Grenznaher Tourismus

Von Karl Forster und Ulrike Höck

 

Auf der jährlichen großen Tourismusmesse in Berlin präsentiert sich Polen, als ob es ein Reiseland erster Klasse wäre. Eine ganze Halle steht zur Verfügung; jede Wojewodschaft sowie jede größere Stadt hat einen eigenen Stand mit teuren Hochglanzbroschüren, die für den Urlaub im Nachbarland werben. Doch das Reiseverhalten der Deutschen sieht anders aus. Der größte Teil der Einreisen nach Polen kann nicht wirklich dem Tourismus zugerechnet werden. Es sind Tagesbesucher zu den Märkten kurz hinter der Grenze: Einkaufen, tanken, evtl. noch Haare schneiden und etwas essen. Das ist zumeist das ganze Programm. Dabei werden auf den Märkten längst nicht nur Euro angenommen, sondern die Preise ausschließlich in Euro kalkuliert. Will man mit Złoty bezahlen, folgt oft ein umständliches Umrechnungsritual. Auch das Warenangebot ist speziell auf den deutschen Käufer ausgerichtet. Die Tankstellen haben inzwischen – servicebewusst – deutsche Arbeitskräfte eingestellt, um erst gar kein Sprachproblem aufkommen zu lassen. Doch dass das nicht wirklich Polen ist, erkennen viele Menschen dabei  nicht. Ihnen reicht der Einkaufsbummel; Interesse an dem Land kann so nicht entstehen.

 

Dieses Desinteresse wirkt sich auch auf die Angebote der Eisenbahn aus. Zwei große Strecken wurden von der Deutschen Bahn AG und der PKP mit schnellen Zügen ausgestattet. Da gibt es zum einen die Trasse Berlin-Krakow mit dem IC Wawel und zum anderen die Verbindung zwischen den beiden Hauptstädten mit dem Berlin-Warschau-Express. Doch beide Strecken sind längst zum Sorgenkind der Bahnen geworden. Die für die Polen viel zu teuren Strecken werden von ihnen schon länger gemieden. Busse verkehren  umständlicher und länger, dafür aber sind sie billiger. Deutsche Besucher setzen auf den PKW. So bleiben die Züge  weitgehend leer. Ein Sprecher der Deutschen Bahn AG sagte kürzlich, dass beide Verbindungen stillgelegt werden müssten, da sie sich nicht mehr rechneten.  Auf der Warschauer Strecke hat man es in den Monaten Februar/März mit einem Sonderangebot versucht: für 29 Euro pro Strecke in der 2. Klasse nach Warschau oder zurück. Anders die Verbindung nach Krakau. Nachdem die Deutsche Bahn den Zug von Hamburg über Berlin und Cottbus verkehren lässt, ist durch die Lausitz-Strecke die Fahrzeit deutlich verlängert worden. War man früher um 17.30 Uhr in Krakau, kommt man jetzt erst um 19.30 Uhr an. Die Rückreise am nächsten Morgen beginnt dann bereits so früh, dass Anschlüsse aus Südost-Polen den Zug in Krakau nicht mehr erreichen. Diese Reisenden müssen den Umweg über Warschau fahren, was eine deutlich längere Fahrtdauer und eine Erhöhung des Fahrpreises mit sich bringt.

Einen anderen Weg will die Regionaltochter der Deutschen Bahn, die DB-Regio, gehen. Hier hat man erkannt, dass vor allem die Kurzreisen in die attraktive Gegend gleich hinter der Grenze eine Möglichkeit sind, den Tourismus anzukurbeln. So kann man jetzt mit dem Verbund-Ticket von Berlin bis Stettin fahren. Aber auch andere Strecken werden mit neuen Angeboten versorgt, so das Lebuser Land (Lubuskie) mit Zielona Góra und Gorzów. Im vergangenen Jahr wurde sogar eine Sonderzugreise nach Kołobrzeg angeboten. Mit großem Aufwand wurde die eingleisige Strecke mit Direktzügen aus Berlin angefahren, als Tagesfahrt oder mit einer oder zwei Übernachtungen. Das Angebot erwies sich als ein Renner. Schon wenige Tage nach Beginn des Kartenverkaufs war alles ausgebucht! Am Zielort hatte man sich große Mühe gegeben, einen besonderen Empfang zu organisieren - Stadtpräsident, Bahnvorstand und Folkloregruppe waren präsent. Ko³obrzeg ist eine Stadt mit einigen wenigen Sehenswürdigkeiten, vor allem aber besitzt sie mit der Strandpromenade sowie den vielen Cafés und Kureinrichtungen alles, was man zur Erholung braucht.  Nicht zu vergessen den  langen Sandstrand. Ohne Geschäfte und Touristenrummel lädt er zur naturnahen Erholung ein. Nur wenige Meter vom Strand entfernt steht das Hotel Hansa, ein Haus, für das wir Werbung machen wollen. Der Chef des Hauses ist Kunstschmied. Ruhige Zimmer und Appartements sowie eine besonders freundliche Bewirtung zeichnen dieses Haus aus (ab 25 € pro Nacht).

Wer weniger Lust auf die Ostsee hat, ist im Lebuser Land gut aufgehoben. Nahe Kostrzyn findet man im Nationalpark Wartemündung das Słonsk Natur Reservat mit einer einzigartigen Vogel-Population. Naturschützer haben hier die „Republik der Vögel” ausgerufen; Besucher erhalten gegen eine Spende einen Pass, der zugleich die Verhaltensregeln im Naturschutzgebiet enthält. Über 240 Vogelarten kann man hier beobachten, 130 von ihnen brüten auch hier. Viele von ihnen sieht man in so großen Zahlen wie kaum an anderen Plätzen Europas. 2500 Kraniche zählt man hier, ca 78.000 Wildenten und über 180000 Gänse. Im Winter kann man hier eine große Anzahl von Adlern finden.

Wer städtisches Leben bevorzugt, der ist in der Wojewodschafts-Hauptstadt Zielona Góra gut aufgehoben. Sie ist die einzige Stadt Polens mit „Weinbaugeschichte“. Auf dem Hügel am Rande der Altstadt findet man auch heute noch Weinreben. Aber angebaut wird der Wein seit wenigen Jahren nicht mehr. Dabei überlegt man, ob man nicht doch, dem Berliner „Kreuzberg“-Beispiel folgend, wenigstens eine kleine Menge ausbauen und bei offiziellen Gelegenheiten verschenken sollte. Sehenswert zumindest ist das Weinbau-Museum in der Altstadt.

Zunehmend wird das Lebuser Land ein attraktives und schnell erreichbares Naherholungsgebiet für Berlin.