Geschafft – Polen ist in der EU

Von Wulf Schade

 

Es war knapper als es das Ergebnis vermuten lässt. Die Gültigkeit des Referendums hing bis wenige Stunden vor Schluss an einem seidenen Faden. Denn erst am Sonntag Abend war die für die Gültigkeit des Referendums notwendige Wahlbeteiligung von über 50% erreicht. Dabei betrug die Beteiligung am ersten Abend des Referendums nur knapp 18%. Diese Nachricht wirkte wie ein Schock und alle möglichen Mittel wurden genutzt, um die Bevölkerung zur Teilnahme zu bewegen. Durch Meinungsumfragen in der Vorreferendumszeit war klar, dass die Mehrheit der Teilnehmenden mit „Ja“ stimmen wird. Sonderausgaben der Gazeta Wyborcza und des Zycie Warszawy aber auch lokaler Blätter wurden Sonntag früh mit Aufrufen zur Teilnahme am Referendum verteilt. In vielen Kirchen wurde zur Teilnahme aufgerufen.

 

Inwieweit mit diesem Vorgehen die gesetzlich verordnete Wahlruhe verletzt wurde, ist umstritten, aber da kein Politiker bzw. keine Politikerin am Samstag und Sonntag offen in Rundfunk und Fernsehen auftrat und Kommentare abgab oder zur Teilnahme aufrief, dürfte die Wahl rechtlich einwandfrei gewesen sein. Die Mobilisierung zeigte Wirkung: um 13Uhr betrug die Teilnahme 34%, um 17 Uhr 45,2% und um 18 Uhr überschritt sie mit 51,9% die notwendige Hürde. Als endlich diese Quote bekannt gegeben worden war, knallten die Sektkorken. Überschwängliche Reden wurden gehalten, die Erleichterung, dass diese Entscheidung nicht im Parlament gefällt werden musste, war deutlich zu sehen.

Letztlich überschritt die Teilnahme am Referendum  dann doch deutlich die 50% Marke und betrug 58,85%, wovon 77,45% mit „Ja“ stimmten und 22,55% mit „Nein“. Deutlich mehr für den Beitritt stimmten die am Referendum teilnehmenden Bewohnerinnen und Bewohner aus den westlichen Wojewodschaften, d.h. aus den Wojewodschaften Schlesien, Westpommern, Opole, Niederschlesien und Lubusker Land. Hier stimmten etwa 85% mit „Ja“. Dagegen war die Skepsis gegenüber einem EU-Beitritt in den östlichen und südöstlichen Wojewodschaften deutlich größer. Hier stimmten „nur“ etwa 63-70% der am Referendum Teilnehmenden mit „Ja“.

Insgesamt ist festzustellen, dass in allen Bevölkerungsgruppen die Zustimmung zur EU deutlich überwiegt. Selbst die Bewohnerinnen und Bewohner der ländlichen Gebiete stimmten mit über 70% dafür, wobei festzuhalten ist, dass hier die Wahlbeteiligung geringer als in den Städten war, aber auch über 50% lag. Etwas überraschend ist vielleicht, dass auch die älteren Bürgerinnen und Bürger Polens (über 60 Jahre) deutlich mit „Ja“ stimmten und dass sie damit sogar die Quote bei den jungen Leuten (bis 30 Jahre) – wenn auch nur gering – übertrafen.

Unter den Anhängerinnen und Anhängern der verschiedenen Parteien gab es nur bei der rechtsnationalistischen Liga der Polnischen Familien (LPR) eine deutliche Mehrheit – 64%, die gegen den EU-Beitritt stimmten, im Gegensatz dazu stimmten für die EU 91,7% der konservativ-liberalen PO, 90,3% der linksliberalen SLD, 80,7 % der rechtspopulistischen PiS sowie 72,9% der Bauernpartei PSL. Geteilt war dagegen die Meinung bei der rechtspopulistischen Samoobrona: 50,3% stimmten mit „Ja“ und 49,7% mit „Nein“.                                                                                                                                                                                  m

 

Wir kehren an unseren Patz zurück

Von Aleksander Kwaœniewski

Die Polen haben in der demokratischsten aller Formen, in einer Volksabstimmung, „Ja“ zum Beitritt Polens in die EU gesagt.

(...) wir kehren in die große europäische Familie zurück. Wir kehren an den Platz zurück, der Polen und den Polen auf Grund ihrer tausendjährigen Geschichte und die große Arbeit gehört, die die Polen in den letzten 10-20 Jahren leisteten, als sie nicht nur das Aussehen dieser Erde sondern das des europäischen Kontinents veränderten. (...)

Diese Kampagne unterschied sich von allen vorherigen durch ihr gesellschaftliches Ausmaß. Es hatte etwas Faszinierendes, die Nichtregierungsorganisationen, sowie soziale, regionale und Jugend-Organisationen an den verschiedenen Orten in Polen zu sehen. Sehr junge und sehr erwachsene Menschen, die für das Selbe kämpften, (...) aber vor allem mit außergewöhnlicher Energie und Engagement für die Sache der Union agitierten. Die Kampagne hatte auch eine überparteiliche Dimension, denn es gelang uns, eine proeuropäische Front zu bilden, die über historische Teilungen, über verschiedene Lebensläufe hinwegreichte, die uns zu diesem gemeinsamen Ziel führte (...)

Ich möchte meine größte Dankbarkeit an die Person richten, die seit vielen, vielen Jahren diesem Geschehen Unterstützung gewährte. Ich habe bereits an seine Worte, die er 1979 in Gniezen äußerte, erinnert aber man muss auch heute Johannes Paul II. dafür danken, dass er die ganze Zeit bei uns war, uns Zuversicht gab, dass er uns auch wertvollen Rat erteilte und uns ebenfalls vor verschiedenen Gefahren warnte, die mit den neuen Perspektiven für Polen zusammenhängen. Ich möchte mich herzlich bei der katholischen Kirche und allen Kirchen für das Engagement bedanken, für den Brief des Episkopates, der eine bedeutende Äußerung für dieses Referendum bedeutete (...)

Man muss ebenfalls mit tiefster Überzeugung allen danken (...) die diesen Weg bereits früh gingen. Unter uns ist Tadeusz Mazowiecki. Seine Regierung von 1989, die Folge des Runden Tisches und der Juniwahlen 1989 war, begann diesen Weg. Später führten ihn die folgenden Regierungen fort (...)                                     m

Aleksander Kwaœniewski, Wracamy na swoje miejsce, Gazeta Wyborcza vom 9.6.2003, Übersetzung: Wulf Schade, Bochum