Regionalplanung im grenznahen Raum Brandenburgs am Beispiel der Region Oderland-Spree

 

Von Rüdiger Rietzel

Die Region Oderland-Spree liegt im mittleren Teil Ostbrandenburgs und umfasst die Gebiete der kreisfreien Stadt Frankfurt/Oder sowie der Landkreise Märkisch-Oderland und Oder-Spree. Die Spezifik der Region wird durch ihre Lage geprägt: Sie grenzt im Osten an die Republik Polen und im Westen an die Metropole und Bundeshauptstadt Berlin. Das Gemeinsame Landesentwicklunsprogramm der Länder Berlin und Brandenburg benennt als Entwicklungsmodell das raumordnerische Leitbild der dezentralen Konzentration.

 

Dieses gliedert den Gesamtraum Berlin-Brandenburg unter Berücksichtigung seiner Siedlungsstruktur und -dichte sowie seiner Nutzungsstruktur in die Teilräume “Engerer Verflechtungsraum Brandenburg-Berlin”, der sich aus Berlin und dem Brandenburger Teil des engeren Verflechtungsraumes zusammensetzt und “Äußerer Entwicklungsraum”.

Die Region Oderland-Spree: Raumstruktur und Entwicklungsgrundlagen

In der Region Oderland-Spree leben gegenwärtig auf einer Fläche von 4.519 qkm² rund 457.000 Personen in ca. 240 Städten und Gemeinden. Sie verfügt über eine sehr gute Einbindung in die großräumige europäische Verkehrsinfrastruktur. In Ost-West-Richtung durchquert die Transitverbindung Moskau-Warschau-Berlin-Paris zwischen Frankfurt (Oder) und der Hauptstadt Berlin die Region (Eisenbahn, Bundesautobahn A 12). In Nord-Süd-Richtung tangieren die großräumigen Verbindungen Kopenhagen-Berlin-Prag-Wien-Budapest und Stockholm-Berlin-München-Turin-Mailand das westliche Regionsgebiet.

Auf diesen Trassen bewegen sich bedeutende, ständig wachsende innereuropäische Verkehrsströme, die Ansatzpunkte für die regionale Wertschöpfung bieten. Beleg dafür sind z. B. die sich an der Bundesautobahn A 12 entwickelnden Gewerbegebiete sowie die im Aufbau befindlichen Güterverkehrszentren in Freienbrink (am östlichen Berliner Autobahnring) und in Frankfurt/Oder (European Transport and Trade Center-ETTC).

Im internationalen Ost-West-Verkehr erweist sich weiterhin von zunehmender Bedeutung die Verkehrsachse, die aus Richtung Polen kommend den Oderübergang Kostrzyn (Küstrin)/ Küstrin-Kietz mit der Hauptstadt Berlin verbindet (die „Ostbahn“ und die Bundesstraße 1) und sich dann in westlicher Richtung fortsetzt.

Mit dem geplanten und bereits begonnenen Bau der Oder-Lausitz-Straße entsteht ein leistungsstarker Nord-Süd-Straßenzug, der die Infrastruktur Ostbrandenburgs deutlich stärkt, wichtige Zentren im Oder-Neiße- und Lausitzer Raum wie Schwedt, Frankfurt/Oder, Eisenhüttenstadt, Guben, Cottbus, Senftenberg und Forst miteinander verbindet sowie die verkehrsräumliche Anbindung an Mecklenburg-Vorpommern/ Skandinavien und die Verkehrsachsen Sachsens mit Weiterführung nach Tschechien fördert.

Vorrangige Träger der regionalen Entwicklung sind die hochstufigen Zentren und Arbeitsplatzschwerpunkte Frankfurt/ Oder (Oberzentrum, Regionales Entwick-lungszentrum des Städtekranzes um Berlin, 72.000 Einwohner), Eisenhüttenstadt (Mittelzentrum, industriell-gewerblicher Entwicklungsstandort, 41.000 Einwohner) sowie die Mittelzentren im Brandenburger Teil des engeren Verflechtungsraumes Brandenburg-Berlin-Fürstenwalde (34.000 Einwohner) und Strausberg (26.000 Einwohner).

Das Industriepotenzial der Region konzentriert sich an den Standorten Eisenhüttenstadt, Frankfurt/Oder, Fürstenwalde, Rüdersdorf/Hennickendorf/Herzfelde und Erkner. Frankfurt/Oder entwickelt sich wieder zu einem Zentrum der Mikroelektronik. Am traditionellen Metallurgiestandort Eisenhüttenstadt vollzieht sich eine Erweiterung des Branchenspektrums in Richtung Umwelttechnologie und Kreislaufwirtschaft (Projekt des Integrierten Recyclingzentrums-IRZ).

