DOKUMENTION

 

Durch Propaganda zum Ziel

Von Małgorzata Goss

 

Über 40% der stimmberechtigten Polen nahmen nicht am Referendum über den Beitritt Polens zur Europäischen Union teil. Eine aggressive und freche Kampagne sowie eine verlogene Propaganda vor dem Referendum anstatt sachlicher Information führte dazu, dass ein großer Teil unserer Landsleute nicht an die Wahlurnen ging. (...) Das Abstimmungsergebnis war für die Politiker Grund zur Erleichterung und Auftakt zu öffentlichen Erklärungen über die Zufriedenheit, dass sie die für die Zukunft der Nation so bedeutungsvolle Entscheidung nicht selbst fällen mussten.

 

Abstimmungsberechtigt für das Referendum waren 29.681.787 Personen. Mit „Ja“ stimmten ungefähr 12 Mil. 900 Tsd., mit „Nein“ etwa 16 Mil.800 Tsd., nämlich die, die beim Referendum mit „Nein“ gestimmt haben sowie die, die an der Abstimmung nicht teilnahmen. Entsprechend erster Daten der Meinungsforscher vom Meinungsforschungsinstitut Pracownia Badań Społecznych [PBS-d. Übers.] nahmen etwa 40% der Polen an der Abstimmung nicht teil. Auch die auf zwei Tage verlängerte Referendumszeit und der fortwährende Bruch der Wahlruhe führte zu keiner höheren Wahlbeteiligung.  (...)

Nach der Verkündigung der Forschungsergebnisse herrschte im Präsidentenpalast und in der Kanzlei des Premiers euphorische Stimmung. Präsident Kwaśniewski verkündete pompös, dass „wir in die große europäische Familie zurückgekehrt seien, dorthin, wo Polen und die Polen hingehören“. Der postkommunistische Präsident zögerte nicht, ein weiteres Mal die Autorität des Heiligen Vaters auszunutzen. Er dankte Papst Johannes Paul II. für die „Begleitung“ des Prozesses zur europäischen Integration. Im Palast versammelte er in Erwartung des Ergebnisses die gesamte Pro-Union-„Elite“, u.a. Adam Michnik, Dariusz Szymczycha, Marek Borowski und Danuta Waniek. Leszek Miller war nach der ersten Information, dass die Teilnahme ausreichend war, damit das Ergebnis des Referendums für die Politiker bindend war, außer sich vor Freude. Darüber darf man sich nicht wundern, denn im anderen Falle hätte er mit Sicherheit sofort seinen Platz als Premier räumen müssen.

Das verhältnismäßig geringe Interesse der Polen an der Referendumsteilnahme rief im Pro-Union-Lager Panik hervor. Die Lobby war sich bewusst, dass die Zustimmung der Union durch ein gesamtnationales Referendum deutlich stärker den Beitritt zur Union legitmiere als eine eventuelle Entscheidung über die Ratifizierung des Vertrages auf dem parlamentarischen Weg. Es ist übrigens kein Geheimnis, dass die Abgeordneten und die Senatoren eine eigenständige Entscheidung in dieser Angelegenheit wie das Feuer fürchteten. Die Angst davor speist sich nicht etwa nur aus der Furcht vor einem Bruch in der politischen Karriere. Überhaupt nicht weniger fürchten die Parlamentaristen die Reaktion der Bevölkerung an ihren Wohnorten, wenn nach der optimistischen Pro-Union-Kampagne den Menschen die harte Wirklichkeit offenbar wird. Gerade um sich vor der Ratifizierung auf dem parlamentarischen Wege zu schützen, wurden die Wähler am zweiten Tag der Wahl, am Sonntag, einem Druck ausgesetzt, der aktuell daran erinnert, was in der Slowakei stattfand. Auf den Straßen der Städte erschienen spezielle, kostenlose Ausgabe der „Gazeta Wyborcza“ und des „Zycie Warszawy“. Die postkommunistische Wochenzeitung „Polityka“ erschien mit Pro-Union-Inhalt bereits am Samstag, zwei Tage früher als sonst. Alle Angestellten von Telefonzentralen drängten ihre Abonnenten zur Wahlteilnahme. Entschlusskraft durch Agitationsreklame zeigte auch das Geschäftsnetz des Media Marktes, das öffentliche Fernsehen dagegen präsentierte seinen Zuschauern jeden Augenblick das Wahlbeteiligungsdiagramm als Gewissensfrage.                                                                                                                                                                                                                             m

