Bericht über das 6. Deutsch-Polnische Gespräch am 1. und 2. Juni in S³ubice und Frankfurt/Oder

Erwartungen in den deutsch-polnischen Grenzregionen an den Prozess der Erweiterung der Europäischen Union

 

Von Klaus Ulrich Göttner

Das 6. Deutsch-Polnische Gespräch fand im modernen Collegium Polonicum, in Słubice, statt. An der Veranstaltung nahmen insgesamt 44 Personen teil, darunter acht polnische Bürger (fünf Teilnehmer von der Veit-Stoß-Stiftung zur Bewahrung Polnisch-Deutschen Kulturerbes/Allpolnischer Klub für Polnisch-Deutsche Nach-barschaft, zwei Teilnehmer vom Landsportbund Gorzów sowie ein polnischer Journalist). Bedeutsam war auch, dass Mitglieder aus anderen Regionalverbänden  angereist waren. Dieses Seminar wurde durch die Europäische Union im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative INTER-REG IIIA (Smal Project Fund der Euroregion Pro Europa Viadrina) unterstützt.

 

In den Grußworten und insbesondere in den Referaten wurden die gegenwärtige Lage in der deutsch-polnischen Grenz-region eingeschätzt und Probleme benannt, so dass es zu  lebhaften und teilweise auch kontroversen Diskussionen kam.

Im Grußwort der stellvertretenden Gemeinderatsvorsitzenden von Słubice, Frau Kamienowicz, wurde die Bedeutung dieser Konferenz als Schritt in die richtige Richtung hervorgehoben. Man wolle nicht nur auf das warten, was kommen werde, sondern  versuchen, diese Prozesse von kommunaler Seite aus mitzugestalten. Im Grußwort des Verantwortlichen für das Stadtjubiläum der Hansestadt Frankfurt/ Oder im Jahre 2003, Herrn Dr. Jost, stand dieses Ereignis im Mittelpunkt seiner Ausführungen. Beispielhaft für ein neues Herangehen angesichts der Osterweiterung sei die geplante Vernetzung öffentlicher Räume in Form der Oderpromenaden in Frankfurt und Słubice. Der Vorsitzende der Deutsch- Polnischen-Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland e.V., Prof. Dr. Koch, verwies auf die kontinuierliche Diskussion in der Gesellschaft zum Themenkreis der Aufnahme Polens in die EU und beschäftigte sich in seiner Ansprache mit den Möglichkeiten Polens, die Osterweiterung der EU im ökonomischen politischen und sozialen Interesse Polens zu beeinflussen.

In der Grußbotschaft des Vorsitzenden der Veit-Stoß-Stiftung, Herrn Klimczak, wurde neben den verständlichen Ängsten und Befürchtungen der Bevölkerung in den polnisch-deutschen Grenzgebieten vor allem auf die Hoffnungen und Erwartungen der dort lebenden Menschen auf eine wirtschaftliche Belebung dieser Gebiete und auf eine damit verbundene Verbesserung des Lebensstandards hingewiesen. Damit diese Chance auch verwirklicht werde, sei es notwendig, die Grenzregionen beiderseits von Oder und Lausitzer Neiße für die Erweiterung konkret vorzubereiten. Dabei müsse man sich auch Gedanken darüber machen, wie zeitweilige Nachteile der kommenden Osterweiterung durch eine gezielte Grenzlandförderung ausgeglichen werden könnten. Besonders in diesen Regionen gelte es, die Wettbewerbsfähigkeit zu festigen, die Infrastruktur an die neuen Erfordernisse schnellstmöglich anzupassen und die Menschen durch gemeinsame Projekte aktiv auf die Veränderungen vorzubereiten.

In dem lebendigen und informativen Vortrag von Frau Prof. Dr. Schwarz von der Europa-Universität Viadrina Frankfurt/ Oder zur „Einstellung unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen in Polen zum EU-Beitritt“ ist auf der Grundlage der Auswertung von polnischen  Meinungsumfragen auf Veränderungen der Haltung der polnischen Bevölkerung zum Beitritt Polens zur EU nach einer anfänglich überzeugenden Zustimmung Anfang/Mitte der 90er-Jahre, einem späteren Rückgang unter 50% und einer gegenwärtig wieder steigenden Zustimmung hingewiesen worden. Mit dem vorgesehenen EU-Beitritt Polens werden generell große Erwartungen hinsichtlich einer Verbesserung des Lebensstandards, der Entwicklung eines prosperierenden Polens verbunden.

In den Erläuterungen, aber auch in der Diskussion wurde u.a. herausgestellt, dass die Bevölkerung grundsätzlich mit der pluralistischen Demokratie einverstanden ist und die Unterstützung der EU für den Transformationsprozess erwartet. Die Zustimmung zum EU-Beitritt nimmt mit dem Bildungsstand zu. Polen will und muss seinen Platz in der neuen Welt, unter den Bedingungen der Globalisierung finden.

