staates verantwortlich. Die Regierung von Slobodan Miloševic ist für die Fortführung und Verschärfung dieser verbrecherischen Taten in den letzten Wochen verantwortlich, die nach Beginn der Luftangriffe der NATO geschahen. (...) Die Kosovoalbaner, die heute unter unbeschreiblichen Bedingungen in Mazedonien und in Albanien kampieren, müssen sichere und durch nichts eingeschränkte Bedingungen bekommen, in das Kosovo zurückzukehren.

Das bedeutet die Rückkehr der repressiven serbischen Abteilungen und die Anwesenheit internationaler Streitkräfte im Kosovo. Albaner und Serben, die bis zum Beginn der ethnischen Säuberungen im Kosovo lebten, haben das Recht auf wirklichen und konsequenten Schutz. (...)

Die Regierung der Republik Polen fasste vor ein paar Tagen den Beschluss über eine deutliche Erweiterung der humanitären Hilfe für die Opfer ethnischer Säuberungen und gab eine Zusicherung für Flüchtlinge aus dem Kosovo (...) zum vorübergehenden Aufenthalt in Polen. Diese Aktivitäten der Regierung ergänzen die sich spontan entwickelnden Aktivitäten von Nichtregierungsorganisationen. Die solidarische Haltung, die so von unseren Mitbürgern demonstriert wurde, verdient ein Wort der Wertschätzung.(...)

Godzina Narodowej Satysfakcji, [Auszüge aus einer Rede des polnischen Außenministers Geremek im Sejm am 8.4.1999], Gazeta Wyborcza v. 9.4.1999 (Übersetzung: Wulf Schade, Bochum)


Eine humanitäre Katastrophe

(...) Ist irgendeine diplomatische Lösung des Kosovokonflikts noch möglich? Peter Galbright, ein amerikanischer Diplomat mit jahrzehntelanger Balkanerfahrung meint, dass ohne energische Gegenmaßnahmen zu den Repressionen, die sich gegen die Kosovoalbaner richten, über die Rückkehr an den Verhandlungstisch keine Rede sein kann. Die Luftangriffe können spektakulär sein, aber der Patient - die albanische Minderheit in Jugoslawien, zu deren Verteidigung sie unternommen werden - kann sterben. Ein Fiasko der militärischen Operation droht zu einem Verlust an Glaubwürdigkeit des Bündnisses zu werden: die Amerikaner könnten auf die Niederlage dieser Operation mit der Rückkehr zur Politik des Isolationismus reagieren. Falls Miloševic nicht nachgibt, muss man im Kosovo eine Enklawe der Sicherheit schaffen: der Einmarsch von Bodentruppen in einen Teil des Kosovo zwingt Belgrad zur Unterschrift unter den Friedensplan von Rambboillet. Ein anderer Diplomat, Rodric Braithwaite, ehemaliger Botschafter und außenpolitischer Berater von Premier John Major, sagt ohne Umschweife: "Ich kenne in der Geschichte keinen Fall, bei der eine Bombardierung, die ohne Unterstützung durch Bodentruppen durchgeführt wurde, zur Lösung eines politischen Problems führte." Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Regime Miloševic durch eine geschickte russische diplomatische Aktion zu einer Rückkehr an den Verhandlungstisch gezwungen ist, vielleicht - obwohl zur Zeit recht unwahrscheinlich - einige höchste Militärs in Belgrad rebellieren und man dann sofort mit der Equipe sprechen muss, die nach dem Sturz von Miloševic an die Macht käme. Die Alternative ist dagegen weniger ermutigend: weitere Kämpfe, noch größere Destabilisierung von Mazedonien und Albanien, regulärer Balkankrieg. Die Amerikaner - so warnt ein Brite ähnlich wie Galbraith - könnten dann zum Ergebnis kommen, dass die Ausübung der Funktion einer "Weltpolizei" sich für sie überhaupt nicht auszahlt, weil die Vereinigten Staaten nicht bereit sind den damit verbundenen Preis zu zahlen, auch mit dem Preis des Blutes amerikanischer Soldaten. "Das wäre ein klägliches Ergebnis einer Politik, die ohne tieferes Nachdenken vor allem deshalb begonnen wurde, um 'endlich etwas zu tun'."

