Umweltpolitik in Polen

 

Von Dr. Liane Möller

Polen zählte und zählt immer noch zu den ökologisch am stärksten belasteten Ländern Europas. Das ist - wie auch anderswo - der ökonomischen Entwicklung geschuldet, bei der in der Vergangenheit kaum auf Gesichtspunkte des Umweltschutzes Rücksicht genommen wurde. Die Schwerpunkte der Umweltbelastungen liegen in den Regionen Danziger Bucht, Ober- und Niederschlesien, Szczecziń, Kraków und Warschau. Am stärksten belastet sind Wasser und Luft - wer von den Polenbesuchern kennt nicht die gelblich qualmenden Schornsteine, die Rauch- und Staubfahnen im oberschlesischen Revier, die einstmals von der wirtschaftlichen Kraft dieses Gebietes zeugen sollten und heute für das ökologische Desaster eben dieser Erde stehen?

 

Oder was ist aus dem früher zum Bade einladenden Sopoter Strand geworden, nachdem über die Weichsel zunehmend größere Abwassermengen ungeklärt an dieser Stelle in die Ostsee eingeleitet wurden und der nahegelegene Ölhafen ein Übriges bewirkte?

Neuer Stellenwert des Umweltschutzes

Im Zuge der in den letzten Jahren der Wirtschaft des Landes verordneten Reformpolitik bekam auch der Umwelt- und Ressourcenschutz einen gegenüber früher anderen Stellenwert. In Anlehnung an den für die weltweite Verbesserung der Umweltsituation so wichtigen Brundtland-Bericht ist der Begriff des “nachhaltigen Wirtschaftens” auch in Polen sowohl an den erneuerbaren Ressourcen (die Ertragsrate bzw. Aufnahmekapazität sollte die Regenerationsrate nicht übersteigen) als auch an den erschöpfbaren Ressourcen (die Rate der Erschöpfung korrespondieren mit der Schaffung erneuerbaren Substitute) orientiert.

Die 1991 vom Sejm angenommene Richtlinie zur nationalen Umweltpolitik bestimmt so dieses “nachhaltige Wirtschaften” als Hauptziel umweltpolitischer Reformen und regt auch die Einführung entsprechender marktwirtschaftlicher Instrumente an. Zugleich enthält sie die Forderung nach dem Rückgang der Stahlindustrie und dem des Brennstoffsektors sowie der ökologisch orientierten Entwicklung der Landwirtschaft und verweist damit direkt auf die Notwendigkeit makroökonomischer Strukturveränderungen. Präferiert werden eine vorsorgende Umweltpolitik und deren dezentrale bzw. regionale Ansätze.

So weit, so gut - aber mit dem volkswirtschaftlichen Umbau erhielten umweltpolitische Dokumente bislang keinen Gesetzesstatus; Fortschritte bei Einzelgesetzgebungen, wie z.B. beim Bergbaugesetz und Wassergesetz blieben ohne Korrespondenzen im gesamten Gesetzeswerk und basieren nur unzureichend auf langfristigen, komplexen Entwicklungskonzeptionen. Nach wie vor werden Umweltprinzipien vorzugsweise in Branchengesetzen geregelt. Dieser Aufbau eines umweltpolitischen Gesetzeswerkes “von hinten” wird dann auch in Polen selbst als ein grundlegender methodischer Fehler gewertet. Ein analoges Problem ist die Unterscheidung zwischen Gesetzen, staatlicher Beschlüsse und Richtlinien. So existiert zwar eine Richtlinie des polnischen Umweltministeriums zur Luftreinhaltung, aber kein Gesetz zur Reinhaltungskontrolle.

Wie oben schon angedeutet - spürbare, partielle Fortschritte einer verbesserten Umweltqualität in Polen sind vor allem das Resultat der Einführung eines neuen Systems von Umweltzahlungen (Zahlungen für Ressourcennutzung, Emissionsgebühren und -strafen). Bis 1990 erfolgte die umweltpolitische Beeinflussung der ökonomischen Akteure hauptsächlich über Steuererleichterungen und -erlasse. Die Zunahme direkter Regulationen, die im Vergleich zu früher wesentlich konsistenter sind, war innerhalb der Balcerowicz-Reform mit direkten staatlichen Eingriffen verbunden.

