Der jüdische Friedhof in Kazimierz Dolny

Text und Fotos von Holger Politt

 

Bilder vom jüdischen Friedhof in Kazimierz? Wer würde da nicht an die alte Königsstadt Kraków denken, deren jüdisches Viertel mit gleichem Namen mittlerweile zu einem Anziehungspunkt für Touristen aus aller Welt geworden ist. Aber die Fotos stammen aus einem kleinen Ort viele Kilometer flussabwärts, dort wo die Lubliner Wojewodschaft allmählich in die flachen Landschaften Mazowszes überzugehen beginnt. Nirgends, so scheint es, kann die polnische Landschaft schöner sein. Der Ort, am Weichseldurchbruch und am Weichselknick gelegen, dort, wo der Strom die polnische Tiefebene erreicht und seinen Weg fortan bis Toruń hinauf in nordwestliche Richtung fortsetzt, hat sich vor allem auch wegen der exponierten landschaftlichen Lage zu einem Zentrum des Binnentourismus entwickelt. Mitte des 14. Jahrhunderts wurde das Stadt-recht verliehen und im Unterschied zur bekannten jüdischen Krakauer Vorstadt nannte der Ort sich eben Kazimierz Dolny. Als solcher spielte er lange Zeit eine besondere Rolle im Getreidehandel auf der Weichsel, denn von hier aus war der Weg frei nach Danzig. Laut Zählung aus dem Jahre 1791 gab es hier 25 Speicher, die der Stadt am Flusslauf ihr Gepräge gaben. Spätestens mit dem Anschluss Danzigs an Preußen war es mit der handelswirtschaftlichen Herrlichkeit vorbei – die Stadt ohne weitere strategische und sonstige Bedeutung fiel praktisch in eine Art Dornröschenschlaf. Den Reiz der in Stein und Holz erhaltenen, von einstiger Größe zeugenden Vergangenheit entdeckten am Anfang des vorigen Jahrhunderts Künstler – vor allem Maler. Heute ist Kazimierz Dolny tatsächlich eines der künstlerischen Zentren des Landes – entweder treibt man Tourismus oder man ist Maler, Zeichner, Fotograf. Der Anteil der Künstler an der Gesamteinwohnerzahl (einige wenig Tausend) dürfte übrigens der mit Abstand höchste in ganz Polen sein. Vielleicht wäre es nicht ganz falsch, Kazimierz ein polnisches Venedig zu nennen. Nicht der Größe und der Paläste wegen, das wäre vollkommen verwegen, sondern einfach deshalb, weil man genau hier noch einen passablen und – wenn man will - beinahe authentischen Einblick in die Zeit der Adelsrepublik bekommen kann. Etwa die Hälfte aller Einwohner der Stadt waren jüdische Bürger, ohne die das gesellschaftliche Leben in einer Handelsstadt der Rzeczpospolita nicht zu denken gewesen wäre. Wohl kaum einer der jüdischen Bewohner hat die Jahre 1939 bis 1945 überlebt. Sinnbild der Erinnerung an diesen Teil der Stadtgeschichte sind die alte Synagoge in Marktnähe und der jüdische Friedhof, etwas außerhalb der Stadt gelegen, dort wo der Weg hinauf zu dem wohl schönsten Blick auf den Strom der Polen führt.          m