Für die Förderung des Wiederaufbaus und die Modernisierung der Wirtschaft steht das Wissenschafts-potenzial der Region sowie der benachbarten Räume zur Verfügung:  die Europauniversität Viadrina/ Collegium Polonicum in Frankfurt/ Oder/S³ubice, das Institut für innovative Mikroelektronik-IHP in Frankfurt/Oder, das Zentrum für Agrar-landschafts- und Landnutzungsforschung in Müncheberg-ZALF, das Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung Erkner-IRS; die Wissenschafts- und Forschungslandschaft von Berlin und Potsdam; die Brandenburgische Technische Universität Cottbus, die Fachhochschulen in Eberswalde, Senftenberg und Wildau sowie die Universität Poznań (Posen) in der Republik Polen.

Die Technologie- und Gründerzentren in Frankfurt/Oder, Fürstenwalde und Straus-berg bilden weitere Kristallisationspunkte für den Wissens- und Technologietransfer sowie die Unterstützung von Unternehmensgründungen.

Die Kulturlandschaften der Region (Barnim, Oderbruch, Märkische Schweiz, Lebuser Land, Beeskower/Storkower Land, Schlaubetal/Ziltendorfer und Neuzeller Niederung) bieten gute Standortvoraussetzungen für die Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft, den Obst- und Gemüseanbau sowie in Verbindung mit den Flusslandschaften von Oder, Neiße und Spree zur Entwicklung von Tourismus und Erholungswesen.

Das Gebiet der Region Oderland-Spree ist identisch mit dem deutschen Teil der Euroregion „Pro Europa Viadrina“, wodurch günstige Voraussetzungen für eine länderübergreifende Zusammenarbeit im zusammenwachsenden Europa gegeben sind (Raumordnung, Naturschutz, Infrastruktur, Wirtschaft, Bildung und Kultur).

Die Region Oderland-Spree im Rahmen der deutsch-polnischen Zusammenarbeit

Im Europäischen Raumentwicklungskonzept EUREK wird den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union vorgeschlagen, „die Einbeziehung der potenziellen Beitrittsstaaten sowie der unmittelbaren Nachbarstaaten in die europäische Raumentwicklungspolitik als eine zentrale Aufgabe der nächsten Jahre anzusehen und durch diese Kooperation einen Beitrag zur Vorbereitung, Begleitung, Förderung und Bewältigung des EU-Erweiterungsprozesses zu leisten“. Folgerichtig benennt das brandenburgische Regionalplanungsgesetz im Katalog der bei der Erarbeitung der Regionalpläne von den Regionalen Planungsgemeinschaften zu beteiligenden Stellen auch die Nachbarstaaten. Diese Beteiligung soll aber nicht direkt durch die Regionalen Planungsgemeinschaften erfolgen, sondern über die Landesplanungsbehörde, die Gemeinsame Landesplanungsabteilung Berlin-Brandenburg.

In Umsetzung dieser Festlegungen wurden eine Kurzfassung des Textes sowie die Legenden der Karten des 1998 fertig gestellten Regionalplanentwurfes Oder-land-Spree in die polnische Sprache übersetzt und über die Gemeinsame Landesplanungsabteilung Berlin-Brandenburg den benachbarten polnischen Wojewod-schaften Zachodniopomorskie (Westpommern) und Lubuskie zugestellt. Die Kosten für die Übersetzung trug dankenswerterweise die Gemeinsame Landesplanungsabteilung. Die Antworten der polnischen Wojewodschaften fielen leider knapp aus. Sie erklärten ihre grundsätzliche Zustimmung zu dem vorgelegten Planentwurf, ohne aber auf dessen Inhalte weiter einzugehen. Folgende Gründe mögen dafür die Ursache sein:

- Die Verwaltungssysteme der Bundes-republik Deutschland (Bund-Länder-Landkreise/kreisfreie Städte-Gemeinden) und der Republik Polen (zentrale staatliche Verwaltung-Wojewodschaften-Kreise/ kreisfreie Städte-Gemeinden) und damit einhergehend auch das System der räumlichen Planung weisen auf den einzelnen Ebenen strukturelle und kompetenzielle Unterschiede auf.