Schwierigkeiten

Entgegen allen diesen Maßnahmen nimmt der Anteil der Industrien mit der größten Umweltverschmutzung am Bruttoinlandsprodukt (BIP) am geringsten ab und sinkt der Energieverbrauch langsamer als die industrielle Produktion. Der ökologische Transformationsprozess krankt dann auch in erster Linie nicht an der Ökonomie, sondern eher an der mangelnden Verbindung von Gesellschaft, Ökonomie und Natur, wofür es keine hinreichend genaue historische Perspektive gibt. Zum einen eröffnen sich neue Möglichkeiten einer ökologischen Ökonomie, z.B. durch regionale bzw. lokale Selbstverwaltung, zum anderen muss die Umweltpolitik größte Kompromisse eingehen, da Kapitalmangel und Sicherung bzw. Schaffung von Arbeitsplätzen wesentliche Optionen bleiben werden. Ähnlich wie in Ungarn und der Tschechischen Republik werden diesbezüglich Umsetzungsprobleme in Polen nicht allein auf fehlende technisch-technologische Mittel zurückgeführt, sondern vordergründig in der völlig unzureichenden Partnerschaft zwischen Umwelt- und ökonomischen Behörden sowie der Isolierung des sog. Umweltsektors gesehen. Analog zu den entwickelten Industrieländern gibt es in den mittel- und osteuropäische Reformländern ein Defizit an ökologisch-ökonomischen Instrumenten mit Auflagecharakter bzw. Anreizwirkung, die Überkompensation sinkender Energie- und Materialintensität durch den steigenden Gesamtverbrauch an Energie und Material sowie die schwierige Einsicht, dass ökonomisches Wachstum und Konsumgesellschaft keine Werte per se sind.

Erste Ergebnisse

Obwohl mit der Ausnahme der Liste der achtzig Hauptverschmutzer die Hauptschließungsgründe für Unternehmen in Polen weniger ökologische Kriterien waren und sind, sondern vielmehr sinkende Nachfrage und steigende Produktionskosten, können Umweltverbesserungen nicht ausschließlich auf die ökonomische Krise zurückgeführt werden, da nachweislich der Rückgang der Emissionen nach 1989 größer ist als der Rückgang des Brutoinlandsproduktes (BIP). Die verstärkte Konzentration auf Maßnahmen des Umweltschutzes ist dokumentierbar und als ein Ergebnis der Richtlinie zum nachhaltigen Wirtschaften von 1991 interpretierbar. Mit dem Schwerpunkt auf Maßnahmen der Luftreinhaltung erfolgte eine konstante Zunahme der ökologischen Investitionen (absolut als auch relativ, d.h. als Anteil am BIP) mit der größten Steigerungsrate im Zeitraum 1989/90. Die Dringlichkeit dieser Maßnahmen wird dadurch unterstrichen, dass Polen im Reformländervergleich das geringste BIP pro Kopf, aber die höchste Energieintensität des BIP erreicht.

Problem: Kohle

In den ökologischen Notstandsgebieten, die durch die Brennstoff- und Energiewirtschaft geprägt sind, wie z.B. der Katowicer Provinz, werden 95 Prozent des ökologischen Schadens direkt oder indirekt durch die Kohle verursacht. Bedingt durch die gegenwärtigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, einschließlich der gegebenen Wert- und Preisrelationen, wird aber der veranschlagte Nutzen der Kohle (Deckung inländischer Nachfrage, Lohnzahlung statt Arbeitslosigkeit, Grubenerhaltung statt Grubenliquidation) 5- bis 18 Mal höher als die Verluste, einschließlich der ökologischen Schäden, angegeben. Solche Vorgehensweisen haben ihre internationalen Parallelen. Sie rechtfertigen eine erhöhte Ausnutzung von Naturressourcen bei sich verschlechternden natürlichen und wirtschaftlichen Bedingungen und verhindern Transparenz, Kooperation sowie die Suche nach alternativen Lösungen.                                                                                                                                  

(aus: Indymedia - www.indymedia.de, unabhängige Nachrichtenagentur)

 

Öko-Zeichen für Textilien

Das Öko-Zeichen wird auf dem Wege freiwilliger Zertifizierung Produkten vergeben, die einschlägige, mit dem Umweltminister abgestimmte Anforderungen erfüllen. Am 22. Februar 2000 wurden in Polen Anforderungen eingeführt, die den Kriterien zur Vergabe des Öko-Zeichens an Textilprodukte entsprechen, die in der EU gelten. Diese Adaptation hat das Team der Zertifizierungsanstalt im Textilinstitut in Łódź im Auftrag des Polnischen Zentrums für Prüfungen und Zertifizierung durchgeführt.

Um das Öko-Zeichen können sich Hersteller von Kleidung und Textilprodukten und zu deren Herstellung benutzten Garnen und Stoffen bewerben. In den Kriterien wurde auf die Einschränkung der Wasserverschmutzung durch die wichtigsten technologischen Prozesse in der Textilindustrie ein besonderer Wert gelegt. Es handelt sich um die Herstellung von Fasern sowie das Spinnen, Weben, Färben und Appretieren. Ferner ist dort von Verunreinigungen, die in die Luft gelangen, den damit zusammenhängenden toxikologischen Fragen und der Formulierung entsprechender Standards, in denen die Gebrauchseignung der Produkte beschrieben sein sollten, die Rede.