Zwiedzeni propagandą, Gazeta Wyborcza vom 9. Juni 2003 Übersetzung: Wulf Schade, Bochum

 

Warten wir nicht auf die Katastrophe

Nach dem Referendum wird schrittweise immer deutlicher die Wahrheit ans Tages-licht treten, wie das Volk betrogen wurde, wie weitere Ausgaben auf die Zeit nach dem Referendum geschoben wurden, wie man die Leute zur Kasse bittet. Dann fällt das Gebäude der Propaganda der SLD in sich zusammen, die die bedrohlichen Schwierigkeiten verbarg, die verbarg, wie fatal die ausgehandelten Bedingungen sind, eine Propaganda, die sich auf ein Einhämmern stützt, was für ein großes Glück der Beitritt in die Union bedeutet. Für die Folgen, die eintreten werden, für das fatale Schicksal eines Teils der Gesellschaft, der sich doch in einer sehr schwierigen Situation befindet – 58% der Polen leben im Mangel und 4 Millionen Personen in extremer Armut unter dem sozialen Minimum – werden die Pseudoeliten verantwortlich sein. Zum Schluss wird abgerechnet. Wir warten dieses Mal jedoch nicht auf das lawinenartige Offensichtlich-Werden der früheren Betrügereien der Pro-Union-Propaganda. Wir warten nicht auf die echte Katastrophe, auf den 1. Mai 2004, wenn wir in die Union einzutreten haben. Bis dahin gibt es noch eine Menge Zeit. Beginnen wir einen sehr intensiven Kampf um die Köpfe. Falls wir in diesem Kampf Erfolg haben, gibt es eine Chance, die SLD-Regierung zu beseitigen und ein neues Referendum, das sich auf sachliche Information stützt, durchzuführen.                                                                                                               m

Prof. Jerzy Robert Nowak

Nie czekajmy na katastrofę, Gazeta Wyborcza vom 9. Juni 2003 Übersetzung: Wulf Schade, Bochum

 

 

Stellungnahme von Maciej Giertych, Vorsitzender der LPR

Erstens möchte ich allen ganz herzlich danken, die am heutigen Tag den Mut hatten, gegen die Strömung zu schwimmen und mit „Nein“ zu stimmen. Das sind fast 4 Millionen unserer Bevölkerung, (...). Ich möchte diesen Leuten um so mehr danken, da so eine Wahl schwierig in einer überlauten Propaganda war. 99% aller Sendezeit in öffentlichen und anderen Medien waren von Euro-Anhängern besetzt (...).

Bezüglich der Zukunft kann ich versichern, dass die Liga der Polnischen Familien [LPR-d. Übers.] verstärkt die polnischen nationalen Interessen in der Euro-päischen Union verteidigen wird, dass wir unser Allgemeinwohl so verteidigen werden, wie wir es vermögen. Und erinnert Euch, meine Damen und Herren, bei allen zukünftigen Erhöhungen und  allen Auseinandersetzungen an die Parteien und Personen, die die Verantwortung für den Eintritt Polens in die Europäische Union auf sich genommen haben. Erinnert Euch an die Bürgerplattform [PO, eine konservative Partei-d.Übers.], die PSL, Recht und Gerechtigkeit [PiS, eine rechtspopulistische Partei-der Übers.] und deren Personen und Gesichter, denn oft wechseln sie ihre Namen, die für diese Integration stehen.                                                    m

Roman Giertych (LPR) in der Sendung „Wieczorze Europejskim“ des 1TVP [öffentlich-rechtliches Fernsehens in Polen -d.Übers.]

Gazeta Wyborcza vom 9. Juni 2003 Übersetzung: Wulf Schade, Bochum