Insbesondere unter der jungen Intelligenz ist die Bewahrung der polnischen Identität keine Frage. Man fühlt sich in der Lage, ein doppeltes Identitätsbewusstsein zu entwickeln, Pole und Europäer zu sein. Es wurde eingeschätzt, dass das Identitätsproblem besonders für Menschen mit enger Kirchenbindung schwierig ist. Erst seit kurzer Zeit hat die Kirche eine neue Haltung zur EU eingenommen.

Besondere Bedeutung hat auch die Landwirtschaftsproblematik, da Polen als größtes Beitrittsland zugleich das Land mit der größten Landwirtschaft ist und hinsichtlich der Nutzfläche an dritter Stelle in Europa liegt. Diese Frage ist hoch politisch und muss noch gelöst werden.

In der Diskussion kam auch zum Ausdruck, dass in Deutschland für ähnliche Befragungen finanzielle Mittel nicht vorhanden sind, so dass auch kein Vergleich der Positionen in Deutschland und Polen möglich ist.

Im interessanten Vortrag des Vertreters der Wojewodschaft Lebuser Land, Herrn Zygfryd Kamilewicz, Vizewojewode, zur „Vorbereitung der Wojewodschaft auf die Aufnahme in die EU” wurde über die breite Schaffung von Informationszentren durch das Ministerium für Europäische Zusammenarbeit informiert und unterstrichen, dass die Zustimmung der Polen zum EU-Beitritt zweimal höher sei als die Anzahl der Gegner. Man könne das mit der Wiedervereinigung Deutschlands vergleichen. So sei es auch in Polen, man habe keine andere Alternative. Des weiteren wurde auf das gemeinsame Programm mit dem Land Brandenburg eingegangen sowie auf die Nutzung der Möglichkeiten des PHARE CBC-Programms zur Verbesserung der Infrastruktur.

Im außerordentlich überzeugenden und fundiertem Vortrag des Vertreters der Euroregion Viadrina, Herrn Rietzel, zu „Erfahrungen deutsch-polnischer Zusammen-arbeit in den Grenzregionen“ standen Fragen der Euroregion, ihrer Struktur, Zusammensetzung und Zielsetzung, der Schaffung eines gemeinsamen Wirt-schaftsraumes, der Stärkung der Wirtschaftskraft der Grenzregion, der Verringerung der Arbeitslosigkeit und der Förderung einer gutnachbarschaftlichen Zusammenarbeit durch kulturelle Aktivitäten, Kontakte von Kommunen, ihren Institutionen und von gesellschaftlichen Organisationen im Mittelpunkt. Die Dar-stellung der gezielten Nutzung der bereitgestellten Fördermittel der EU und zur Entwicklung von Projekten zur Anpassung an die EU, die Information über die Schwierigkeiten, die überwunden werden mussten, über die Entwicklung des europäischen Raumentwicklungskonzepts und damit verbunden des Grenzlandpro-gramms zeigte den Teilnehmern, wie die Vorbereitung auf die Osterweiterung in der Praxis gestaltet wird. 

Von den Teilnehmern wurde die Veranstaltung als sehr informativ eingeschätzt. Dabei wurden besonders die Informationsdichte der Darlegungen der Referenten sowie die Aktualität der Thematik der Veranstaltung gewürdigt. Zugleich wurde unter Anerkennung der Bemühungen und Aktivitäten staatlicher Institutionen, vieler Vereine, Organisationen und Projekte vor Ort  darauf verwiesen, dass der gegenwärtige Stand der Vorbereitung der Grenzregionen auf die Osterweiterung offensichtlich noch nicht ausreicht. Das betrifft sowohl die grenzüberschreitende Kooperation, die Entwicklung der Infrastruktur als auch das Zusammenwirken gesellschaftlicher Kräfte.

Ein Höhepunkt waren schließlich auch die Führung durch die Universität sowie die Ausführungen von Jana Schwedler, Pressereferentin der Europa Universität Viadrina in Frankfurt/Oder und S³ubice über das Leben und die Probleme einer Europauniversität. Ein wichtiger Bestandteil und Initiator der europäischen Zusammenarbeit in dieser Region sei die Universität zweifellos. Obwohl deutsche und polnische Studenten etwa eine paritätische Mehrzahl bildeten, kämen von 29 Professoren nur vier aus Polen. Die Lehrsprache sei ausschließlich Deutsch. Auf die Vermittlung von Sprachen werde aber großes Gewicht gelegt.

Eine sehr große Resonanz fand die Studienfahrt durch die Wojewodschaft Lebuser Land. Diese wurde ermöglicht und gestaltet durch unseren Koopera-tionspartner, den Landsportbund Gorzów.