10 Jahre Schulpartnerschaft zwischen Kirchberg und Bielsko-Biała

Schulpartnerschaft als interkulturelle Erziehung

Von Dr. Michael Knoll

 

Der Austausch zwischen der Schloß-Schule Kirchberg und dem V. Lyceum von Bielsko-Biała ist eine der dauerhaftesten, intensivsten und umfassendsten Partnerschaften, die zwischen einer polnischen und einer deutschen Schule existiert. In den vergangenen zehn Jahren wurden 20 Begegnungen durchgeführt, an denen insgesamt mehr als 800 deutsche und polnische Schülerinnen und Schüler beteiligt waren. Außerdem besuchten in dieser Zeit sieben der besten Deutschschüler von Bielsko-Biała als Adolf-Zoellner-Stipendiaten das Kirchberger Internat; vier Lehrer unterrichteten für mehrere Wochen an der jeweiligen Partnerschule und zahlreiche Teilnehmer trafen sich inoffiziell in den Ferien, um ihre Freundschaft zu vertiefen. Anlässlich des 10-jährigen Jubiläums ging der Rektor der Schule, Dr. Michael Knoll, auf die pädagogischen Grundideen dieser Partnerschaft ein.

 

Partnerschaften zwischen Schulen unterschiedlicher Länder sind Teil eines Bemühens, das man in der Pädagogik interkulturelle Erziehung nennt. Interkulturelle Erziehung ist kein neumodischer Schnickschnack. Sie ist entstanden aus einem doppelten Bewusstsein: Zum einen, dass die Welt durch internationale Kommunikations-, globale Wirtschafts- und weltweite Migrationsprozesse immer näher zusammenrückt, und zum zweiten, dass trotz der Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges Nationalismus, Rassismus und Fundamentalismus weiterexistieren und immer wieder zu Krisen, Konflikten und Kriegen führen.

Interkulturelle Erziehung ist kein Unterrichtsfach, sondern ein Unterrichtsprinzip, das dem Konzept des sozialen Lernens verpflichtet ist und durch Brieffreundschaften, Sportfeste, Schülerpartnerschaften, Auslandsfahrten und grenzüberschreitende Projekte versucht, insbesondere drei Grundsätze zu verwirklichen:

            1. Die Erziehung zur Empathie: Sie zielt darauf ab, den anderen verstehen zu lernen, sich in ihn hineinversetzen zu können, seine Probleme mit seinen Augen zu sehen und Sympathie mit ihm zu empfinden.

            2. Die Erziehung zur Toleranz: Sie besteht darin, andere Prinzipien, Verhaltensweisen und Lebensformen wohlwollend zu prüfen und sie zu achten und zu akzeptieren, solange die fremden Positionen, Normen und Werte nicht den Grundsätzen des demokratischen Zusammenlebens widersprechen.

            3. Die Erziehung zur Solidarität: Sie will ein Gemeinschaftsbewusstsein entwickeln, das über die Grenzen von Ethnien, Religionen und Kulturen hinwegreicht und zum Abbau von sozialen Ungleichheiten und sozialen Ungerechtigkeiten beiträgt.

Diese Grundsätze zu verwirklichen, ist nicht einfach. Die interkulturelle Erziehung enthält - wie jede Pädagogik - ein utopisches Moment. Sie kann ihre hohen Ziele unter den bestehenden gesellschaftlichen Bedingungen allenfalls in Teilen und kleinen Schritten verwirklichen. Einen ersten Schritt zur Verständigung und direkten Auseinandersetzung mit fremden Ländern und Kulturen haben wir getan. Die Partnerschaft zwischen der Schloß-Schule Kirchberg und dem V. Lyceum Bielsko-Białla geht nun in ihr elftes Jahr. Während dieser Zeit sind viele Beziehungen und Freundschaften entstanden, hat sich im kleinen etwas entwickelt was man eine multikulturelle Zivilgesellschaft nennen kann, in der sich die Akzeptanz unterschiedlicher Einstellungen und Lebensweisen mit der Verpflichtung auf einen gemeinsamen menschenrechtlichen Konsens verbindet.

Wir haben ein großes Interesse an dem Fortbestehen des Austauschs und ich werde mich zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen darum bemühen, dass unsere Partnerschaft weiterhin blüht und gedeiht. Möge unser Verständnis füreinander wachsen und sich zum Wohle unserer Schulen, zum Fortschritt unserer Länder und zum Frieden in Europa und in der Welt auswirken.                                

 

Die drei Säulen

Die Partnerschaft, die die Schloß- Schule Kirchberg mit dem V. Lyceum in Bielsko-Bia³a unterhält, steht auf drei Säulen:

- Schüleraustausch

Im Frühsommer eines jeden Jahres fahren die 11. Klässler der Schloß-Schule für zehn bis zwölf Tage nach Bielsko-Bia³a. Im Herbst desselben Jahres erfolgt dann der Gegenbesuch.

- Adolf-Zoellner-Stipendium

Am Ende des Schuljahres erhält der beste Deutschschüler des V. Lyceums von der Schloß-Schule ein Vollstipendium, um für vier bis sechs Wochen in Kirchberg den Unterricht zu besuchen und seine Kenntnisse der deutschen Sprache, Kultur und Lebensweise zu vertiefen.

- Lehreraustausch

Gelegentlich weilt ein Mitglied des Kollegiums für zwei bis vier Wochen an der jeweiligen Partnerschule als Gastlehrer. Die Lehrerinnen und Lehrer lernen dort aus erster Hand nicht nur eine fremde Kultur und Sprache, sondern auch ein anderes Schul- und Internatssystem kennen.