Von Wolfhard Besser
Gelegentlich liest man auf den Touristik-Ratgeberseiten der Zeitungen kleine Notizen darüber, dass polnische Gemeinden und Städte in Pomorze/Pommern oder śląnsk/Schiesien Zeugnisse deutscher Vergangenheit pflegen. Kürzlich zeigte das Polnische Regional-Fernsehen TVP 3 Szczeciń einen Filmbericht aus der kleinen Oderhaff-Gemeinde Lubin, am Rande des Wolliner Nationalparkes gelegen. Dort hatten Einwohner unter einer Rasennarbe alte deutsche Grabsteine entdeckt und ausgegraben, die teilweise Auskunft über die ehemaligen Bewohner geben. Zu den “Ausgrabungen” gehört auch eine Stele, die einmal in diesem Dorf zum Gedenken an die Opfer des I. Weltkrieges aufgestellt worden war. Nun sollen wohl diese Grabsteine einen würdigen Platz im Ort erhalten. Ähnliches wird aus dem Riesengebirge bekannt. Auf Initiative des polnischen evangelischen Pfarrers an der Kirche Wang, Edwin Pech, soll der Wang Friedhof in Brückenberg restauriert werden. Auch dort wurden beiseite geschaffene alte deutsche Grabsteine wiederentdeckt.
In der kleinen Ostsee-Stadt Darłowo - ca. 30 km östlich
von Koszalin/Kößlin - begegnete ich eben solchen Zeugnissen der Vergangenheit.
Dieses Fischer-Städtchen, das frühere Rügenwalde, bekannt durch seine
Wurstwaren, wird vor allem von vielen erhalten gebliebenen mittelalterlichen
Bauten geprägt, wie dem Steintor, der Gertruden-Kirche, Resten der Stadtmauer,
dem Schloss der Herzöge von Pommern und dem Marktplatz mit seinem spätbarocken
Rathaus, dessen Eingang ein Renaissance-Portal ziert. Erhalten geblieben ist
auch der alte Fischerbrunnen, früher Hansa Brunnen genannt. Dominierend aber
hinter dem Rathaus ist der Mariendom aus dem 14. Jahrhundert mit dem Grab des
skandinavischen Königs Erik. Das Innere der katholischen Kirche ist relativ
schlicht gehalten; hervorzuheben sind die barocke Orgel und Kanzel.
Das Besondere an diesem Dom aber entdeckte ich außerhalb des
Gebäudes: Dort befindet sich ein Friedhof. Nichts Ungewöhnliches möchte man
meinen, eine Gedenkstätte für alle Rügenwalder-Darlower Bürger, die in dieser
Stadt und Umgebung wohnten und sie gestaltet haben. Die Kirchgemeinde schuf
diese Stätte erst vor wenigen Jahren nach der politischen Wende in Polen. Eine
Tafel in polnischer und deutscher Sprache gibt Auskunft:
AN DIESER STELLE BEFAND SICH VOR VIELEN JAHREN EIN KIRCHHOF.
DIE NAMENLOSEN TOTEN RU-HEN IN FRIEDEN. HEUTE STEHEN HIER GRABDENKMÄLER VON DEN
EHEMALIGEN FRIEDHÖFEN IN RÜ-GENWALDE, ZIZOW, BARZWITZ, BORKOW, DAMSHAGEN,
PIRBSTOW...
DIE ZEIT HAT SCHÄDEN DER ZERSTÖRUNG UND DES VERGESSENS
HINTERLASSEN. ABER STÄR-KER ALS DIE GRABESSTILLE IST DAS GEDENKEN, DAS IN DEN
HERZEN LEBT. ES KANN NICHT ZUM SCHWEIGEN GEBRACHT WERDEN. WIR SCHICKEN UNSERE
GEBETE ZU GOTT FÜR ALLE VERSTORBENEN DIESER ERDE, DEREN ERBE EINE NEUE
GENERATION POMMERSCHER MENSCHEN ÜBERNOMMEN HAT.”
Die aufgestellten eisernen Grabkreuze und granitenen Steine
geben Auskunft über frühere Einwohner, die in dieser Gegend wohnten, arbeiteten
und starben. Ich lese: Stellmacher Wilhelm Sedler 1850-1915/ Altsitzer Wilhelm
Demjahn 1839–1906/ Prediger Rhensius, 57 Jahre im Amte, 81 Jahre alt, starb am
28.10.826/ Förster Ernst Eggert 1880-1925/Richard Hermann, Sohn des Büttners J.
Ehlert, 1879-1887 oder Bauernhofbesitzer Martin Hasse aus Ratzmershagen
1822-1887.
Die gut gepflegte und gestaltete Gedenkstätte an der
westlichen Seite des Kirchenschiffes wird von den Touristen immer wieder
bewundert. Sie sei eine der wenigen dieser Art in Polen, bemerkte ein Stadtführer
gegenüber deutschen Besuchern, und solle sowohl an die deutsche Vergangenheit
erinnern, als auch an die Leistungen polnischer Bürger für ihre Stadt nach
1945.
Fotos von Wolfhard Besser