50 Jahre aktiv für Verständigung und gute Nachbarschaft mit Polen
Die Ordentliche
Hauptversammlung der Deutsch-Polnischen Gesellschaft der Bundesrepublik e.V.
fand am 11. und 12. März 2000 in Köln statt. Tagungsort war das Jugendgästehaus
Köln-Riehl. Rund 30 Mitglieder der Gesellschaft sowie einige Gäste waren
gekommen. Der Vorsitzende der Deutsch-Polnischen Gesellschaft der
Bundesrepublik e.V., Dr. Christoph Koch, begrüßte die Anwesenden. Ein besonders
herzlicher Beifall galt Prof. Ridder und seiner Ehefrau sowie Herrn Rinke, der
seit 50 Jahren Mitglied der Gesellschaft ist und zu den Gründungsmitgliedern
gehört.
Als erste Rednerin
sprach Frau Anne Lütkes, Kölner Bürgermeisterin. Sie hieß alle Anwesenden in
Köln herzlich willkommen. In ihrer kurzen Ansprache ging Frau Lütkes auf den
europäischen Einigungsprozess ein, der ohne Polen nicht denkbar sei. Sie
verwies auf die Städtepartnerschaft zwischen Köln und Katowice, die seit 1991
besteht, und des weiteren darauf, dass sich die Stadt Köln im Zusammenhang mit
der bevorstehenden Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter ihrer moralischen
Pflicht bewusst sei.
Nachdem der
Vorsitzende der Gesellschaft die Grußbotschaft des Polnischen Botschafters in
der Bundesrepublik Deutschland, Andrzej Byrt, verlesen hatte, worin das
50jährige Bestreben der Gesellschaft um den deutsch-polnischen Dialog sowie um
Verständigung und Annäherung zwischen Deutschland und Polen gewürdigt wurde, nahm
der Botschaftsgesandte der Kölner Außenstelle der Polnischen Botschaft, Dr.
Krzysztof Miszczak, das Wort. In seiner Rede würdigte er die konsequent
demokratische und propolnische Haltung des Politikers und Publizisten Hellmut
von Gerlach, dessen Wirken auch im 21. Jahrhundert nicht vergessen werden darf.
Da seit dem Ende des 20. Jahrhunderts der europäische Vereinigungsprozess
Gestalt annehme, müsse nach der geistigen Gestalt Europas gefragt werden;
Europa sei eine Gesinnung, führte Dr. Miszczak aus.
Dr. Koch verlas
anschließend eine Grußadresse der Hellmut-von-Gerlach-Gesellschaft, die in
Berlin und dem Land Brandenburg wirkt. Zwischen dieser und unserer Gesellschaft
ist eine weitere Zusammenarbeit vorgesehen: Geplant sei beispielsweise die
gemeinsam veranstaltete Übergabe von Werken Hellmut von Gerlachs an die
Bibliothek in Poznañ. Weitere Grüße erreichten uns u.a. von Dr. Marek Prawda
aus dem polnischen Außenministerium, Prof. Dr. Anna Wolf-Powêska im Namen des
Instytut Zachodni aus Poznañ, der Robert-Bosch-Stiftung, pax christi und dem
Maximilian Kolbe Werk. Auch langjährige Mitglieder wie Feo Jagemann, Armin
Clauss, Dr. Georg Maraun und nicht zuletzt Claus Weyrosta, ehemaliges und
langjähriges Vorstandsmitglied wie auch Vorsitzender der Landesgruppe Baden-Württemberg
bis Ende der 90er Jahre sandten der Versammlung herzliche Grüße zu.
Danach sprach
Helmut Donat. Der Bremer Verleger, in dessen Verlagsprogramm sich einige
Schriften von Hellmut von Gerlach befinden, hielt einen sehr engagierten
Vortrag über den Lebensweg sowie die politischen Verdienste Hellmut von
Gerlachs. Das Referat stellte neben von Gerlach auch Fr. W. Förster und andere
Demokraten der 20er und 30er Jahre vor, die sich allesamt für eine andere,
friedliche Polenpolitik einsetzten und dadurch in schärfsten Konflikt mit den
Regierungen der Weimarer Republik sowie der Nazi-Diktatur gerieten. Diese
Figuren der Zeitgeschichte, die nach dem 2. Weltkrieg vergessen (gemacht)
worden seien, wieder bekannt zu machen, sei Anliegen des Vortrages und vor
allem Anliegen der Arbeit des Donat Verlages, unterstrich der Gast aus Bremen
zu Beginn seines Vortrages. Auszüge des Referates werden in der nächsten
Ausgabe von “POLEN und wir” erscheinen.