- Eine der deutschen Regionalplanung vergleichbare Planungsform existiert in Polen nicht. Am ehesten ergeben sich Parallelen zu den Entwicklungsstrategien und Raumentwicklungsplänen der polnischen Wojewodschaften, die diese seit der mit dem 01.01.1999 vollzogenen Verwaltungsreform im Rahmen der damit verbundenen, deutlich erweiterten Selbstverwaltungskompetenz erarbeiten. Diese Konzeptionen beschränken sich nicht allein auf die Raumplanung, sondern verfolgen einen strukturpolitischen Gesamtansatz. Nach Ansicht des Verfassers könnte dies auch ein nachdenkenswerter Ansatz für die deutschen Regionen sein, z. B. zur Effektivierung der in den unterschiedlichsten Formen tätigen Institutionen der Wirtschaftsförderung.

- Ein weiterer Grund für die noch nicht funktionierende Zusammenarbeit in der Raumplanung auf der Ebene “Regionale Planungsgemeinschaft benachbarte Woje-wodschaften” dürfte darin bestehen, dass die bisherige Diskussion zu raumplanerischen Themen mit den Wojewodschaften von deutscher Seite fast ausschließlich auf den Ebenen Bund und Land Brandenburg geführt wurde. Auch in die von der Gemeinsamen Landesplanungsabteilung Berlin-Brandenburg betreuten INTERREG II C-Projekte erfolgte so gut wie keine Einbindung der Regionalen Planungsgemeinschaft Oderland-Spree, obwohl diese mehrfach Mitwirkungsangebote unterbreitete. Diese Situation ist unbefriedigend.

Der Aufbau direkter Arbeitsbeziehungen der Regionalen Planungsgemeinschaft zu den benachbarten Wojewodschaften ist ohne Partner auf deutscher Seite nicht möglich (knappe Finanzen, nach wie vor stark wirkende Sprachbarriere zwischen Deutschland und Polen).

Konnten diese Partner im Bereich der Raumplanung noch nicht im ausreichenden Umfange gewonnen werden, so ergaben sich anderweitig Möglichkeiten, die deutsch-polnische Zusammenarbeit voran zu treiben. Hilfreich war dabei die von der Regionalen Planungsgemeinschaft Oderland-Spree seit Beginn ihrer Tätigkeit verfolgte Philosophie, Raumplanung als Bestandteil einer regionalen Strukturpolitik zu begreifen.

Aktivitäten der Region Oderland-Spree in der Euroregion „Pro Europa Viadrina“

Wie bereits ausgeführt, ist das Gebiet der Region Oderland-Spree identisch mit dem deutschen Teil der Euroregion „Pro Europa Viadrina“. Im Laufe der vergangenen Jahre hat sich die Zusammenarbeit stetig gefestigt. Dadurch eröffneten sich für die Regionale Planungsgemeinschaft auch wichtige direkte Kontakte zu Partnern in der Republik Polen.

Die Regionale Planungsstelle arbeitet in den Arbeitsgruppen Projektmanagement (INTERREG II A/III A-Projekte) und Tourismus der Euroregion mit. Es fanden zwei Foren zur Raumplanung auf deutscher und polnischer Seite statt, in denen Grundlagen für die Fortschreibung des Entwicklungs- und Handlungskonzeptes der Euroregion mit dem Titel „Viadrina 2000“ erarbeitet wurden. Mit einer INTERREG-II-Förderung konnte in der Regionalen Planungsstelle das Projekt „Aufbau eines Raumnutzungs- und Raumentwicklungssystemes in der Region Oderland-Spree und in der Euroregion „Pro Europa Viadrina“ auf der Grundlage eines Geographischen Informationssystemes (GIS)“ erfolgreich umgesetzt werden. Dieses Regionale Raumnutzungs- und Entwicklungssystem (RNES) ermöglicht es, mit Hilfe der elektronischen Datenverarbeitung zügig auf die sich ständig erneuernden Anforderungen an die Raumnutzung zu reagieren. Die Konzeption für das RNES ist so angelegt, dass es nach einer ersten Phase des Aufbaus im deutschen Bereich der Euroregion einmal für deren gesamtes Gebiet wirksam werden kann. Im Rahmen des EU-TEMPUS-PHARE-Projektes „Modernes Stadtentwicklungsmanagement“ fanden 1999 Kurse für polnisches Verwaltungspersonal am Collegium Polonicum in Słubice statt, an deren Durchführung die Regionale Planungsstelle mitwirkte (Vorträge zum Thema Raumentwicklung-Stadtentwicklung-Landesplanung).