Adam Szostkiewicz, Katastrofa humanitarna, Tygodnik Powszechny, Nr. 15 v. 11.4.1999 (Übersetzung: Wulf Schade, Bochum)


Der Feuerwehrmann als Brandstifter

Die geballte NATO-Propaganda, zusammengesetzt aus Lügen, Halbwahrheiten und Verschweigen, soll bei den Adressaten nicht den Schatten eines Zweifels aufkommen lassen. Leider gibt es in Polen keine unabhängigen Medienzentren, die trotz technisch sehr begrenzter Möglichkeiten auf die Bewusstseinsbildung zumindest der intellektuell aufgeschlossensten, westlich orientierten Kreise einwirken könnten. Daher rührt jenes Bild von den Ursachen und dem Verlauf des jugoslawischen Dramas, wie es uns Fernsehen und Presse zeichnen. Zu den rühmlichen Ausnahmen können die Feuilletons von KTT und Aleksander Malachowski in "Przeglad Tygodniowy" gezählt werden. Es lohnt somit, an dieser Stelle einige Bemerkungen hinzuzufügen.

Die Verantwortung für den Konflikt wird ausschließlich der serbischen Seite bzw. dem serbischen Nationalismus aufgebürdet. Das ist nichts Neues. Die serbische Seite wurde im gesamten Jugoslawienkonflikt von Anfang an dämonisiert. Das widerspiegelt freilich nicht die tatsächliche Rolle der Serben, sondern lediglich die antiserbische Einstellung der Vereinigten Staaten und der wichtigsten politischen Größen Westeuropas, was darauf zurückzuführen ist, dass Serbien nicht bereit ist sich ihrem Diktat unterzuordnen. Die Zahl der Serben, die während des langjährigen Konflikts gezwungen waren ihren Wohnort zu verlassen, weicht nur unerheblich von der Zahl der Moslems ab und übertrifft deutlich, annähernd um das zweifache, die Zahl der Kroaten.

Es lohnt also an die Anfänge dieses Konflikts in seiner gegenwärtigen Dimension (die jahrhundertealte Geschichte der ethnischen Beziehungen soll nicht berührt werden) und an seinen Verlauf zu erinnern. In den Medien hören wir von den bösen Serben und vom bösen Miloševic, die 1989 dem Kosovo die Autonomie und den Albanern alle Rechte entzogen. Tatsächlich wurde die Autonomie des Kosovo in jener Gestalt beseitigt, wie sie die Verfassung von 1974 garantierte, die aus Jugoslawien eine Art Konföderation acht loser verbundener Republiken und Provinzen schuf. Aber sowohl die Bürgerrechte als auch ein bedeutender Teil regionaler Autonomie (z. B. die Möglichkeit 42 albanische Abgeordnete in das 250 Sitze umfassende serbische Parlament zu entsenden) wurden beibehalten.

Keiner hat Albaner aus den Schulen hinausgeworfen. Man hatte ihnen Unterricht in albanischer Sprache und Lehrfächer über albanische Kultur und Geschichte angeboten. Den Albanern ging es jedoch um etwas anderes. Sie forderten, dass die von der Republik Serbien unterhaltenen Schulen nach Programmen aus Tirana ausbilden und die Abschlusszeugnisse den Kopf "Republik Kosovo" tragen sollten. Sie boykottierten die mögliche Beteiligung an den bestehenden Machtstrukturen, denn das war nicht ihr Großalbanien.

