Grenzen durch Bildung überwinden

1.Vernetzungstreffen zur politischen Bildungsarbeit in der deutsch-tschechisch-polnischen Region

Dorota Barwińska

 

Es ist allgemein bekannt, dass sich kein Land weiterentwickeln kann, wenn es die Kontakte und die Zusammenarbeit mit anderen Ländern, insbesondere mit direkten Nachbarn, meidet und in Isolation verfällt. Gemeinsame Projekte sind also einer der Wege, die gegenseitigen Kontakte zu bereichern und ihre Qualität zu verbessern. Unter dieser Prämisse fand das erste Vernetzungstreffen in der Bildungs- und Begegnungsstätte der Brücke-Most-Stiftung in Dresden statt und versammelte Teilnehmer(innen) aus Deutschland, Tschechien und Polen, die im Bereich der politischen und interkulturellen Bildungsarbeit tätig sind. Die Tagung war eine Veranstaltung der Bundeszentrale für politische Bildung und der Brücke-Most-Stiftung in Zusammenarbeit mit der Umweltbibliothek Großhennersdorf, der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung und dem Bildungswerk Weiterdenken in der Heinrich-Böll-Stiftung.

 

Ziel des Treffens war es, die bis jetzt auf diesem Gebiet gesammelten, Erfahrungen auszutauschen, Informationsdefizite abzubauen sowie darüber zu diskutieren, wie man in Zukunft enger kooperieren kann und wie sich die Arbeit angesichts der bevorstehenden EU-Erweiterung verändern könnte. Schon am ersten Tag bekamen die Teilnehmer die Gelegenheit zur Präsentation der eigenen Projekte und Institutionen. Das ermöglichte nicht nur ein gemeinsames Kennenlernen, sondern half auch, sich in kurzer Zeit mit professionell vorbereitenden Projekten und Menschen mit guten Ideen bekannt zu machen. Während des Treffens waren alle Generationen vertreten, wichtig aber scheint, dass unter den Teilnehmer eine hohe Anzahl junger und engagierter Leute war.

Die Plenumsveranstaltung begann mit den Vorträgen von Prof. Dr. Anna Schwarz (Universität Frankfurt/Oder) und Prof. Vaclav Houžvièka (Universität Usti nad Labem), die über die Wahrnehmung der Nachbarn angesichts der EU-Erweiterung sprachen. Die EU-Osterweiterung ist das derzeit meist besprochene Thema. Das neue Europa wird sich in der nächsten Zeit deutlich nach Osten verschieben. Einerseits weckt das die Hoffnung auf die bessere Zusammenarbeit zwischen denen, die diese Grenzen schon überwunden haben. Anderseits weckt dieser Umstand Ängste bei denen, die die Erweiterung als multiple Gefährdung empfinden. Mit dem vorgesehenen EU-Beitritt Polens wurden aber generell große Erwartungen betreffs einer Verbesserung des Lebens verbunden. In der Diskussion wurde über Chancen, aber auch Probleme die die EU-Erweiterung für die Bürger in Polen und der Tschechische Republik mit sich bringt, geredet. Ein „Bunter grenzüberschreitender Abend“ hat den Tag des gemeinsamen Kennenlernens gekrönt. Tschechien und Polen hatten alle möglichen Köstlichkeiten aus ihren eigenen Ländern mitgebracht, um auch auf diese Art und Weise den grenzüberschreitenden Austausch zu verwirklichen.

In interessanten Vorträgen wurden durch die Referenten Milan Horaèek (Heinrich Böll Stiftung Prag) und Dr. Krzysztof Wojciechowski (Collegium Polonicum) die Besonderheiten der politischen Bildungsarbeit im Grenzgebiet dargestellt. Die lebendige Rede von Dr. Wojciechowski, in der er erzählte, wie die Deutschen in Polen gesehen werden, hat großen Widerspruch bei Herrn Horaèek hervorgerufen; die anschließende Diskussion beschäftigte sich längere Zeit mit diesen Vorurteilen. Die zweite angeschnittene Problematik war die Zusammenarbeit zwischen Polen und Tschechen, oder vielmehr der Mangel solcher Kontakte. Es gelang aber nicht, die Gründe für das Desinteresse an einer Zusammenarbeit zu finden.

Die Tagung gab auch die Möglichkeit, in drei Workshops zu arbeiten und sich mit folgenden Themen auseinanderzusetzen:

1. Geschichte als Problem und als Chance

2. Förderung und Politik

3. Kompetenzzentren, Netzwerke, Europaregion.

In den Diskussionen berief man sich öfters auf die Geschichte. Dabei konnte man bemerken, dass die Auseinandersetzung mit der Geschichte bei Tschechen und Polen deutlich wichtiger für die eigene Identitätsbildung als für die Deutschen war. Es war auch zu sehen, dass die beiden Länder mehr Interesse an Deutschland zeigen, als es umgekehrt der Fall ist.

Das Vernetzungstreffen hat gezeigt, dass Möglichkeiten bestehen, die auch durch das große Interesse und Engagement bestätigt werden, einen Austausch im schulischen wie im außerschulischen Bereich zu organisieren und zu stabilisieren. Einer von den Organisatoren (Jens Hommel, Bildungswerk Weiterdenken) sagte: „Wir können nicht darauf warten, dass der Staat, große Stiftungen oder Vereinigungen die Initiative ergreifen. Wir können es nur wechselseitig selber tun. Das Potential dafür ist in den Menschen vorhanden. Aus den vielen Kontakten müssen über konkrete gemeinsame Projekte und Kooperationen Tatsachen geschafft werden, die Ausstrahlung entwickeln.“

Von den Teilnehmern wurde die Tagung als sehr interessant eingeschätzt. Dabei wurden besonders die geknüpften Kontakte gewürdigt. Der Reichtum an Erlebnissen und Erfahrungen werde durch diese Begegnung vergrößert. Weil ein erfolgreiches Zusammentreffen etwas mehr anstreben soll, als dass man nur an einem Ort gemeinsam anwesend ist, wurde hervorgehoben, dass das Treffen im eigentlichen Sinne erst dann beginnt, wenn gegenseitige persönliche Beziehungen und Bindungen entstehen und der Dialog aufgenommen wird. Ein Treffen hat dann nachhaltige positive Auswirkungen, wenn die Beziehungen gepflegt werden und der Dialog fortgesetzt wird.

Man kann sich jetzt nur wünschen, dass nun lebendige Netzwerke, Dienstleistungszentren in Sachen politischer, historischer und kultureller Europabildung entstehen, die die Bildungsarbeit verstärken.