20 Jahre POLEN und wir

Von Antje Jonas und Wulf Schade

 

Vor 20 Jahren beschloss der Vorstand der Deutsch-Polnischen Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland die Vierteljahreszeitschrift POLEN und wir herauszugeben. In der ersten Zeit hieß der Untertitel bescheiden: „Mitteilungen der Deutsch-Polnischen Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland“; ab der Ausgabe 1/1987 lautete er dann: „Zeitschrift für deutsch-polnische Verständigung“. Mit dieser Änderung wurde deutlich gemacht: Die Zeitschrift hatte sich längst emanzipiert. Sie war aus einem Organ für die Mitglieder der Deutsch-Polnischen Gesellschaft zu einer Zeitschrift der Gesellschaft geworden, die unbedingt  in die bundesdeutsche Gesellschaft hineinwirken wollte. Einen großen Anteil an dieser Entwicklung hatten die ersten beiden Verantwortlichen für die Zeitschrift: Uki Würzner, die damalige Geschäftsführerin der Gesellschaft, und Karl Forster, als Verantwortlicher für die Endredaktion und das Lay-out. 1987 übernahm dann Karl Forster auch die presserechtliche Verantwortung, die er bis 1992 inne hatte. Ihm folgte für fast drei Jahre Harri Czepuk aus Ostdeutschland, Vorstandsmitglied der Gesellschaft für gute Nachbarschaft zu Polen, die heute der Regionalverband der Deutsch-Polnischen Gesellschaft für Ostdeutschland ist. Auch die Nachfolgerin, Christa Hübner, war und ist Mitglied der Gesellschaft für gute Nachbarschaft. Seit der Ausgabe 1/1997 tragen die beiden AutorInnen dieses Artikels die Verantwortung für POLEN und wir.

 

Während Ukki Würzner und Karl Forster die Verantwortung in der Zeit der großen Umbrüche trugen, führten Harri Czepuk und Christa Hübner die Zeitschrift in der schwierigen Zeit der gesellschaftlichen Umstrukturierungen und Neuorientierungen sowohl zwischen den beiden Staaten als auch in der polnischen Gesellschaft selbst. Beide Prozesse dauern  heute noch an. Es war sicher nicht immer leicht und es ist auch heute längst nicht immer leicht, unter den Mitgliedern wie auch in der bundesdeutschen Leserschaft ein positives Interesse an Polen und den dort lebenden Menschen zu wecken und zu erhalten. Geholfen haben dabei, das gilt es mit großer Dankbarkeit festzuhalten, die zahlreichen Autorinnen und Autoren, die allesamt unentgeltlich die Zeitschrift unterstützt und inhaltlich mitgetragen haben! An dieser Stelle sei stellvertretend für alle anderen  an unsere beiden langjährigen  Mitarbeiter Hans Kumpf und Udo Kühn erinnert, die zur Zeit aus gesundheitlichen Gründen leider nicht mitarbeiten können.

POLEN und wir versteht sich, wie es der Untertitel ausdrückt, als Zeitschrift für deutsch-polnische Verständigung. Deshalb tritt sie seit Beginn ihres Erscheinens kompromisslos für die Existenz Polens in den heutigen Grenzen ein. Sie wird auch weiterhin darauf achten, dass jedwede Ansprüche an den polnischen Staat oder seine Bürgerinnen und Bürger, die ihre Grundlage in der Nichtanerkennung der Neuordnung Mittel- und Osteuropas als Ergebnis des Zweiten Weltkrieges finden, zurückgewiesen werden; diese Position bestand und besteht unabhängig von dem historischen Tatbestand der Existenz einer bestimmten Gesellschaftsordnung in Polen. Dabei betrachtet sich POLEN und wir nicht als Teil der offiziellen Polenpolitik der Bundesrepublik Deutschland, sondern außerhalb dieser stehend als kritische Beobachterin und Kommentatorin. POLEN und wir sieht eine wirkliche Verständigung mit Polen nur als möglich an, wenn sie unabhängig von staatlichen oder wirtschaftlichen Interessen angestrebt wird. Ausgangspunkt muss der Wille zu einem friedlichen Miteinander sein. Jahrzehnte währende Vorurteile zwischen den Menschen der beiden Staaten können nur überwunden werden, wenn das Wissen übereinander an die erste Stelle rückt. Das bedeutet  nicht, dass der zwischenstaatliche Stand der Beziehungen gleichgültig wäre. Eine auf Gleichberechtigung basierende gute Beziehung zwischen den beiden Staaten dient dem Frieden in Europa und ist für einen Abbau der Vorurteile auf beiden Seiten und damit für ein Miteinander auf der Basis gegenseitiger Akzeptanz unbedingt förderlich.