Die Beseitigung der Autonomie war nicht der Beginn des Konfliktes, sondern vielmehr die Reaktion der Serben auf langjährige separatistische Handlungen, deren Ziel in der Abspaltung des Kosovo und anderer durch Albaner bewohnter Gebiete (darunter Teile Mazedoniens, das - wenn ich schlechter Prophet sein darf - vermutlich auch noch sein Drama im Zusammenhang mit dem albanischen Nationalismus erleben wird) und in der Schaffung eines Großalbaniens bestand. [...]

Es lohnt darauf zu verweisen, dass Serbien laut seiner gegenwärtigen Verfassung als "demokratischer Staat aller hier wohnenden Bürger" bestimmt ist und keinerlei Einschränkungen bezüglich der nationalen Zugehörigkeit enthält. Das unterscheidet Serbien von Kroatien und auch von Mazedonien. Die Serben, die in anderen Ländern wohnen, können nicht automatisch die Staatsbürgerschaft der Republik verlangen, im Unterschied z. B. von den in Bosnien wohnenden Kroaten, die an den Wahlen in Kroatien teilnehmen. Sowohl die Verfassung der Bundesrepublik Jugoslawien (von 1992) als auch die Serbiens garantieren den nationalen Minderheiten weitgehende Rechte, wie z. B. das Recht auf Ausbildung und Information in der Muttersprache, das Recht auf deren Gebrauch vor Gericht und bei Kontakten mit anderen Machtorganen. Effektiv genutzt werden diese Rechte durch die 400.000-köpfige ungarische Minderheit. [...]

Slawomir G. Kozlowski, Strazak - podpalaczem, Przeglad Tygodniowy v. 14. April 1999 (Übersetzung: Holger Politt, Leipzig)


Auf wessen Seite steht der Papst

Vor fünf Jahren, als in Bosnien und Herzegowina die ethnischen Säuberungen von Seiten der serbischen Nationalisten andauerten, hat sich Johannes Paul II. in einen dramatischen Apell für eine "humanitäre Intervention" ausgesprochen. (...) Damals entschied sich die NATO nicht zu einer Intervention. Heute dauern die Bombardierungen an, die soweit die militärische Schlagkraft der Serben schwächen sollen, dass diese die Vertreibung der albanischen Bevölkerung im Kosovo beenden. Fünf Tage nach Beginn der Bombardements sprach der Papst mit einer Parlamentsgruppe des Europarates und sagte: "Das Waffengeklirr muss aufhören. (...) Gewalt als Antwort auf Gewalt ist niemals eine Lösung, die aus der Krise führt." Bedeutet das, dass die Apostolische Hauptstadt ihre Einstellung gegenüber dem Balkankonflikt änderte?

(...) Die Flugangriffe der NATO auf Jugoslawien kann man begründen, in dem man sich auf die Kirchenlehre über den sogenannten gerechten Krieg beruft. Die im Katechismus der Katholischen Kirche dafür geforderten Bedingungen scheinen mehr als genug erfüllt, wenn man unter dem Wort "Volk" "albanisches Volk im Kosovo" versteht. (...) Der Katechismus erinnert darüber hinaus (...) an "die internationale Institution, die die notwendigen Kompetenzen besitzt und mit der entsprechenden Macht ausgestattet ist", die einem Krieg vorbeugen könnte. (...)

Für die politische (was überhaupt nicht "moralische") Neutralität Johannes Pauls II. im Kosovokonflikt gibt es gewichtige Gründe. Wenn die bewaffneten Kämpfe bereits andauern - und was schlimmer ist von Tag zu Tag an Stärke gewinnen - ist es offensichtlich, das man alles tun muss, damit es zu einem andauernden Frieden kommt. Der Papst als sehr bedeutende geistige und moralische Autorität scheint in diesem Augenblick die einzige Instanz zu sein, eine Mittlerrolle zu spielen. Wenn er sich offen auf die Seite der NATO gestellt hätte, wären die Türe in Belgrad für ihn geschlossen. Und das hätte die Vereitlung der letzten Chance auf ein schnelles Beilegen des Konfliktes bedeutet. (...)