In der Erkenntnis, dass Kulturlandschaften durch ihre Eigenart zur lokalen und regionalen Identität beitragen sowie die Geschichte und das Zusammenspiel von Mensch und Natur widerspiegeln, bemühen sich die Euroregion und die Regionale Planungsgemeinschaft in Kooperation mit der Gemeinsamen Landesplanungsabteilung darum, die Kulturlandschaft des Lebuser Landes als gemeinsamen deutsch-polnischen Entwicklungsraum zu aktivieren. Die Auftaktveranstaltung fand im Dezember 1999 statt.

Am 26.11.2001 wurde der Regionalplan Oderland-Spree von der Regionalversammlung als Satzung erlassen sowie deren Genehmigung durch die Landespla-nungsbehörde eingeleitet. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, die regionalplanerischen Kapazitäten nunmehr verstärkt für Aufgaben der Regionalentwicklung einzusetzen. In diesem Zusammenhang schloss die Regionale Planungsgemeinschaft Oderland-Spree einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit dem Verein Mittlere Oder e. V. (deutscher Teil der Euroregion Pro Europa Viadrina) ab, auf dessen Grundlage die bereits bestehende Zusammenarbeit deutlich ausgebaut wird.

Die Mitarbeit der Region Oderland-Spree im Netzwerk Ostbrandenburg-Westpolen

Unter Federführung des Ministeriums für Wirtschaft des Landes Brandenburg arbeitet seit 1998 auf der Grundlage eines Strategiekonzeptes/Maßnahmekataloges das Netzwerk Ostbrandenburg-Westpolen, deren Mitglieder die Landkreise und kreisfreien Städte (Ämter für Wirtschaft/ Wirtschaftsförderung), die Geschäftsstel-len der Euroregionen und die Regionalen Planungsstellen des brandenburgischen Grenzraumes zu Polen sowie wirtschaftsfördernde Institutionen wie die Zu-kunftsAgentur Brandenburg-ZAB und die Deutsch-polnische Wirtschaftsförderungsgesellschaft AG-TWG sind. Eingebunden in das Netzwerk ist die regionale Arbeitsgruppe Oderland. Diese setzt sich aus den Leitern der Ämter für Wirtschaft/ Wirtschaftsförderung der Stadt Frankfurt/ Oder sowie der Landkreise Märkisch-Oderland und Oder-Spree und dem Leiter der Regionalen Planungsstelle Oderland-Spree zusammen, der gleichzeitig ab Januar 2002 auch den deutschen Teil der Euroregion „Pro Europa Viadrina“ in der Arbeitsgruppe vertritt. Eine paritätisch besetzte deutsch-polnische Kernarbeitsgruppe, in der u. a. die brandenburgischen Ministerien für Wirtschaft sowie Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr vertreten sind, steuert die grenzübergreifende Zusammenarbeit und befasst sich mit den thematischen Schwerpunkten Infrastruktur und Wirtschaftsförderung für kleine und mittlere Unternehmen sowie Werbung und Präsentation.

Einen wesentlichen neuen Akzent setzte die deutsch-polnische Regionalkonferenz „Ostbrandenburg und Westpolen auf dem Weg zu einem gemeinsamen europäischen Wirtschaftsstandort“ im März 2001 in Guben/Cottbus, indem sie folgende Kernaussage traf: Es geht jetzt vorrangig nicht mehr darum, auf polnischer und deutscher Seite die jeweiligen Grenzregionen zu stärken, sondern als Hauptziel ist die Schaffung einer gemeinsamen Wirtschaftsregion zu verfolgen, die im europäischen Wettbewerb erfolgreich bestehen kann. Daraus leitet sich der nunmehrige Zielstellung ab, am Sitz der Europäischen Union in Brüssel die heutige Grenzregion als künftigen gemeinsamen Wirtschaftsstandort zu präsentieren. Symbolisch dafür wurde das Logo gewählt „2win, One region - double profit“/„Eine Region - doppelter Vorteil“.

 

Der Autor, Rüdiger Rietzel, arbeitet in der Regionalen Planungsstelle Oderland-Spree; das Referat wurde durch die Redaktion stark gekürzt. Das gesamte Referat kann über die Redaktion von POLEN und wir bestellt werden. Legen Sie bitte 2 Euro in Briefmarken bei.