Die letzten 10, 12 Jahre der staatlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Polen haben gezeigt, dass die Schwierigkeiten miteinander nicht in den früher unterschiedlichen gesellschaftlichen Systemen beheimatet sind, sondern unabhängig davon bestehen. Wie sollte man sich sonst die Heftigkeit der Auseinandersetzung wegen des „Zentrums gegen Vertreibungen“ mehr als zehn Jahre nach der politischen Wende erklären? Was in dieser von deutscher Seite – und das wahrlich nicht alleine vom Bund der Vertriebenen – losgetretenen Auseinandersetzung deutlich wird, ist die Tatsache, dass die alten in den preußischen Traditionen liegenden Bestrebungen in großen Teilen der deutschen Politik immer noch wirksam sind. Dieser nach Großmacht strebenden Politik ist es völlig gleichgültig, welches gesellschaftlich-politische System in Polen herrscht. Oder will  wirklich jemand ernsthaft behaupten, dass beispielsweise die Ansprüche Deutschlands auf die ehemaligen deutschen Ostgebiete nicht vorhanden gewesen wären, wenn Polen direkt nach dem II. Weltkrieg ein bürgerlich-demokratisches Land geworden wäre? Hätten dann die Vertriebenenverbände und die Mehrheit der deutschen Parteien einschließlich der SPD korrekterweise festgestellt: „Jawohl, die Abtretung der ehemaligen deutschen Gebiete an Polen ist berechtigt, denn wer solch einen Krieg führt, muss sich nicht wundern, wenn er dafür bezahlen muss! Darüber hinaus ist sie auch auf Grund des Potsdamer Abkommens international rechtens!“?

Genau diese Position in Deutschland deutlich auszusprechen und konsequent zu vertreten, ist eine der wichtigsten Aufgaben von POLEN und wir! 

POLEN und wir ist keine Zeitschrift, die sich an die Menschen in Deutschland und Polen gleichermaßen wendet. Sie wendet sich vorwiegend an die in Deutschland lebenden Bürgerinnen und Bürger, um hier gegen „historisch“ abgeleitete deutsche Ansprüche an Polen einzutreten und die Hintergründe für Vorurteile, Missachtung und Verachtung gegenüber den Menschen in Polen aufzuzeigen, um auf diese Weise dazu beizutragen, diese Mentalitäten  abzubauen. Dabei ist die bereits angeführte Unabhängigkeit gegenüber jedweder staatlichen Politik notwendig. Wenn wir auch in all den Jahren des Bestehens unserer Zeitschrift die deutsche Polenpolitik immer wieder kritisch beobachtet und kommentiert haben, stimmen wir aber nicht automatisch und eindimensional der Politik des polnischen Staates zu. So ist es uns beispielsweise niemals eingefallen, die Berechtigung der Zugehörigkeit der ehemaligen deutschen Ostgebiete zu Polen von der These des urpolnischen Bodens abzuleiten.

