TERrA Polska an der Spree

Festival junger polnischer Kunst und Kultur

 

POLEN LIEGT SO NAH, gerade in Berlin als einer Grenzmetropole, in der aktuell an die 130.000 Menschen polnischer Herkunft leben, darunter auch viele Künstler. Die im gesamten Bundesgebiet lebende polnischsprachige Bevölkerung wird auf über 2 Millionen geschätzt. 

POLEN LIEHT SO FERN, zumindest auf der mentalen europäischen Kultur-Landkarte vieler Deutscher und Berliner, und das, obwohl die Grenze für letztere nur 80 km entfernt liegt! Polen ist ein Kuriosum, stellt es doch für die meisten Deutschen auch 14 Jahre nach dem Fall des eisern genannten Vorhangs und kurz vor dem am 1. Mai 2004 zu vollziehenden Beitritt der Republik Polen in die EU nach wie vor eine Terra Incognita dar, nicht zuletzt auch bezüglich der neueren und neuesten künstlerischen Entwicklungen im Nachbarland.

 

POLEN LIEGT IN DER KULTURBRAUEREI, Berlin-Prenzlauer Berg. Sechs Tage lang wird die Kulturbrauerei in eine TERrA POLSKA junger und aktueller polnischer Kunst und Kultur verwandelt. Zeitlich parallel an mehreren Orten des Geländes, in seinen verschiedenen Räumlichkeiten und auf seinen Höfen, entfaltet sich ein breites, qualitativ hochstehendes Spektrum polnischer Kunst und Kultur der jungen Generation aus Polen sowie der deutschen sog. Polonia. An ihrer Kunst interessiert die Frage, wie sie, vielleicht im Unterschied zu westeuropäischen Künstlern, konfrontiert bzw. hineingewachsen in eine westliche Wertewelt, ihre visuellen, sozialen, politischen und mentalen Umwelten wahrnehmen und bearbeiten.

Das Festival TERrA POLSKA möchte zum einen junge Künstler aus Polen und der sog. Polonia fördern, indem ihnen eine lebendige Plattform zur Präsentation ihrer Kunst angeboten wird. Damit trägt TERrA POLSKA dem Umstand Rechnung, dass bisher nur wenige junge Künstler aus Polen den Anschluss an den internationalen Kunstbetrieb geschafft haben.

Zum anderen leistet TERrA POLSKA mit der konzentrierten Präsentation polnischer Kunst und Kultur in einem Festivalrahmen einen essentiellen Beitrag zur Entwicklung einer gesamteuropäischen Perspektive und versteht sich in diesem Sinn als einen praktischen Beitrag zur Ost-West-Annäherung. In diesem Sinne zielt das Festival mit seinem Mix aus dezidierten Kunstbeiträgen, Kunstverwandtem und Populärem auf ein breites Publikum. Der spartenübergreifende Festivalcharakter lässt die unterschiedlichsten Teilnehmer und Besucher zusammenkommen.

Der Form nach werden Polen und Deutschland bald EU-Partner sein. Nachbarn sind sie schon längst. Als Grundlage eines guten nachbarschaftlichen Verhältnisses braucht es noch mehr an Projekten und Initiativen, die neugierig auf diesen nahen entfernten Nachbarn und seiner für die Deutschen im allgemeinen fremd gebliebenen Kultur machen. TERrA POLSKA macht ein derartiges Angebot mit kulturell-künstlerischen Mitteln und lädt zur  Auseinandersetzung mit der Kunst und Kultur Polens ein.

Knüllerpreise! Billig! Riesenangebot! Mit derartigen Werbeslogans bieten deutsche Reiseunternehmen ihren erlebnishungrigen deutschen Schnäppchenjägern Busfahrten ins polnische Grenzgebiet an und das bereits seit jener Zeit, als der „eisern“ genannte Vorhang in sich zusammengebrochen war. Ziele dieser Fahrten über die Grenze sind beispielsweise: Słubice, Kostrzyn, Osinów Dolny, Gubin, Zgorzelec, Swinoujście, Leknica. Auch grenznah wohnende Deutsche wissen die Vorteile einer raschen Autofahrt über die Grenze und den Besuch der zwischen Bodenauslage, mobilem und Feststand changierenden Basarwirtschaften nach wie vor zu schätzen.

