Rechte Politiker benutzen Justiz gegen unliebsame Künstler

Von Karl Forster

Während in Salzburg in diesem Sommer Politiker gegen eine Kunstskulptur zu Felde ziehen und das Kunstwerk einmauern lassen, bemühte man in Polen in einem ähnlichen Fall gleich das Gericht. Dorota Nieznalska, Künstlerin aus Gdańsk, bekam von der Justiz die Quittung dafür, in dem katholischen Land mit dem Foto eines Penis in einer Installation “die Würde aller Gläubigen mit Füßen getreten” zu haben.

Während viele Menschen Kunstzensur in Polen gern mit der sozialistischen Zeit in Verbindung bringen, hat sich in den letzten Jahren das Klima für unabhängige Künstler deutlich verschlechtert. Ein erster Tiefpunkt war im Dezember 2000 erreicht, als der Sejmabgeordnete der rechten Polnischen Alianz (PP), Witold Tomczak, die Entfernung einer Skulptur von Maurizio Vattelan aus einer Ausstellung der Warschauer Galerie Zachęta erwirkte und erreichte, dass die Direktorin Anda Rottenberg entlassen wurde. Der Brief an Regierungschef und Kulturminister, in dem er verlangte, dass die Verletzung religiöser Gefühle vor Gericht gestellt werden solle, strotzte vor antisemitischen Ausfällen. Er hatte die Entlassung der “Angestellten jüdischer Abstammung” von ihrem Posten als Direktorin der Nationalgalerie verlangt und kommentierte, sie solle “besser in Israel als in Polen” Ausstellungen organisieren. Doch nicht genug, er ging am 21. Dezember 2000 selbst in die Ausstellung und beschädigte die umstrittene Skulptur. Diese Tat wirkte wie ein Signal. In den folgenden Monaten fanden sich in zahlreichen Städten örtliche Politiker und Medien, die im Zusammenhang mit zeitgenössischer Kunst von “Beleidigung von Kirche und Religion” und “öffentlicher Provokation” sprachen und Galerien wie Künstler beschuldigten, damit öffentliche Gelder zu verschwenden.

Im Falle Dorota Nieznalska waren es Anhänger der LRP (Liga der polnischen Familien), welche das Gericht bemühten. Unterstützung fanden sie dabei nach Presseberichten von Mitgliedern der “gesamtpolnischen Jugend”, einer nationalistischen Gruppierung mit deutlich neofaschistischen Tendenzen.

Hintergrund war die Installation der Künstlerin, bei der ein Foto eines Penis in Form eines griechischen Kreuzes sowie ein Video eines jungen Mannes beim Muskeltraining gezeigt wurde. Das von der Künstlerin “Passion” betitelte Werk sollte auf einen männlichen Masochismus als Preis für das Idealbild eines Männerkörpers hinweisen.

Der Staatsanwalt warf der Künstlerin vor, sie sage mit diesem Werk “Hier ist euer Kreuz, euer Glaube, seht hier, was ihr anbetet: das männliche Glied.“ Dies trete die Würde aller Gläubigen mit Füßen.

Dieser Einschätzung schloss sich das Gericht an. Richter Tomasz Zieliński: “In Polen steht das Kreuz direkt für das Martyrium Christi”. Zu allem Überfluss warf er der Künstlerin vor, eine Beleidigung aus niederen Motiven, nämlich des künstlerischen Erfolges wegen, inszeniert zu haben. Das Urteil: sechs Monate Sozialarbeit und 2000 Złoty Geldbuße.

Dieser Fall war anscheinend selbst Kirchenleuten zu durchsichtig. Pater Krzystof Niedaltowski aus Gdańsk kommentierte das Verfahren als Propagandamanöver der Polnische Familienliga, die durch den Prozess politisches Kapital schlagen wollte.

Die Künstlerin legte Rechtsmittel gegen das Urteil ein.                                                                                                                                                              m