Präsidentschaftswahlen in Polen

Ein deutliche Niederlage der nationalistischen Kräfte

Von Wulf Schade

Im Oktober fanden die Präsidentschaftswahlen in Polen statt. Zur Wahl standen ein Dutzend Personen. Ein Sieg des amtierenden Präsidenten Aleksander Kwaśniewski war von vornherein erwartet worden, sein Vorsprung in den Wahlumfragen außerordentlich groß. Unklar war, ob Kwaśniewski einen zweiten Wahlgang benötigte oder gleich im ersten Wahlgang über 50% der Stimmen erhielt. Letzteres trat dann ein: Kwaśniewski bekam im ersten Wahlgang 54,5% der Stimmen. Überraschend war, was sich aber bereits in den letzten Umfragen vor den Wahlen abzeichnete, dass den zweiten Platz nicht der Gewerkschaftsvorsitzende der Solidarność und Kandidat der regierenden rechtskonservativen AWS Krzaklewski, sondern der liberal-konservative Politiker Andrzej Olechowski einnahm.

Der Ausgang der Wahl bestätigte die Entwicklung der letzten Jahre bei den Wahlentscheidungen der Bevölkerung. Olechowski wie auch Kwaśniewski waren Personen aus der ‘alten’ Zeit. Der eine, Kwaśniewski, war Minister in den 80er Jahren, der andere, Olechowski, Wirtschaftsfachmann, der öffentlich zugab in diesem Rahmen vor 1989 mit dem polnischen Geheimdienst zusammengearbeitet zu haben. Wie sich nun in den Wahlen herausstellte, spielte das für die Entscheidung der Bürgerrinnen und Bürger keine Rolle mehr. Damit war die polarisierende Hauptlinie Krzaklewskis gescheitert. Er sah auf der einen Seite das Solidarność-Lager, d.h. diejenigen, die für nationalen Katholizismus und Vaterland standen, und auf der anderen die Postkommunisten um Kwaśniewski (SLD, UP) sowie die Liberalen, die die polnischen Interessen an das Ausland verkaufen wollen (UW und die mit ihnen verbundenen Kreise).

Während der letzten Monate vor der Wahl geriet Krzaklewski immer mehr ins nationalistische Fahrwasser. Mit allen Tricks versuchte er die drohende Niederlage abzuwenden. Ein Höhepunkt war der offensichtliche Versuch, die nationalen und religiösen Gefühle vieler Bürgerinnen und Bürger Polens zu missbrauchen. Eine, wie Kwaśniewski einräumte, Dummheit von Seiten der Kwaśniewski-Wahlgruppe in Form einer Parodie auf den – polnischen - Papst, als sein Wahlkampfleiter in Kalisz auf dem dortigen Flugplatz ankommend den Papst nachäffte, sollte zum großen Umbruch in der Wählergunst führen. Man hatte diese Parodie nämlich gefilmt und sie dann in einem Wahlspot Krzaklewskis eingebaut. So sollte gezeigt werden, wie antipäpstlich und letztlich antireligiös der Kandidat Aleksander Kwaśniewski war. Einige Bischöfe ergriffen sofort diese Gelegenheit, um zu verkünden, dieser gottlose Mann dürfe von Katholiken nicht gewählt werden, der einzige Kandidat für einen Katholiken sei Krzaklewski. Auch der nationalistisch-katholische Sender Radio Maria unterstützte ihn nun.

Diese ganze Kalisz-Kampagne hatte allerdings einen schweren Fehler: der Vorfall hatte sich nicht kurz vor der Wahl ereignet, sondern lag einige Jahre zurück. Damals hatten die national-konservativen Kreise dieses Verhalten aber nicht angeprangert, sondern für ‘günstigere’ Zeiten zurückgehalten. Als das bekannt wurde, wurde deutlich, dass zwar eine Geschmacklosigkeit gegenüber dem Papst und den religiösen Gefühlen breiter Teile der polnischen Bevölkerung von Seiten des Präsidentschaftslagers vorlag, dass dieser Vorfall nun aber von Krzaklewski missbraucht und die religiösen Gefühle funktionalisiert werden sollten (s.a. Interview mit Bischof Pieronek auf den folgenden Seiten).

Die politische Rechte fällt auseinander - die parlamentarische Linke ist gestärkt

Neben dem Lager um die Regierungspartei AWS erlitt die nationalistische Strömung insgesamt eine deutliche Niederlage. So erhielt der anfangs stark vom katholischen Kirchensender Radio Maryja unterstützte nationalistische Kandidat Łopuszański gerade mal 0,8% der Stimmen, und das obwohl Radio Maryja angeblich täglich mehrere Millionen Katholiken und Katholikinnen hören. Andere Kandidaten, die teilweise offen antisemitische und fremdenfeindliche Losungen verbreiteten, scheiterten ebenso.

Als Folge der Wahlen wurden die bereits vorher offensichtlichen Spannungen innerhalb der Regierungsorganisation AWS offen ausgetragen. Der liberal-konservative Teil, der nur halbherzig die Kandidatur Krzaklewskis unterstützt hatte, schloss sich – noch innerhalb der AWS verbleibend – zusammen, um die Ablösung Krzaklewskis zu erreichen und die AWS weg von nationalistischen Zielen zu führen. Auch Teile der Gewerkschaft Solidarność unterstützen diese Gruppierung. Sie tritt dafür ein, Polen in die EU zu führen, und möchte die Abhängigkeit der politischen Rechten von der Gewerkschaft Solidarność beenden. So soll jede institutionalisierte Verbindung zu ihr, wie sie heute in der AWS existiert, abgeschafft werden.

Einige Kommentatorinnen und Kommentatoren in Polen erhoffen sich nun, dass die liberal-konservative Rechte aus der AWS zur Sejm-Wahl im nächsten Jahr ein Bündnis mit der liberalen UW schließt und an die Spitze dieses Wahlbündnisses der Zweite der diesjährigen Präsidentschaftswahl, Andrzej Olechowski, steht. Hieraus könnte sich dann endlich, so die weitere Hoffnung, eine politische Rechte westeuropäischen Zuschnitts, d.h. ohne offenen Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit, bilden.

Die SLD, die die Kandidatur Kwaśniewskis unterstützt hatte, ist gestärkt aus der Wahl hervorgegangen. Man rechnet in Polen damit, dass sie die parlamentarische Wahl nächstes Jahr deutlich gewinnen wird. Ihr Wahlvorsprung bei den Umfragen ist sehr groß. Im November gelang es der SLD, mit der linkssozialdemokratischen Partei UP ein Wahlbündnis zu schließen. So ist mittlerweile auch nicht auszuschließen, dass dieses Wahlbündnis über 50% der Parlamentssitze erhält.

 

Textfeld: Ergebnis der Präsidentschaftswahlen

Aleksander Kwaśniewski	54,5 %
Andrzej Olechowski		17,4 %
Marian Krzaklewski*		15,2 %
Jarosław Kalinowski	  	  5,8 %
Andrzej Lepper*		  3,0 %
Janusz Korwin-Mikke*	  1,5 %
Lech Wałęsa		  	  0,9 %
Jan Łopuszański*		  0,8 %
Dariusz Grabowski*	  	  0,5 %
Tadeusz Wilecki*		  0,2 %
Piotr Ikonowicz		  0,2 %
Bogdan Paełowski	*	  0,1 %
* Kandidaten mit nationalistischen, fremdenfeindlichen und/oder antisemitischen Ansichten.