Kommunal- und Wojewodschaftswahlen 2002

Die populistischen Parteien im Aufwind

Von Wulf Schade

 

Ende Oktober/Anfang November 2002 fanden in Polen Kommunal- und Wojewodschaftswahlen statt. Zwei Wahlgänge waren notwendig, da erstmals die Bürgermeister in den Gemeinden und Städten direkt gewählt wurden, die Abgeordneten der Parlamente der Kreise, Städte und Wojewodschaften dagegen in Wahlkreisen nach dem Verhältniswahlrecht. Die Wahlbeteiligung erreichte die in Polen übliche Größenordnung und betrug bei den Kommunalwahlen 49,48% und bei den Wojewodschaftswahlen 44,23 Prozent. An der Stichwahlen zu den Bürgermeisterposten, die dann notwendig wurden, wenn keine Kandidatin oder kein Kandidat im ersten Wahlgang mehr als 50 Prozent der abgegebenen Stimmen erhielt, nahmen 35,2 Prozent der Wahlberechtigten teil.

 

Für die regierende SLD wie auch für die im Sejm vertretenen Parteien waren diese Wahlen ein Test zur Stimmung im Land.

Die Wahlen in den Großstädten

Wenn man die Ergebnisse der Wahlen zu den Oberbürgermeistern, die in Polen Präsidenten genannt werden, in den Großstädten Danzig, Katowitz, Posen, Warschau, Łódź usw. betrachtet, kann man zu dem Schluss kommen, die bürgerliche Rechte ist die Wahlsiegerin. Für die zur Zeit regierende SLD-UP Koalition bedeuteten dagegen diese Wahlen dort eine herbe Niederlage. Nur in den Großstädten Olsztyn, Rzeszów, Toruń und Krakau konnten sie ihre Kandidaten durchsetzen.

In den anderen Großstädten haben sich die Kandidaten der bürgerlichen Rechten spätestens in der Stichwahl durchgesetzt. Der Grund lag nicht zuletzt in der Geschlossenheit der beiden zur Zeit größten konservativen Parteien bzw. Organisationen, der „Bürgerplattform“ (PO) und „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) bei diesen Oberbürgermeisterwahlen. Einige Ergebnisse sind dabei durchaus imponierend: So erreichte Paweł Adamowicz von der PO in Danzig 72,3 Prozent und Lech Kazyński (PiS) in Warschau 70,5 Prozent.. In Krakau konnte diese Einheit nicht hergestellt werden und dort siegte der Vertreter der SLD-UP.

Aber nicht nur in Krakau konnte keine einheitliche Position der bürgerlichen Rechten erarbeitet werden. Das gelang meistens auch nicht bei den Wahlen der Dorf- und Kleinstadtbürgermeister sowie den Wojewodschafts- und Kreiswahlen. Das Ergebnis ist denn auch ernüchternd: PiS und PO erhielten zusammen nur knapp 18 Prozent aller Mandate.

Die Kreis- und Wojewodschaftswahlen

Die Wahlen zu den Kreisbürgermeistern und den dazugehörigen Kreisräten wurden oft von lokalen Komitees beherrscht, wenn sich auch des öfteren eine der größeren Parteien dahinter verbargen. So stammen 1196 von 1596 Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen der Kreise aus solchen Komitees, 275 gehören der PSL, 105 der SLD an. PO und PiS gingen als Organisationen hier völlig leer aus.

Ein ähnliches Bild ergibt sich für die Wahlen in den Kleinstädten. Von insgesamt 776 gewählten Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern stammen 611 aus örtlichen Wahlbündnissen, 96 aus der SLD,  58 von der PSL, während aus der bürgerlichen Rechten nur die PO einen ausdrücklich unter ihrem Namen kandidierenden Bürgermeister stellt.

Ebenfalls eine glatte Niederlage erlebte die Konservative Rechte bei den Wojewodschaftswahlen, hier konnte sich die SLD-UP insgesamt als stärkste Kraft behaupten. Sie gewann etwa 35 Prozent aller Mandate, das allerdings auch nur deshalb, weil die Stimmenauszählung nach dem d’Hondtschen System in kleinen Wahlkreisen große Parteien deutlich begünstigt. Insgesamt erhielt SLD-UP gerade mal 25 Prozent aller abgegebenen Stimmen. Das ist das schlechteste Wahlergebnis bei Wojewodschaftswahlen seit 1993! Immerhin ist die SLD in 13 Wojewodschaftsparlamenten die stärkste Kraft, wenn sie auch nur im Lubusker Land die absolute Mehrheit besitzt.

Die Populisten – Gewinner der Wahl

Nicht unbedingt überraschend sind als die eindeutigen Siegerinnen der Wahlen die beiden populistischen Parteien „Samoobrona“ und die „Liga der Polnischen Fa-milien“ (LPR) hervorgegangen. Beide Organisationen haben jeweils fast 17 Prozent aller Wojewodschaftmandate gewonnen. Ohne sie wird es oftmals keine Mehrheit geben. Dabei zeichnet sich ab, dass die „Samoobrona“ in erster Linie mit der SLD Bündnisse auf Wojewodschaftsebene eingehen wird, wenn sie auch andere Bündnisse nicht ausschließt, während die LPR nur mit den konservativen Organisationen und Listen, vielleicht auch mit der „Samoobrona“ Bündnisse schließen wird.

Besorgte Pressestimmen

Die liberale Presse hat das Wahlergebnis mit großer Sorge aufgenommen. Das deutliche Erstarken der populistischen Organisationen „Samoobrona“ und LPR, so die Befürchtung, wird auf Polen im Ausland ein schlechtes Licht werfen. Die LPR ist ausdrücklich gegen den Eintritt Polens in die EU, ähnliche Stimmen hört man auch von hohen Verantwortlichen aus der „Samoobrona“. Aus beiden Organisationen sind immer wieder antisemitische und fremdenfeindliche Stimmungen deutlich hörbar.

Die Ursache des Erstarkens dieser Organisationen werden in der zunehmenden Orientierung der Parteien der politischen Mitte - sowohl der des linken wie auch des rechten Lagers, worunter die heute im Sejm sitzenden Organisationen SLD, PO, PiS, PSL verstanden werden - auf kurzfristige Wahlziele und damit auf den Verzicht einer perspektivischen von gesellschaftspolitischen Vorstellungen geleiteten Politik gesucht. Dabei bedient man sich immer wieder populistischer Parolen.

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