Kommentar aus Tygodnik Powszechny

Weder Schröder/Chirac noch Rumsfeld

Von Wojciech Pięciak

 

Wenn Bush-Senior dem Appell, den Frieden einzuhalten, befolgt hätte und den Befehl zum „Wüstensturm“ nicht gegeben hätte, stände Kuwait noch heute unter irakischer Besatzung und Hussein besäße größere Lager an chemischen und biologischen Waffen, als er hat. Denn gerade als er 1991 kapitulierte, verpflichtete sich der Diktator, die Inspektoren der UNO hineinzulassen, denen (bevor er sie hinauswarf) es gelang, eine große Menge B-und C-Waffen zu vernichten. Hatte also der Papst damals Unrecht und hat er es heute, wenn er so inbrünstig wie nie zuvor vor einem weiteren Krieg am Golf warnte?

Die Frage ist schlecht gestellt. Das Oberhaupt der Kirche, mit einem (polnischen) historischen Gedächtnis, strebt nach dem Ideal: die Verknüpfung der Ethik der Ideen mit der Ethik zur Verantwortung im kategorischen Imperativ. Der Politiker dagegen ist der Ethik zur Verantwortung verpflichtet. Sie stellt fest, dass Passivität gegenüber einer Bedrohung, wie sie der Irak darstellt – und dazu führt sie die Linie vom deutschen Kanzler Gerhard Schröder und vom Präsidenten Frankreichs Jaques Chirac, die mit ihrem „Nein“ zur Intervention nicht auf die Ergebnisse der UNO-Inspektoren warten - teuer werden kann. Das bedeutet erstens, dass Hussein die Drohungen nicht ernst nehmen muss, zweitens fördert das die Erosion der Autorität der UNO, die Hussein seit einigen Jahren an der Nase herumführt. Sie könnte auch weitere Konflikte hervorbringen (siehe z.B. nach Pjönjang mit seinem Atompotential). Dass sich die Mehrheit der Gesellschaften Europas gegen eine Intervention ausspricht, ist kein Argument: Wenn sich vor einem halben Jahrhundert die westlichen Politiker von gesellschaftlichen Stimmungen hätten leiten lassen (Umfragen waren noch nicht modern), wäre die NATO nicht entstanden, Deutschland wäre neutral geworden und der Einfluss Stalins würde bis Frankreich und Italien reichen.

Minister Cimoszewicz sagte im Sejm, dass Polen eine Intervention der USA selbst dann unterstützt, wenn der Sicherheitsrat der UNO in dieser Angelegenheit keine neue Resolution verabschieden würde. Damit unterstützte der Minister die amerikanische Interpretation, dass zur Gewaltanwendung formell die gegenwärtige Resolution Nr. 1441 ausreicht, kraft der die Inspektion im Irak durchgeführt wird: Die Vereinigten Staaten meinen, dass die Gewaltanwendung zulässig ist, falls Hussein die Zusammenarbeit mit den Inspektoren ablehnt.

Es geht hier nicht um die Kalkulation, dass, wenn Polen schon keinen Einfluss darauf hat, was am Golf geschieht, so es doch wenigstens seine guten Beziehungen zur USA untermauern kann. Die Ablehnung von Gewalt a priori ist keine politische Alternative zur Intervention: Die Ablehnung eines Engagements ist keine „Friedenspolitik“. Sie bedroht dagegen unsere Sicherheit, denn im Endeffekt würde Europa den Rückhalt durch die USA verlieren.

Der Einheit des Westens dient ebenfalls nicht die Derbheit des amerikanischen Verteidigungsministers Donald Rumsfeld, der die Europäer in „schlechte“ und „gute“ (proamerikanische) teilt, noch die pazifistische Rhetorik Schröders, die in Wirklichkeit von innenpolitischen Erwägungen geleitet ist, noch das antiamerikanische Spiel des Pragmatikers Chirac, der, so schnell wie er sich der Linie Berlins anschloss, sich von ihr zurückziehen kann. Die Frage lautet nicht: Krieg oder Frieden? sondern: Ist eine friedliche Abrüstung möglich? Zur Zeit deutet alles darauf hin, dass in dieser Frage Amerika Recht hat – Hussein lügt und ist an der Aufgabe seines Arsenals nicht interessiert.                                                                                                                                                                                                          m

Tygodnik Powszechny, Nr. 5 vom 2. Februar 2003, Übersetzung: Wulf Schade, Bochum