Drei Tage vor Beginn der Luftangriffe sagte Johannes Paul II.: "Die gewaltige Verschlechterung der Situation im Kosovo drängt mich zur Bitte um Eure Gebete, dass der Herr alle für die Zukunft dieser Region Verantwortlichen erleuchtet. Die dortigen Bevölkerungsgruppen erlebten bereits einen langen Kreuzweg und erwarten Lösungen, die die Geschichte berücksichtigen und mit Achtung zur Wahrheit verbunden sind." Am 25. März, einen Tag nach Beginn der Luftangriffe, stellte der Sprecher der Apostolischen Hauptstadt Joaquin Navarro-Valls die Angemessenheit der Bombardierungen als Mittel den Frieden zu erreichen in Frage. Gleichzeitig erklärte er, dass der Vatikan mit allen am Konflikt beteiligten Seiten diplomatischen Kontakt hält und "um die sofortige Einschwenkung auf den Weg des Dialogs bittet". Johannes Paul II., der mit großer Sorge das Leid der Völker der Konfliktregion beobachtet, "solidarisiert sich mit allen Nationen des Kosovos, mit den Albanern und Serben, mit den Muslims und Christen, den Orthodoxen wie mit den Katholiken". (.....)

Die Überlegung, auf welcher Seite Johannes Paul II. in diesem Krieg stehe, hat also keinen Sinn. Der Priester Adam Boniecki schrieb, als er die entsprechenden Bemühungen der Apostolischen Hauptstadt während des Krieges gegen den Irak 1991 kommentierte: "Die Frage, auf welcher Seite in diesem Konflikt die Kirche stehe, zeugt davon, dass man nichts verstanden hat. Die Kirche war und ist auf der Seite der Menschlichkeit. Der gesamten. Jede andere Option kann sich als katastrophal erweisen. Und deshalb sind für die Welt Propheten unentbehrlich."

Artur Sporniak, Po której stronie jest Papiez?, Tragedia Kosowa. Tygodnik Powszechny, Nr. 15 v. 11.4.1999 (Übersetzung: Wulf Schade, Bochum)


In Moskau über Serbien

Dieses Mal reden die Moskauer Straße und die Politiker mit einer Stimme: die ganze Schuld für die Tragödie in Jugoslawien trägt die NATO. Die Regierung in Moskau weist die Vertreter des Vertrages aus, und die Anhänger der extremen faschistisch-bolschewistischen Parteien greifen die amerikanische Botschaft an. Moskau fühlt nicht, dass es selbst einen Teil der Schuld für den Krieg trägt, denn immerhin unterstützte und unterstützt es moralisch das Regime Miloševic .

Die Moskauer Manifestationen zur Verteidigung Serbiens versammelten bedeutend mehr Teilnehmer als alle Manifestationen gegen den Tschetschenienkrieg, den, nebenbei bemerkt, niemand in Moskau mit dem Kosovokonflikt mindestens zu vergleichen versucht. Moskau ist empört, als hätte es ein kristallklares Gewissen. Sowohl die Kommunisten wie auch Jelzin und Primakow stimmen in der Bewertung der Bombardements überein und hoffen bestimmt, dass sie Dank dessen bei den Parlamentswahlen gewinnen - aber die Zeit arbeitet in diesem Falle für die Kommunisten und alle Arten von Extremisten. Trotz allem ist zweifelhaft, ob sich Russland in dem Krieg militärisch engagiert. Es ist dafür zu schwach, in Moskau traf bereits der Direktor des IWF ein und es finden Gespräche über Finanzhilfe statt, die Russland nicht bekommt, wenn es nicht seinen Standpunkt in der Serbienfrage mildert. Russland hat zu viel zu verlieren und vielleicht ist Jelzin so offen zuzugestehen, dass Russland sich eines militärischen Engagements enthält, weil das das eigene Gewissen nicht erlaubt.(...)