Den Samstagabend
beendete ein zweistündiges Gespräch zwischen Dr. Friedrich Leidinger, unseren
stellvertretenden Vorsitzenden, und Harri Czepuck - Autor des Buches “Meine
Wendezeiten” (s. “POLEN und wir” 4/99) - über dessen Leben aus der Zeit, da er
als deutscher Kriegsgefangener in Polen war und dort zunächst im Bergbau und
später für die Zeitung der deutschen Kriegsgefangenen “Die Brücke” arbeitete.
Diese spannend erzählten Ereignisse als authentische Stimme eines Zeitzeugen
verfehlten ihre Wirkung auf das Publikum nicht.
Am folgenden Morgen
begann die eigentliche Hauptversammlung. Nach der Feststellung der Tagesordnung
und der Versammlungsregularien sprach der Vorsitzende, Dr. Christoph Koch, zur
Geschichte unserer Gesellschaft, aus der einige Auszüge in dieser und der
folgenden Ausgabe von POLEN und wir zu lesen sind (der vollständige Vortrag
kann gegen Einsendung von 5 DM in Briefmarken bei der Redaktion bestellt
werden). Nach dem vom stellvertretenden Vorsitzenden, Dr. Friedrich Leidinger,
gehaltenen Rechenschaftsbericht, ergänzt durch einige Anmerkungen der Gesellschaft
für gute Nachbarschaft zu Polen und der Redaktion von POLEN und wir, wurden der
Finanzbericht und der der Rechnungsprüfer gehalten. Es gab keinerlei
Beanstandungen und so wurde der Vorstand ohne Gegenstimmen bei Enthaltung der
Vorstandsmitglieder von der Versammlung entlastet.
Danach wurden die
vorliegenden Anträge diskutiert. Die Wesentlichsten stammten aus
Baden-Württemberg. Der erste forderte, die Hauptversammlung solle den Vorstand
beauftragen die Mitgliedschaft unserer Gesellschaft im Bundesverband zu
beantragen. Der zweite sprach sich für die Umbenennung unserer Gesellschaft in
“Deutsch-Polnische Gesellschaft 1950 e.V.” aus, weil der bisherige Name zu
Missverständnissen führe und mit diesem Namen in gewisser Hinsicht ein
Alleinvertretungsanspruch erhoben würde. Um diese Anträge gab es eine längere
Diskussion. Da wir den Briefwechsel zwischen der “Deutsch-Polnischen
Gesellschaft Bundesverband e.V.” und unserer Gesellschaft in den vergangenen
Jahren in POLEN und wir ausführlich dokumentiert haben, soll hier nicht allzu
ausführlich auf die Diskussion eingegangen werden. Der erste Antrag traf auf
Unverständnis und wurde als gegenstandslos abgelehnt, denn ein Antrag auf
Mitgliedschaft wurde beim Bundesverband bereits vor fast zwei Jahren gestellt.
Allerdings versuche – so der Eindruck der Diskutanten - der Vorstand des
Bundesverbandes die Mitgliedschaft unserer Gesellschaft zu behindern, in dem
man unannehmbare Forderungen stellt, die vom Statut des Bundesverbandes nicht
gedeckt sind: Obligatorischer Bezug von “Dialog”, Änderung des Namens unserer
Gesellschaft und Auflösung in verschiedene Landesverbände. Letzteres würde das
Ende unserer Gesellschaft als einer kritischen Stimme im Chor der
deutsch-polnischen Gesellschaften bedeuten. Es zeuge von einem merkwürdigen
Demokratieverständnis, die Änderung des Namens zur Vorbedingung einer Aufnahme
zu machen. Wenn überdies gefordert wird, dass jedes unserer Mitglieder die
Zeitschrift “Dialog” abboniert, die im Gegensatz zu POLEN und wir nur
unregelmäßig erscheint, so müsse allen klar sein, dass die Abnahmepflicht von
“Dialog” das Ende der Zeitschrift POLEN und wir bedeutet. Außerdem wurde darauf
hingewiesen, das der Bundesverband die Pflichtabnahme von “Dialog” selbst in
den eigenen Reihen nicht durchzusetzen vermag. Bei der Abstimmung über diesen
Antrag stellte sich dann heraus, dass er keine Unterstützung fand und bei einer
Enthaltung geschlossen abgelehnt wurde.
Nach der Diskussion
fanden nun die Wahlen zum Vorstand und die der beiden Revisoren statt. In den
Vorstand wurden Dr. Christoph Koch aus Berlin als Vorsitzender, Dr. Friedrich
Leidinger aus Hürth als stellvertretender Vorsitzender sowie Henryk Dechnik aus
Düsseldorf, Manfred Feustel aus Hünxe, Dr. Egon Knapp aus Schwetzingen, Dr.
Holger Politt aus Leipzig, Wulf Schade aus Bochum und Wolfgang Stihler aus
Winterbach als weitere Vorstandsmitglieder gewählt.