Diese Basare stellen für ihre Händler eine Form flexibler Existenzsicherung dar und sind ein Phänomen der wirtschaftlichen Transformation von Gesellschaften in Grenzregionen oder Grenzmetropolen. In Mittel- und Osteuropa haben sie sich z.B. in Warschau („Russenmarkt“), in Prag („Polenmarkt“), in Budapest („Chinesenmarkt“) oder im tschechischen Grenzland zu Deutschland („Vietnamesenmarkt“) etabliert. Ob es auf allen diesen Märkten dieselben Imitate von Marken-Textilprodukten gibt? Wie feilschen eigentlich Polen? Und wie Deutsche? Ist ein  „Polenmarkt“ ein Quell grenzüberwindender Verständigung? Der „Polenmarkt“ in Deutschland heißt übrigens nur bei seiner deutschen Zielgruppe „Polenmarkt“, bei Polen firmiert er unter der Bezeichnung „Markt der Deutschen“.

Vielen Berlinern ist der „Polenmarkt“ am Potsdamer Platz ein Begriff. Just an der Stelle, wo heute die Daimler-Benz-InterService AG als Dienstleister für Handel, Kommunikation und Immobilien ihre Zentrale stehen hat, entstand im letzten Jahr der Berliner Mauer, also 1988/89 für einige Monate eine riesige irreguläre und fürs erste von den Behörden geduldete Überlebensökonomie überwiegend polnischer Kleinhändler. Zu Hunderten verwandelten diese „shuttle traders“ jedes Wochenende eine Brache im mauernahen Niemandsland in einen bunten Basar. Eine Zumutung für die einen, ein kickendes Einkaufsvergnügen der exotischen Art für die anderen. Wegen der von Medien und Politik definierten Sicherheits- und Ordnungsvorstellungen wurde dem wilden Treiben alsbald ein Ende gesetzt.

Während des Festivalwochenendes entsteht eine besondere Ausgabe eines sog. Polenmarktes. Diese orientiert sich zwar einerseits an ihren historischen und aktuellen Vorläufern, leistet sich aber andererseits durchaus gewisse Freiheiten in der Ausgestaltung und in der Zusammensetzung ihrer Anbieter. Denn das Besondere dieses Polenmarktes ist, dass er einen zur - vergnüglichen bis verstörenden - Desorientierung einladenden Mix aus klassischem und künstlerischem Basargeschehen darstellt.

Neben herkömmlichen, vertraut-exotischen Ausstellwaren, Bückwaren und Dienstleistungen werden Kunststudenten aus Berlin und Poznań ihrerseits „Waren“ und „Dienstleistungen“ anbieten. Der Besucher könnte also vor die nicht immer einfach zu bewältigende, ja mitunter und letztlich unlösbare Aufgabe gestellt sein, zwischen „echter“ und „inszenierter“ Wirklichkeit zu unterscheiden.

Auf dem realen POLENMARKT können angeboten werden: polnische Poster, Kulinarisches wie polnische Wurst, Piroggen, Bigos, Baartsch, polnischer Wodka etc.; Reisen nach Polen über ein offizielles Reisebüro/Polnisches Informationszentrum für Touristik; kleine, große und übergroße Gartenzwerge eines waschechten Vertreters des S³ubicer „Polenmarktes“; polnische und osteuropäische Musik  sowie polnische Literatur über einen polnischen Buchladen aus Berlin; Informationen zu den Aktivitäten verschiedener Initiativen im deutsch-polnischen Kontext (Deutsch-Polnischer Jugendaustausch, Deutsch-Polnisches Literaturbüro, Deutsch -Polnische Gesellschaft ... )

Zum künstlerischen POLENMARKT wird u. a. der in Frankfurt/Oder lebende Künstler Michael Kurzwelly kommen. Mit seinem Infomobil, mit Postkarten, Videos, Cd-Roms, heimischen Lebensmitteln und Reiseangeboten der Touristeninformation Słubfurt präsentiert er die  transkulturelle, aus Słubice und Frankfurt/Oder bestehende Stadt neuen Typs, Słubfurt. Das Infomobil wird in der Festivalwoche auch Berliner Schulen anfahren.

Ergänzt wird das Basartreiben durch weitere Open-air-Veranstaltungen wie Konzerte und Theater-Aufführungen (Eintritt fei!).

Bearbeitet von Antje Jonas