Grenznaher
Tourismus
Von
Auf der jährlichen großen Tourismusmesse in Berlin präsentiert sich
Polen, als ob es ein Reiseland erster Klasse wäre. Eine ganze Halle steht zur
Verfügung; jede Wojewodschaft sowie jede größere Stadt hat einen eigenen Stand
mit teuren Hochglanzbroschüren, die für den Urlaub im Nachbarland werben. Doch
das Reiseverhalten der Deutschen sieht anders aus. Der größte Teil der
Einreisen nach Polen kann nicht wirklich dem Tourismus zugerechnet werden. Es
sind Tagesbesucher zu den Märkten kurz hinter der Grenze: Einkaufen, tanken,
evtl. noch Haare schneiden und etwas essen. Das ist zumeist das ganze Programm.
Dabei werden auf den Märkten längst nicht nur Euro angenommen, sondern die
Preise ausschließlich in Euro kalkuliert. Will man mit Złoty bezahlen,
folgt oft ein umständliches Umrechnungsritual. Auch das Warenangebot ist
speziell auf den deutschen Käufer ausgerichtet. Die Tankstellen haben
inzwischen – servicebewusst – deutsche Arbeitskräfte
eingestellt, um erst gar kein Sprachproblem aufkommen zu lassen. Doch dass das nicht wirklich Polen ist, erkennen viele Menschen
dabei nicht. Ihnen reicht der
Einkaufsbummel; Interesse an dem Land kann so nicht entstehen.
Dieses Desinteresse wirkt sich
auch auf die Angebote der Eisenbahn aus. Zwei große Strecken wurden von der
Deutschen Bahn AG und der PKP mit schnellen Zügen ausgestattet. Da gibt es zum
einen die Trasse Berlin-Krakow mit dem IC Wawel und
zum anderen die Verbindung zwischen den beiden Hauptstädten mit dem Berlin-Warschau-Express. Doch beide Strecken sind längst
zum Sorgenkind der Bahnen geworden. Die für die Polen viel zu teuren Strecken
werden von ihnen schon länger gemieden. Busse verkehren umständlicher und länger, dafür aber sind sie
billiger. Deutsche Besucher setzen auf den PKW. So bleiben die Züge weitgehend leer. Ein Sprecher der Deutschen
Bahn AG sagte kürzlich, dass beide Verbindungen
stillgelegt werden müssten, da sie sich nicht mehr
rechneten. Auf der Warschauer Strecke
hat man es in den Monaten Februar/März mit einem Sonderangebot versucht: für 29
Euro pro Strecke in der 2. Klasse nach Warschau oder zurück. Anders die
Verbindung nach Krakau. Nachdem die Deutsche Bahn den Zug von Hamburg über Berlin
und Cottbus verkehren lässt, ist durch die Lausitz-Strecke
die Fahrzeit deutlich verlängert worden. War man früher um 17.30 Uhr in Krakau,
kommt man jetzt erst um 19.30 Uhr an. Die Rückreise am nächsten Morgen beginnt
dann bereits so früh, dass Anschlüsse aus Südost-Polen
den Zug in Krakau nicht mehr erreichen. Diese Reisenden müssen den Umweg über
Warschau fahren, was eine deutlich längere Fahrtdauer und eine Erhöhung des
Fahrpreises mit sich bringt.
Einen anderen Weg will die
Regionaltochter der Deutschen Bahn, die DB-Regio,
gehen. Hier hat man erkannt, dass vor allem die
Kurzreisen in die attraktive Gegend gleich hinter der Grenze eine Möglichkeit
sind, den Tourismus anzukurbeln. So kann man jetzt mit dem Verbund-Ticket von
Berlin bis Stettin fahren. Aber auch andere Strecken werden mit neuen Angeboten
versorgt, so das Lebuser Land (Lubuskie) mit Zielona Góra und Gorzów. Im vergangenen Jahr wurde sogar eine Sonderzugreise
nach Kołobrzeg angeboten. Mit großem Aufwand
wurde die eingleisige Strecke mit Direktzügen aus Berlin angefahren, als
Tagesfahrt oder mit einer oder zwei Übernachtungen. Das Angebot erwies sich als
ein Renner. Schon wenige Tage nach Beginn des Kartenverkaufs war alles
ausgebucht! Am Zielort hatte man sich große Mühe gegeben, einen besonderen
Empfang zu organisieren - Stadtpräsident, Bahnvorstand und Folkloregruppe waren
präsent. Ko³obrzeg ist eine Stadt mit einigen wenigen Sehenswürdigkeiten, vor
allem aber besitzt sie mit der Strandpromenade sowie den vielen Cafés und
Kureinrichtungen alles, was man zur Erholung braucht. Nicht zu vergessen den langen Sandstrand. Ohne Geschäfte und
Touristenrummel lädt er zur naturnahen Erholung ein. Nur wenige Meter vom
Strand entfernt steht das Hotel Hansa, ein Haus, für das wir Werbung machen wollen.
Der Chef des Hauses ist Kunstschmied. Ruhige Zimmer und Appartements sowie eine
besonders freundliche Bewirtung zeichnen dieses Haus aus (ab 25 € pro Nacht).
Wer weniger Lust auf die Ostsee
hat, ist im Lebuser Land gut aufgehoben. Nahe Kostrzyn
findet man im Nationalpark Wartemündung das Słonsk
Natur Reservat mit einer einzigartigen Vogel-Population. Naturschützer haben
hier die „Republik der Vögel” ausgerufen; Besucher erhalten gegen eine Spende
einen Pass, der zugleich die Verhaltensregeln im
Naturschutzgebiet enthält. Über 240 Vogelarten kann man hier beobachten, 130
von ihnen brüten auch hier. Viele von ihnen sieht man in so großen Zahlen wie
kaum an anderen Plätzen Europas. 2500 Kraniche zählt man hier, ca 78.000 Wildenten und über 180000 Gänse. Im Winter kann
man hier eine große Anzahl von Adlern finden.
Wer städtisches Leben bevorzugt,
der ist in der Wojewodschafts-Hauptstadt Zielona Góra gut aufgehoben. Sie
ist die einzige Stadt Polens mit „Weinbaugeschichte“. Auf dem Hügel am Rande
der Altstadt findet man auch heute noch Weinreben. Aber angebaut wird der Wein
seit wenigen Jahren nicht mehr. Dabei überlegt man, ob man nicht doch, dem
Berliner „Kreuzberg“-Beispiel folgend, wenigstens
eine kleine Menge ausbauen und bei offiziellen Gelegenheiten verschenken sollte.
Sehenswert zumindest ist das Weinbau-Museum in der Altstadt.
Zunehmend wird das Lebuser Land ein attraktives und schnell erreichbares Naherholungsgebiet für Berlin.