Soweit POLEN und wir nach Polen geliefert wird, geschieht das - wenn man so will - zur reinen  Information. Es käme einer Bevormundung der polnischen Bürgerinnen und Bürger gleich, würden wir unsere Arbeit als einen Beitrag zur Aufklärung der Polen über das, was richtig ist, betrachten. Wenn wir die polnische Bevölkerung belehrende Meinungen in unserer Zeitschrift, wie beispielsweise auch in dieser Ausgabe mittels eines Interviews mit dem deutschen Historiker Peter Chmiel, veröffentlichen, dann zielt der Abdruck eines solchen Textes einzig und allein darauf, unseren Leserinnen und Lesern zu ermöglichen, einen komplexen Sachverhalt insgesamt besser zu verstehen.

Der zweite Schwerpunkt in der Arbeit der Redaktion besteht heute darin, die aktuellen Diskussionen und Entwicklungen in Polen zu beobachten und den deutschen Leserinnen und Lesern nahe zu bringen. Sie sollen verstehen, was in Polen geschieht und die unterschiedlichen Argumentationslinien der verschiedenen gesellschaftlichen Kräfte  kennen lernen. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Meinungen uns genehm sind oder nicht. Es soll vielmehr deutlich werden, dass es in Polen zu den verschiedenen Themen in den allermeisten Fällen kontroverse Diskussionen in der breiten Öffentlichkeit gibt;  nur so kann Pauschalwertungen, die z.B. im Falle des Irakkriegs hierzulande lauteten, dass Polen den Krieg der USA unterstütze, der Boden entzogen werden. Wir wollen mit der Dokumentation der verschiedenen Positionen herrschende Stereotype in Deutschland über Polen in Frage stellen.

Die Entscheidung, was als Schwerpunkt bearbeitet wird, leitet sich häufig aus der Beobachtung der veröffentlichten Meinung in Deutschland ab. Mit der Dokumentation der Diskussion um die Besetzung von Katowice  im Jahr 1939  z. B., die in dieser Ausgabe zu finden ist, geht es uns nicht darum herauszufinden, welche Version richtig ist, die polnische oder die deutsche, sondern darum aufzuzeigen, wie offen in Polen über die eigene Geschichte diskutiert wird. Wenn man die öffentliche Meinung in Polen tatsächlich verfolgt und nicht nur die Leitartikel liest, stellt man sehr schnell fest, dass die Meinungsvielfalt sehr groß ist und dass man sich sehr oft näher an der Seite des einzelnen polnischen Bürgers findet als an der Seite einer der beiden Regierungen.

Einen dritten Schwerpunkt sehen wir in der Öffnung der Zeitschrift für einzelne Erfahrungsberichte über deutsch-polnische Begegnungen, kulturelle Veranstaltungen und über die Arbeit anderer deutsch-polnischer Gesellschaften und Initiativen. Hier kommen, wenn irgend möglich, Personen zu Wort, die sonst fast keine Möglichkeit haben, ihre Erfahrungen mitzuteilen. Erfreulich dabei ist, dass sich daraus bereits einige male Kontakte entwickelt haben. Hier wie leider auch bei der kontinuierlichen journalistischen Darstellung der zeitgenössischen Kunst und Kultur in Polen gibt es noch erhebliche Reserven. Kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die aktuell aus Polen über Theater, Film, Musik und Literatur berichten könnten, haben wir bislang noch nicht finden können. Hier besteht weiter eindeutig Handlungsbedarf. Die Qualität der Beiträge unserer Autoren über das polnische  oder polnisch- deutsche Kulturspektrum bzw. die polnische Literatur und ihre Geschichte steht dabei aber wohl außer Frage.

Die Arbeit von POLEN und wir wird anerkannt. So gibt es nahezu keine Probleme, Artikel aus anderen Zeitungen kostenlos nachzudrucken. Das gilt auch für Artikel aus der polnischen Presse, die wir übersetzen. Die direkten Kontakte mit unseren Leserinnen und Lesern, per Telefon, e-mail oder Brief,  zeigen  deutlich, dass die Arbeit von POLEN und wir geschätzt wird. Wir sind dabei immer offen für konstruktive Kritik und freuen uns aufrichtig über jede Rückmeldung und jedes Angebot zur Mitarbeit.

