Der Tod des Zwangsarbeiters Andrzej Szablewski - eine Dokumentation

 Vor 60 Jahren wurde der polnische Zwangsarbeiter Andrzej Szablewski in Hamburg-Poppenbüttel hingerichtet.

 

Er traf 1940 in Deutschland ein und kam nicht freiwillig. Die deutsche Kriegswirtschaft brauchte ihn, weil die Arbeiter an der Front standen. Auf dem Gut Hohenbuchen in Hamburg-Poppenbüttel begegnete er Hildegard Lüdemann. Diese Begegnung hatte für beide grausame Konsequenzen. Die junge verheiratete Erntehelferin und Mutter eines kleinen Jungen musste  sich den Avancen des aufdringlichen Gutsverwalters Grimm erwehren. Der verschmähte Deutsche rächte sich, indem er der jungen Frau eine Affäre mit dem jungen polnischen Zwangsarbeiter Andrzej Szablewski anhängte. Beide wurden denunziert und verurteilt. Hildegard kam für drei Jahre in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück. Zuvor hatte die Gestapo von ihr ein Geständnis erpresst. Ihr damaliger Mann, der an der Front war, ließ sich von ihr scheiden, ohne mit ihr über die Anschuldigungen gesprochen zu haben. Hildegard Lütten (sie heiratete nach dem Krieg ein zweites Mal) hat nie eine Rehabilitation oder Entschädigung vom Nachkriegsdeutschland erhalten.

Andrzej Szablewski wurde zum Tode verurteilt. Völlig unschuldig wurde er am 13. März im Alter von 29 Jahren auf dem Gut Hohenbuchen in Hamburg-Poppenbüttel erhängt.

Wie oft sind die Täter noch stolz auf ihre Tat, erfüllten sie doch - wie sie es nennen - nur ihre „Pflicht“ als Deutsche. Als der Krieg verloren ist, schlagen sich viele in die Büsche und kommen ungeschoren davon. Anders im Fall Andrzej Szablewski. Es gibt einen Prozess, ohne den wir heute von dem Mord an dem jungen polnischen Zwangsarbeiter nichts wüssten, und der uns offenbart, wie leicht es war, einen missliebigen Menschen umzubringen. Die rass(ist)ischen Merkmale bestimmten über Leben und Tod. Die Täter erhalten durch den Prozess der britischen Besatzungsmacht ein Gesicht, und es ist erschreckend „normal“. Es ist so „normal“, wie der Hass auf Polen im deutschen Volk verbreitet gewesen ist. Dieser Hass war bereits im Kaiserreich und in der Weimarer Republik auf das schlimmste geschürt worden. So wurde möglich, was das Dritte Reich, was Deutsche dem polnischen Volk nach 1939 angetan haben. Die britische Besatzungsmacht verurteilte 1946 drei an der Hinrichtung Beteiligte zum Tode, darunter den Gutsverwalter Grimm.

Ohne die mühevolle und beeindruckende Recherche von Andreas Seeger wüssten wir heute nichts von alledem. Er bringt in Erinnerung, wohin eine Gesellschaft gerät, die sich der Menschenverachtung und Gleichgültigkeit gegenüber den Nöten des Mitmenschen verschreibt. „Sein Buch ist“, so der Leiter des Bezirksamtes Wandsbek in Hamburg, Gerhard Fuchs, im Nachwort, „keine angenehme, aber eine notwendige Lektüre. Wer da meint, es sei längst an der Zeit, zur Tagesordnung überzugehen, lese dieses Buch und sei daran erinnert, dass, wer so denkt und handelt, den Schatten des Dritten Reiches eher verlängert. Und wer so vorgeht, darf sich nicht wundern, wenn seine Nachfahren von der Geschichte eingeholt werden.“  Angesichts der heutigen Gesellschaft, in der es gegen die Gewaltverherrlichung in den Medien keine wirksame Verständigung mehr gibt, und in der Bildung und Erziehung (trotz gegenteiliger Behauptung der Politik) nicht mehr groß geschrieben werden, gewinnt diese Dokumentation eine sehr beunruhigende Aktualität.                                                                                                                         A.S.   m

Andreas Seeger, Der Tod eines Zwangsarbeiters, Donat Verlag 2003, 95 Seiten, 21 Abbildungen, 9,80 €, ISBN 3-934836-56-9