W Moskwie o Serbii [Kommentar], Jan Strzalka, Tygodnik Powszechny, Nr. 14 v. 14.4.1999 (Übersetzung: Wulf Schade, Bochum)


Eine Tragödie ereignet sich

(...) Strategische Ziele! - Als strategische Ziele erweisen sich Brücken, Dämme, Deiche, Schleusen, Autofabriken, Treibstofftanks, versehentlich Konvois albanischer Flüchtlinge. Was ist nicht noch alles strategisches Ziel? Victor Loupan, Korrespondent des rechten "Figaro Magazine", beschreibt (17. April 1999) die Bombardierung eines serbischen Landguts. Es wurden einige Dutzend Stück Vieh vernichtet. "Beim besten Willen fanden wir in der Nähe keinerlei militärisches Objekt." Eigentlich hätte er das nicht hinzuzufügen brauchen. Das kleinste Kind weiß, dass "chirurgische Luftangriffe auf eng begrenzte Ziele" Gutenachtgeschichten für Säuglinge und Bronislaw Geremek sind. Vor unseren Augen vollzieht sich im vorletzten Jahr des Jahrtausends die Austilgung eines Volkes. Und wir schweigen?

Leider reicht es nicht einmal dazu. In vorauseilendem Gehorsam beordern wir unsere Soldaten auf den Balkan und ein etwas dümmlicher Offizier erklärt im Fernsehen (nicht ihn stelle ich bloß, sondern seine Befehlsgeber), dass es sich eigentlich um eine humanitäre Einheit handle, die allerdings bereit sei für die Erfüllung offensiver Einsätze. Serben mordende Polen - wer hätte ein elenderes Szenario sich ausdenken können. [...]

Die Brücken, Schleusen, Chausseen, Fabriken. Dadurch werden bereits heute zukünftige serbische Generationen verurteilt zu Armut, Arbeitslosigkeit und dumpfem Hass. Sollen sie doch die Parias Europas werden! Opfer der NATO-Luftangriffe sind nicht nur die heute unschuldig Getöteten. Das sind auch die Neugeborenen, die sterben werden in den zukünftig keine medizinischen Mittel habenden und zerstörten Krankenhäusern, das sind die überflüssigen Alten, denen unter den Bedingungen der Armut das Leben um etliche Jahre verkürzt werden wird. Man fand einen neuen, schönen Ausdruck (vielleicht wird sich Prof. Glowinski eines Tages damit beschäftigen): die "internationale Gemeinschaft". "Die internationale Gemeinschaft unterstützt die NATO-Aktion." Durch einen merkwürdigen Zufall finden sich in dieser "internationalen Gemeinschaft" weder Chinesen, Russen, Hindus, Araber noch der hier Unterzeichnende. Also bin ich aus der "internationalen Gemeinschaft" entlassen worden. Logisch betrachtet habe ich aufgehört zu existieren ebenso wie drei Viertel der gegenwärtig den Globus bevölkernden Menschheit. Und richtig - darüber, wer das Recht hat zu leben, entscheiden nach einem Anruf aus dem Pentagon die Generäle der NATO. [...]

Westliche Politiker bemühen auch einen anderen Ausdruck, den "Geist von München". Wir dürften dem "Geist von München" nicht nachgeben. Das soll gewissermaßen heißen, wir werden nicht mit Diktatoren paktieren. Völlig überflüssig ist es auf die amerikanische Amnesie gegenüber der Geschichte hinzuweisen, denn das ist ja eine ausgemachte Binsenwahrheit und Selbstverständlichkeit. Worüber wurde in München entschieden? Über die Abtretung eines einem unabhängigen Staat zugehörenden Landesteils unter dem Vorwand, dort werden nationale Minderheiten verfolgt. Wenn so etwas wie der "Geist von München" existiert, dann beseelt er heute die für die Aggression gegen Jugoslawien Verantwortlichen. [...]

