Miteinander leben

Deutsche und polnische Kinder und Jugendliche

knüpfen Kontakte

Von Giesela Siebe

In der Mittelschule Neustadt in Lößnitz (Erzgebirge) wurden im vergangenen Schuljahr im Auftrag des Schulamtes Neigungskurse erprobt. Zwei Unterrichtsstunden pro Woche lernen die Schüler in einem  nach ihren Neigungen und Interessen ausgewählten Fach. Lehrer haben so die Möglichkeit, mit Unterstützung des Comenius-Instituts in Radebeul/Dresden, einen Lehrplan für bestimmte ausgewählte Bereiche zu entwickeln. Ich wählte mir ein Thema aus dem sozialwissenschaftlichen Bereich. Es liegt mir sehr am Herzen meine Schüler mit Problemen gehandicapter Menschen bekannt zu machen, ihnen Berührungsängste zu nehmen, sie zu Hilfsbereitschaft und Toleranz zu erziehen und sie selbst darauf vorzubereiten, dass Schicksalsschläge nicht das „Aus“ bedeuten, sondern in einer sozialen Umwelt jeder über sich selbst hinaus wachsen kann.

 

Während des vergangenen Schuljahres hatten meine 10 Schülerinnen Kontakte zu den verschiedensten Verbänden Behinderter, zum benachbarten Pflegeheim, zu Ämtern usw. Wir stellten uns viele Fragen. Wie lebt und wohnt ein Mensch mit einer schweren körperlichen Behinderung, wenn er nicht im Pflegeheim versorgt werden will ? Ist das Leben überhaupt lebenswert, wenn man so viele für andere alltägliche Dinge nicht tun kann ? Zur Beantwortung dieser Fragen kam uns die Einladung von Ehepaar Neumann sehr gelegen, das in Schlema in einer rollstuhlgerechten Wohnung lebt. Herr Neumann ist rund um die Uhr auf Pflege durch seine Ehefrau angewiesen. Wir erlebten aber nicht etwa eine traurige Begegnung, sondern hatten gemeinsam Spaß, obwohl Herr Neumann auch nicht mehr sprechen kann. Dafür war sein Lachen beim Auspacken unserer kleinen Geschenke so ansteckend, dass diese lockere Atmosphäre zu vielen anregenden Gesprächen führte. Wie überrascht waren wir, als uns Frau Neumann erzählte, dass sie ausrangierte, aber noch gut verwendbare technische Hilfsmittel für behinderte polnische Freunde sammelt. Über Familie Neumann knüpften wir Kontakte nach Polen und lernten den Verein „Serce“ in Œwidnica/Schweidnitz kennen. Dieser Verein betreut zum Beispiel behinderte Kinder und Kinder aus sozial schwachen Familien. Da die gesellschaftlichen Verhältnisse in Polen keineswegs mit den unseren zu vergleichen sind, fehlt es dort an vielen Dingen, die für unsere Kinder selbstverständlich sind. Andererseits können wir viel von der Erziehungsarbeit des Leiters Marek Michalak lernen. Die Kinder leben in Selbstverwaltung, sie haben ihre Verhaltensnormen selbst aufgestellt und kontrollieren diese auch, sie führen Stadtfeste durch mit Chor und Musikgruppe, um Geld zu sammeln. Der Verein hat von der Stadt ein baufälliges Haus erworben. Für die Renovierung tragen die Kinder und Jugendlichen durch ihre Aktivität jeden Zloty zusammen. Das Dach, die Schornsteine und die Dielenbalken sind bereits erneuert. Sie planen den Einbau eines Fahrstuhls, damit auch Kinder, die auf den Rollstuhl angewiesen sind, das Haus nutzen können.

Ein erster Besuch in Świdnica im Juni 2000 zeigte uns, dass der Verein jede Hilfe dankbar entgegen- nimmt. Die Mädchen und Jungen des Neigungskurses hatten mit einem Trödelmarkt Geld zusammen- getragen und als Spende überreicht. Vom Erlös des Frühlingsfestes der Lößnitzer Schule hatten wir einen Fußball, Bastelmaterial, Süßigkeiten und vieles mehr für die polnischen Kinder mitgebracht. Wir freuen uns auf eine weitere Begegnung mit Kindern des Vereins „Serce“, die wir zum Nikolausfest der Schule vom 7. bis 9. 12. 2000 begrüßen können.

Unser Lößnitzer Bürgermeister Gotthard Troll unterstützt mit Engagement diese Kontakte. Er empfahl uns, einen Verein zu gründen, der die Verbindung auch zu dem polnischen Verein auf einer soliden Basis unterstützt. Der Verein besteht inzwischen, er unterstützte uns bei der Organisation zur Unterbringung, Verpflegung und Betreuung  der polnischen Gäste. Die Schüler der Mittelschule Neustadt und die Vereinsmitglieder verfolgen zum Nikolausfest ein Vorhaben: Wir sammeln für die vierjährige Kasia Geld zum Kauf eines speziellen Kleidungsstücks, worauf das Mädchen nach schwersten Verbrennungen angewiesen ist. Die Eltern können die Kosten in Höhe von ca. 600 DM nicht aufbringen.

Unser Verein „Miteinander leben – Menschen mit Handikap“ freut sich auch über Ihre Spende auf das Konto bei der Kreissparkasse Aue: BLZ 870 56 000; Konto-Nr. 361 5000 578.

 

Gisela Siebe, Lehrerin des Neigungskurses