Der Fall des Erzbischof Paetz

 

Von Wulf Schade

 

Es ging in der ersten Hälfte dieses Jahres um die Welt: Die katholische Kirche der USA muss sich mit schweren Verfehlungen von Priestern gegen Kinder und Jugendliche auseinandersetzen, nachdem diese öffentlich gemacht wurden. Jahrzehnte des Vertuschens waren zu Ende. Das Zahlen von Schweigegeld wie auch das Versetzen der Priester, nachdem diese Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht hatten, funktionierte nicht mehr. Der Papst beorderte die Bischöfe der USA zu sich in den Vatikan. Die katholische Kirche der USA durchlebte und durchlebt eine ihrer größten Krisen. Zur selben Zeit schwelte es bereits auch in der römisch-katholischen Kirche Polens, genauer gesagt in der Umgebung des Erzbischofs von Posen. Durch eine Veröffentlichung in der Zeitung Rzeczpospolita wurde im Februar dieses Jahres der Öffentlichkeit bekannt, dass eine Gruppe von meist angehenden Priestern von Erzbischof Juliusz Paetz sexuell genötigt wurde: „Sünde im Palast des Erzbischofs“ hieß die Überschrift.

 

In diesem Artikel machte die Zeitung bekannt, dass sich bereits seit einiger Zeit innerhalb des Kirchenapparates in Posen eine Gruppe von Priesterseminaristen wie auch Priestern darum bemühen, eine innerkirchliche Untersuchung gegen Erzbischof Paetz zu initiieren, da er Seminaristen zu sexuellen Handlungen mit ihm gezwungen habe. Unterstützt wurden sie dabei u.a. vom Leiter des Priesterseminars in Poznań, der dem Erzbischof sogar das Betreten seines Seminars verbot. Auch andere geistliche und weltliche Persönlichkeiten versuchten, die Angelegenheit intern zu klären. Erzbischof Paetz aber änderte sein Verhalten nicht und es gelang ihm alle Maßnahmen zu unterlaufen. Schließlich übergab im Juni 2001 eine Gruppe von Geistlichen einen Brief über die Verfehlungen von Paetz den Delegierten des polnischen Episkopats in Rom, den auch der päpstliche Nuntius in Polen bekam. Der Nuntius erklärte gegenüber den Unterzeichnern, dass das ein lokales Problem sei und übergab den Brief Erzbischof Paetz. Als Ergebnis wurden Kirchenstrafen gegen einige der Unterzeichner verhängt.

Trotzdem sprach es sich langsam in der Diözese herum, dass Erzbischof Paetz Angriffen ausgesetzt sei. Auf einem Treffen der 40 Dekanatsleiter der Diözese Posen im Oktober letzten Jahres initiierte Paetz einen Unterstützungsbrief zu seinen Gunsten, um so die Einheit der Kirche öffentlich zu manifestieren. Als der Brief in der Wochenzeitung der Kurie, Przewodnik Katolicki, veröffentlicht werden sollte, weigerte sich der verantwortliche Redakteur das zu tun, weswegen er in seiner Funktion durch einen anderen Priester ersetzt wurde. Auch in den folgenden Monaten versuchten verschiedene Gruppen, das Problem um Erzbischof Paetz innerkirchlich zu klären, aber es misslang. Deshalb entschloss sich die Redaktion von Rzeczpospolita den Fall Paetz öffentlich zu machen.

„Es ist Zeit das Schweigen zu brechen. Man muss der Empörung Platz schaffen, die das Verhalten des Erzbischof Paetz und die verwunderliche Passivität der Kircheninstitutionen gegenüber dem offenen Bruch göttlicher Gesetze und moralischen Grundlagen der Menschen  darstellt. Der Posener Skandal gefährdet den guten Namen der gesamten polnischen Kirche. Nur die Aufdeckung und Verurteilung durch die katholische Meinung erlaubt einen Reinigungsprozess zu beginnen.“

Die katholische Presse schaltet sich ein

Unterstützung in dieser Haltung erfährt die Rzeczpospolita einige Wochen später durch die Zeitschrift Tygodnik Powszechny. In einer klaren Stellungnahme ergreift sie Partei gegen Paetz und für die Veröffentlichung der Beschwerden ihm gegenüber. Paetz wie die Kirchenhierarchie habe Zeit genug gehabt, das Problem innerkirchlich zu lösen. Stattdessen wurde versucht, jede Kritik im Keim zu ersticken. Deshalb sei die Veröffentlichung nicht nur nicht schädlich, sondern liege im Interesse der Kirche.

Aber auch änderte sich das Verhalten der Kirchenhierarchie nicht. Im Gegenteil: Erzbischof Paetz erhielt Unterstützung durch andere Geistliche und Laien, die in offenen Briefen die Angriffe auf Paetz zurückwiesen und eine wie sie meinten „öffentliche Vorverurteilung ohne Beweise nur aufgrund von anonymen Gerüchten“ ausmachten. Paetz selbst ließ erklären, dass die Angriffe feige sein, da sie anonym seien. Sie seien nur geeignet seinen guten Namen und den der Kirche zu beschmutzen.

Daraufhin reagierte im April dieses Jahres Tygodnik Powszechny erneut. Sie präsentierte der Öffentlichkeit mit dem Dekan der Theologischen Fakultät an der Adam-Mickiewicz-Universität in Posen, Priester Tomasz Węcławski, eine Person, die bereit war mit Namen und Gesicht öffentlich die Vorwürfe gegen Paetz zu wiederholen und so dessen Vertuschungsstrategie zunichte machte. In dem umfangreichen Interview stellte Wêc³awski klar, dass ihm bereits im Herbst 1999 die ersten Vorwürfe gegen Paetz bekannt wurden und seitdem innerkirchliche Versuche einer Klärung unternommen wurden.

Zwar versuchte Paetz noch einletztes Mal in der Osterpredigt die Vorwürfe gegen ihn als reine Verleumdung abzutun, aber bereits einige Tage später bat er den Papst um die Verssetzung in den Ruhestand.

Alte Strukturen brechen auf

Die Diskussion um die Vorwürfe gegen Erzbischof Paetz macht die heutige Zerrissenheit der katholischen Kirche in Polen deutlich. Auf der einen Seite herrscht immer noch altes hierarchisches Denken, der Wille den guten Namen der Kirche um jeden Preis zu verteidigen, auch wenn man damit anderen Menschen schadet. So gibt es bis heute noch keine öffentliche Stellungnahme des Episkopats, die die Vorwürfe gegenüber Paetz abschließend beurteilt. Auf der anderen Seite gibt es eine einflussreiche Gruppe, die den Menschen in den Vordergrund rückt und die Kurzsichtigkeit, Missbrauch der Kirche nicht zu klären, als langfristig für die Kirche schädlich anprangert. Sie ist bereit die alten Strukturen aufzubrechen, wenn es sein muss auch durch die Einschaltung der Öffentlichkeit.