Sie als Leserinnen und Leser von  POLEN und wir haben eindrucksvoll bewiesen, wie aktuell  und notwendig unsere Zeitschrift als Forum der deutsch- polnischen Verständigung war und weiterhin ist. Ihr Interesse an dieser Verständigung mit Polen hat die Zeitschrift 20 Jahre lang bestehen lassen. Auch künftig werden wir in unserer Zeitschrift die polnischen und deutschen und gesamteuropäischen Zeitläufe abbilden. Ihre Lektüre und Mitarbeit weiterhin vorausgesetzt, sollten auch die nächsten Jahrgänge von POLEN und wir sich als aktuell und notwendig erweisen können.

 

 

Redaktion der Zeitschrift “Polen und wir

 

Liebe Freunde,

zu Ihrem Jubiläum möchten wir Ihnen und allen Mitarbeitern ganz herzlich gratulieren und Ihnen unsere besten Wünsche für die Fortführung Ihrer intensiven Arbeit aussprechen. Im Kontext der deutsch-polnischen Beziehungen kann man den Wert Ihrer Arbeit nicht überschätzen.

Ihre Beiträge sind für uns stets von großem Interesse und komlettieren die Arbeit zahlreicher Institutionen und Menschen, die in der deutsch-polnischen Zusammenarbeit tätig sind. Dank Ihrer kompetenten Herangehensweise an die verschiedenen Themenbereiche wird die polnische Sicht auf den deutschen Nachbarn wie auch das Polenbild der Deutschen wesentlich und positiv beeinflußt. Das ist ein wichtiger Beitrag für ein gegenseitiges Verständnis.

Wir wünschen Ihnen Kraft und Entschlossenheit für die Fortsetzung Ihrer Arbeit.

Mit herzlichen Grüßen

Leszek Szuster

(Direktor der Internationalen Jugendbegegnungsstätte in Owiêcim/Auschwitz)

 

 

Redaktion der Zeitschrift POLEN und wir

 

Liebe Freunde

wir möchten Euch herzlich anlässlich des 20jährigen Jubiläums des Erscheinens Eurer Zeitschrift gratulieren. Wir schauen auf Euer Werk mit Bewunderung und Anerkennung, das umso mehr, weil Eure Zeitschrift eine Fortführung früherer Aktivitäten und Publikationen darstellt, die unternommen worden sind, um einen Beitrag zur gegenseitigen Verständigung und Annäherung von Deutschen und Polen zu leisten. (...)

Die demokratischen Veränderungen im östlichen Teil Europas erleichtern Eure und unsere Tätigkeit, aber gerade heute sieht man, dass diese Arbeit weiterhin sehr notwendig ist. Es reichen einige unvorsichtige Äußerungen oder ein eigentlich normaler Meinungsunterschied zu einer Frage der aktuellen Politik aus, und auf beiden Seiten der Grenze sind wieder Stimmen zu hören, die entweder von deutscher Raubpolitik oder von polnischer Unverantwortlichkeit sprechen.

Man muss also weiter übersetzen, erklären und überzeugen oder auch direkt Bedingungen für Treffen und Gespräche schaffen. Ihr macht das seit Jahrzehnten so hervorragend, dass seit einigen Jahren polnisch-deutsche Gesellschaften in Polen bestrebt sind, aus eurem Beispiel Nutzen zu ziehen. Als eine der ältesten polnisch-deutschen Gesellschaften bekennen wir uns gerne dazu und hoffen auf viele Jahre weiterer guter Zusammenarbeit.

Mit herzlichen Grüßen

Polnisch-Deutsche Gesellschaft Rzeszów

Dr. Wojciech Furman (Vorsitzender)