Deutsche und Polen

Eine dokumentarische Chronik des Ostdeutschen Rundfunks Brandenburg (ORB) in der ARD

Von Wolfhard Besser

 

“Solange Mond und Sonne scheinen, wird nie ein Deutscher eines Polen Freund!” - Diese alte polnische Redewendung mag für die zurückliegenden Jahrhunderte richtig sein, aber im sich zusammenfindenden Europa der Gegenwart nicht mehr ganz stimmen. Sicher ist das von Deutschland ausgegangene Leid in Polen noch verwurzelt und auch heute halten sich bei uns Deutschen ebenso einige Vorurteile gegenüber den Polen. Das spiegelt sich manchmal in einer einseitigen Berichterstattung deutscher Medien wider: Polen als Autoschieber, Schmuggler oder Prostituierte. Das Verhältnis zwischen Deutschen und Polen ist vor allem durch die zwei Weltkriege belastet, die von Deutschland ausgingen: Die mörderische Hitler- Herrschaft, Flucht und Vertreibung von Polen und Deutschen folgten mit der Verschiebung der Grenzen unseres Nachbarlandes in Richtung Westen.

 

Zwar sind sich beide Länder in den vergangenen Jahren näher gekommen, aber sie stehen sich noch etwas fremd gegenüber, obwohl man seit Jahrhunderten Wand an Wand wohnt - und sich jetzt mit Blick auf den bevorstehenden EU-Beitritt Polens, die Tür bald weit öffnen wird.

Zum besseren Verstehen beider Völker will eine vierteilige ARD-Dokumentation beitragen, die der Ostdeutsche Rundfunk Brandenburg (ORB) produziert hat - eine Chronik, die das historische Verhältnis von Deutschen und Polen, Konflikte und Katastrophen, aber auch geschichtliche Verbindungen und Gemeinsamkeiten be-schreibt. Prominente Kommentatoren sowie zahlreiche deutsche und polnische Zeitzeugen kommen ebenfalls zu Wort.

Der 1. Teil befasst sich mit der Schlacht von Grunwald, als der Deutsche Orden vom polnisch-litauischen Heer entscheidend geschlagen wurde. Weitere deutsch- polnischen Aspekte sind die Begegnung  von Gnesen (Gniezno), die Stadtgründungen durch deutsche Siedler im polnischen Königreich, das Schicksal der Bamberger Exilanten, die im polnischen Posen (Poznań) heimisch wurden, und die glücklose Regierungszeit August des Starken.

Die 2. Folge stellt die Teilung Polens in den Mittelpunkt, die Aufteilung des Königreiches Polen durch Preußen, Russland und Österreich. Dokumentiert wird der na-tionale Egoismus Deutschlands unter Bismarck, der sich im Polenhass zeigt; die Germanisierungskampagnen verbieten alles, was polnisch ist. Auch die ‘Westfal-czyks” im Ruhrgebiet bekommen zu spüren, dass ein Pole Mensch zweiter Klasse ist. Der Sieg der Hindenburgschen Truppen über Russland in der Schlacht bei Tannenberg Ende August 1914 lässt eine düstere Vorahnung der Verbrechen des Nazi-Regimes erkennen.

Im 3. Teil steht der Überfall Hitler- Deutschlands auf Polen im Mittelpunkt, die Gewaltherrschaft der SS und Wehrmacht, der Versuch, die polnische Nation auszulöschen. Dieser Teil der ORB-Reihe dokumentiert die Tragödie des Warschauer Aufstandes, als polnische Patrioten verzweifelt versuchten, sich von der Schreckensherrschaft des Nazi-Regimes aus eigenen Kräften zu befreien, während Stalin nicht bereit war, mit seiner am anderen Weichsel-Ufer stehenden Roten Armee zu Hilfe zu eilen.

Der letzte Teil beleuchtet schließlich die Nachkriegsgeschichte: die Westverschiebung des polnischen Staates nach Kriegsende, Flucht und Vertreibung der Deut-schen aus den Ostgebieten und das Verhältnis der Volksrepublik Polen und der DDR nach der Unterzeichnung des Görlitzer Abkommens über die Oder-Neiße-Friedensgrenze 1950, aber auch die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze durch die Bundesrepublik Deutschland 1970 und der berühmte Besuch von Bundeskanzler Willy Brandt in Warschau.

Diese Reihe vermittelt das Wesentlichste und Wichtigste über das Verhältnis von Deutschen und Polen. Schlaglichtartig beleuchtet und kommentiert das Projekt die entscheidenden Ereignisse und Entwicklungen unserer beiden Länder in den letzten drei Jahrhunderten. Dieser Vierteiler sei - so der Chefredakteur des ORB-Fernsehens, Johannes Unger - die erste umfassende Darstellung der Geschichte von Polen und Deutschen im Fernsehen. Viele Kapitel deutscher Geschichte hätten sich auf polnischem Gebiet abgespielt. Deshalb sei dieses Projekt von besonderer Bedeutung, auch weil die Berichterstattung über die Vertreibung der Deutschen bisher sehr einseitig erfolgt sei. Man habe mit der Dokumentation die geschichtliche Wahrheit herauszuarbeiten versucht. Dazu kommen polnische und deutsche Wissenschaftler und Publizisten zu Wort, wie der Historiker Heinrich August Winkler, der frühere polnische Außenminister Władyław Bartoszewski sowie der Journalist Adam Krzemiński. Zeitzeugen schildern ihre Erlebnisse in den Jahren vor und nach 1945. Zudem konnten die Autoren auch auf bisher in Deutschland unbekanntes Filmmaterial zurückgreifen. In der Chronik seien auch viele Dinge enthalten, die für Polen relativ neu sind - betonte der Fachberater, Prof. Włodzimierz Borodziej, auf der Präsentations-Pressekonferenz des ORB.                                                                                                                                                                         m