Ludwik Stomma, Dzieje sie tragedia, Trybuna v. 22. April 1999 (Übersetzung: Holger Politt, Leipzig)


Gefeiert wird später,

Gespräch mit dem Präsidenten Aleksander Kwasniewski

(...) Wir konnten nicht mit der Vertreibung (...) einverstanden sein, mit Aktionen, die absolut im Widerspruch zu allen Normen der Menschenrechte stehen. Ich glaube daran, dass die Aktionen den erwarteten Erfolg haben und haben werden, obwohl ich mir darüber im Klaren bin, dass die Kosten hoch sein werden - und das nicht nur in finanzieller, sondern auch in menschlicher und moralischer Hinsicht (...)

(...)Man muss deutlicher eine neue [NATO-] Strategie bestimmen. Welche wird das sein?

Unzweifelhaft ist der Art. 5 des Washingtoner Vertrages, in dem über die solidarische Verteidigung gesprochen wird, aktuell und erlaubt uns fortwährend, unabhängig vom Kosovo, eine Genugtuung zu verspüren, dass wir doch an Sicherheit gewonnen haben. (...) Kann sich die NATO hinter den Art. 5 verstecken und feststellen, dass wir uns ausschließlich für die Sicherheit unserer Mitglieder und potentieller neuer Bündnispartner interessieren, oder besteht die Aufgabe der NATO auch in den Bemühungen zugunsten der Ausschaltung von Bedrohungen, die an den verschiedenen Orten der Welt entstehen, und deren Nichtbeherrschung später zu einer Glut für ein schwierig vorhersehbares Unglück werden kann? Ich denke, die NATO hat bereits diese neue Verantwortung gewählt, um so mehr als die Vereinigten Staaten bereits mehr oder weniger ihre Weltrolle so definiert hat. (...) Der Generalsekretär [der UNO] Kofi Annan sagt in einem Satz, dass die Aktion gerechtfertigt ist, aber dass es schade sei, dass diese Entscheidung nicht der Sicherheitsrat gefasst hat. Das ist eine grundsätzliche Zweideutigkeit. Wenn die Aktion gerechtfertigt ist, warum fasste der Rat nicht diesen Beschluss? Er konnte ihn auf Grund des Vetorechts nicht fassen, das jedem Mitglied zusteht. (...) Vielleicht sollte man über die Abschaffung des Vetorechts nachdenken und die Erweiterung der Verantwortung für den Sicherheitsrat bezüglich globaler Probleme. Diesem Ziel würde die Einbindung der wichtigen Partner in den Sicherheitsrat dienen, die heute über die für die Welt grundlegenden Angelegenheiten entscheiden. Ich denke an Deutschland, Japan, Länder der Dritten Welt und regionale Gruppen wie Mitteleuropa. (...)

Aber, wenn wir doch nicht helfen können, sollte man dann nicht den Dingen ihren eigenen Lauf lassen?

(...) Nähmen wir einmal an, wir hätten nicht auf das Balkanproblem reagiert, dann hätten dort die ethnischen Säuberungen stattgefunden und in kurzer Zeit hätten wir in kurzer Zeit eine Million Flüchtlinge und hätten sie eines Tages aufnehmen müssen; diese Massen erschienen auf den Straßen von Warschau, Paris und Berlin ... Dass wir in Europa intervenieren bedeutet nicht die Beseitigung der Frage nach der Verantwortung dafür, was in Ruanda geschieht oder bezüglich des kurdischen Problems. Das ist wirklich eine grundlegende Frage: wie findet man Partner für positive Lösungen dieser Art von Problemen. Kann man sie auf den verfeindeten Seiten finden? Ist es wirklich total unvorstellbar, dass die jugoslawische Regierung das Kosovoproblem hätte friedlich lösen können, mit der Achtung für die Minderheitenrechte, unter Achtung der Menschenrechte? Ich weiß es nicht, die Antwort ist offen.

