Besuch im Gesundheitszentrum des Kindes in Warschau am 27. März 2002

 

Von Ute Reuland

„Wir haben unsere Ziele weit übertroffen!“, antwortete Professor Janusz Książyk, seit 1976 stellvertretender Direktor des „Gesundheitszentrums des Kindes“ in Warschau. Gefragt hatten die Besucherinnen aus Deutschland, Lisa und Ute Reuland, die sich nach ihrem ersten Besuch vor 24 Jahren (1978) im Denkmal für 13 Millionen im Zweiten Weltkrieg getötete Kinder, in diesem Frühjahr ein aktuelles Bild über dieses einmalige, aus polnischen und internationalen Spenden errichtete Klinikum, machen wollten.

 

Im Warschauer Vorort Międzylesie steht der riesige Gebäudekomplex mit dem dreizehnstöckigen Hauptgebäude und weiteren sieben dreistöckigen miteinander verbundenen Pavillons. Die Eingangshalle mit buntem Wandschmuck, rosa gekleideten Krankenschwestern und einem geschäftigen Menschengewimmel zwischen Rezeption und Warteraum entschädigt die Besucherinnen für den monumentalen und etwas einschüchternden Eindruck des Hauptgebäudes in siebziger Jahre Architektur. Vor dem Fernseher in der Warteecke auf bequemen Kunstledersofas finden Kinder und Eltern Platz zum Spielen, Lesen, Fernsehen oder Gespräch. Ein Mädchen wartet dort mit der Mutter auf den nächsten Behandlungstermin. Julia, 3 Jahre alt, ist vor einigen Tagen mit Verdacht auf Osteoporose mit ihrer Mutter aus Lublin angereist und kann jetzt nach zahlreichen Untersuchungen wieder nach Hause fahren. Die festgestellte Krümmung des Rückrats kann in ihrem Heimatort mit speziellen Übungen behandelt werden. Wie die kleine Julia kommen im Jahr fast 160.000 große und kleine Patienten zur Untersuchung und Behandlung nach Warschau. Prof. Książyk erläuterte die aktuellen Zahlen der Statistik aus dem Jahr 2001. 141.000 Kinder zwischen 0-18 Jahren wurden ambulant und 18.000 stationär im Kinderkrankenhaus behandelt. Durchschnittlich verweilen die Patienten 8-9 Tage in der Klinik. Damit die kleinen Patienten die fremde Umgebung und die Ärzte und Schwestern nicht als beängstigend und bedrohlich empfinden, haben die Gründer des „Zentrums mit Herz“ schon in der Konzeption eine kinderfreundliche Atmosphäre und durch das Eltern-Kind-Hotel den Aufenthalt der Eltern in der Nähe ihrer Kinder in die erfolgreiche Behandlung mit eingeplant. Für die Eltern stehen insgesamt 514 Betten für umgerechnet 8 Euro pro Tag zur Verfügung. Neben Schwesternaus- und -weiterbildung werden zahlreiche Forschungsprojekte in Zusammenarbeit mit der medizinischen Fakultät der Universität durchgeführt.

Dem Wunsch nach der Besichtigung einer Station wurde gern entsprochen. Zuerst besuchten wir die Anästhesie und Intensivstation für Säuglinge. Trotz einer gewissen Hektik und Spannung aufgrund eines gerade gemeldeten Notfalls zeigte uns der Chefarzt Prof. Dr. Tadeusz Szreter die Intensivstation. Die erst wenige Tage alten Säuglinge an den medizinischen Geräten erschreckten zuerst etwas. Im ersten Raum lagen vier Babys an der Dialyse, im nächsten zwei Säuglinge an der Beatmungsmaschine, die nächsten Räume mit etwas älteren Kindern – hautnah wurde der tägliche Einsatz um das Überleben dieser Kinder spürbar. Die Intensivstation führt im Jahr ca. 9500 Anästhesien durch, mit 32 Anästhesisten und 150 Krankenschwestern. 85 Prozent der Kinder verlassen das Krankenhaus mit einer deutlichen Besserung des Zustands.

Nach der Intensivstation konnten wir in die Kardiologie. Auch dort nahm sich die Chefärztin Anna Turska-Kmieć für uns die Zeit zu einem Rundgang. Engagiert berichtete sie über ihre kleinen Patienten und die gesamte Station. Die Kinder sind teilweise vom ersten Lebenstag bis zum 18. Geburtstag zur Behandlung oder Beobachtung regelmäßig auf der kardiologischen Station. Durch die pränatale Diagnostik in den gynäkologischen Krankenhäusern können zu erwartende gesundheitliche Schwierigkeiten schon vor der Geburt erkannt werden und Säuglinge mit Herzfehlern frühzeitig in das Kinderkrankenhaus verlegt und dort behandelt werden. Zum Beispiel werden Herzschrittmacher schon am ersten Tag implantiert. Die extra kleinen Geräte haben eine mitwachsende Leitung im Körper und werden von außen mit dem Computer in den sich jeweils verändernden Rhythmus eingestellt. 50 Herzschrittmacher (HSM) werden zur Zeit jährlich neu verordnet, insgesamt befinden sich 300 Kinder mit einem HSM in der Behandlung des Krankenhauses. Neben den stationären Aufenthalten nehmen die ambulanten Untersuchungen in dieser Abteilung einen großen Raum ein. Mit fünf Echokardiographen werden jährlich 6000 Untersuchungen des Herzens durchgeführt. Durch den frühen Zeitpunkt der Behandlung und die immer wieder regelmäßig notwendigen Untersuchungen ergibt sich ein enges und vertrauensvolles Verhältnis zwischen den Kindern und den Ärzten sowie dem Pflegepersonal. „Kinder sind dankbare Patienten!“ versicherten uns die Ärztinnen.

Beeindruckt vom Engagement in ihrer Arbeit und der Offenheit gegenüber interessierten Besuchern, möchten wir hiermit unseren Dank an die Ärztinnen und Ärzte der Intensiv- und kardiologischen Station aussprechen. Außerdem möchten wir uns an dieser Stelle auch noch einmal bei Maria und Franek Bieńkowski für ihre Gastfreundschaft bedanken. Besonderer Dank richtet sich auch an Frau Irena Osińska, langjährige Mitarbeiterin in der deutschen Redaktion des polnischen Rundfunks, ohne deren Unterstützung und Begleitung dieser Einblick in das „Kinderkrankenhaus mit Herz“ nicht möglich gewesen wäre.