Stellen wir dann die nächste Frage: Wo haben wir das Recht zu intervenieren, wo nicht? Wie weit reicht unser moralisches Recht zur Intervention? Es existiert sowohl die Frage nach den Menschenrechten wie die nach der staatlichen Souveränität. (...)

Mitverantwortung, Bereitschaft zum Dienst am Frieden und für Stabilität ist für Polen keine fremde Angelegenheit. (...) Im Unterschied zum vorherigen Vertrag treten wir nicht gegen Werte auf - im politischen und gesellschaftlichen Verständnis -, die uns nahe sind. Wir intervenieren nicht wie in die Tschechoslowakei, weil dort die kommunistische Partei zu weitgehende Reformen durchführte (...) Es gibt hier kein [im Kosovokonflikt] moralisch-politisches Dilemma. Und niemand wird fordern, dass wir über unsere Möglichkeiten und bei jeder Angelegenheit handeln. (.....)

Swieto na pózniej, Rozmowa z prezydentem Aleksandrem Kwasniewskim, Polityka Nr. 17 (2190) v. 24. April 1999, S. 4-8 (Übersetzung: Wulf Schade, Bochum)


Platz für zwei Völker

Den Kosovo verlassen die jugoslavischen Soldaten und die serbischen Polizisten. Internationale Streitkräfte rücken ein. (...) Jeder albanische Flüchtlich, der gefragt wird, ob er in den Kosovo zurückkehren will, antwortet sofort: wenns geht, noch heute. Aber auf die zweite Frage, ob er eine Möglichkeit sähe, unter einem Dach mit Serben zu leben, würde er dem entschieden widersprechen: Niemals. Sie haben uns zu viel Leid zugefügt, wir glauben ihnen nicht mehr. Das Kosovo kann nur den Albanern gehören. Die UCK, die am Ende der Pariser Friedenskonferenz über das Kosovo einer Autonomie dieser Provinz und der Niederlegung der Waffen zustimmte, erneuert jetzt die alte Forderung nach der Unabhägigkeit des Kosovo und die Vertreibung aller Serben aus dem Kosovo.

Gleichzeitig änderte die internationale Gemeinschaft, die seit Beginn der serbisch-albanischen Krise unterstrich, dass das Kosovo in den Grenzen Jugoslawiens verbleiben muss, nicht seinen Standpunkt und beabsichtigt auch nicht ihn zu ändern. Es gibt kein Gespräch über eine Abtrennung; in dieser Provinz ist Platz für zwei Völker. (...) Die Vernunft sagt, dass das die einzig gerechte und sinnvolle Lösung ist. Aber viele von Emotionen und Befürchtungen geleitete Politiker sugerieren, dass man über die Teilung des Kosovo in einen serbischen und einen albansichen Teil nachdenken muss. Das ist ein fantasieloser Vorschlag.

Es ist heute schwierig vorherzusehen, wie lange die internationalen Streitkräfte im Kosovo bleiben werden. Ein Jahr? Zwei Jahre? Drei? Vielleicht länger. Die Erfahrung in Bosnien zeigt, dass der Weg zur Normalisierung lang und beschwerlich ist. Die serbische opposition erwartet, dass die Anwesenheit der NATO- und anderer Streitkräfte nicht nur den Frieden der Provinz Kosovo bringen wird, sondern auch einen günstigen Einfluss auf ganz Serbien ausübt, auf den Beginn demokratischer Veränderungen dort. Das Kosovo verbleibt doch nur in einem demokratischen Serbien und Montenegro nur in einem demokratischen Jugoslawien. Demokratische Reformen in Serbien scheinen die grundlegende Bedingung für die Einheit Jugoslawiens und für eine gemeinsame Existenz von Serben, Montnegrinern und Albanern dort zu sein.

Miejsce dla obu narodów [Kommentar], Ryszard Bilski, Rzeczposplita v. 15.6.1999