Begrüßung Polens in der EU

Berliner Veranstaltungen

Von Karl Forster

 

Kennen Sie dieses unbekannte Nachbarland, das da jetzt tief im Osten über die EU-Erweiterung zu uns kommt. Ja, richtig, Polen meine ich. Tatsächlich haben nämlich alle möglichen Institutionen, Vereine und Behörden quasi in letzter Minute erkannt, dass sich die EU in Richtung Osten erweitert. Und dass da ein Nachbarland existiert, dass etwas größer ist als Malta, Zypern oder Estland. Dass man sich deshalb mal darum kümmern müsste. Und das tat man dann auch. Polen, Polen, Polen. Anderes war in den Veranstaltungskalendern zwischen 15. April und 10. Mai nicht mehr zu lesen. Polen in der Politik, Polen in der Wirtschaft, Polen in der Kultur, Sport und Polen. Polen, Polen, Polen. Der Veranstaltungskalender des Landes Berlin quoll förmlich über. Jetzt reichts aber, dachten sich viele. Und so ebbte das Interesse so schnell ab, wie es gekommen war.

 

Dabei war doch alles so großartig geplant. Allen voran war das ZDF mit der Europa-Gala im Berliner Konzerthaus und dem Platz vor dem Warschauer Schloss.

“Offiziöse”....

Eine Koproduktion mit dem polnischen Fernsehen TVP – und ein Flop. Da war mit den Super-Gästen gerechnet worden, für die Eurovisions-Übertragung (immerhin über 30 Länder waren angeschlossen – mehr als die EU Mitglieder hat). Aber die Stars blieben zweitklassig. Die Gala leider auch. Eine Livesendung bei der man für jedes Land einen Paten sprechen lässt, der sich dann nicht an die Zeitvorgaben hält, macht sich halt nicht so gut, wenn man gleich zweimal den Countdown anzählt, weil ja Zypern zu einer anderen Zeitzone gehört und schon eine Stunde früher EU-Mitglied wird. Da reichte die Zeit einfach nicht mehr, um Malta vorzustellen. Das wurde dann nach Mitternacht nachgeholt. (Man hätte halt noch eine Stunde dranhängen sollen um auch die britische Mitternacht abzuwarten). Dabei waren die Präsentationen der einzelnen Länder recht unterschiedlich. Einige hatten sich in den Kurzfilmen spannend und unterhaltsam dargestellt. Polens Präsentation dagegen war vom Stile der Tourismus-Werbefilme der 70er Jahre: Wald, Wasser, Wisente und natürlich Störche. Der polnische Moderator der Sendung meinte dazu bei der Pressekonferenz: „Jetzt wissen die Leute wenigstens, dass es bei uns viele Tiere gibt. Aber wir präsentieren uns wie ein Land der Jäger“.

Die Initiative der Berliner Kulturattaches hat gleich ein Kulturjahr der Beitrittsländer ausgerufen. Start war eine Operngala mit Sängerinnen und Sängern aus den 10 Beitrittsländern. Und am Brandenburger Tor wurde zwei Tage mit Informationsständen und Kulturprogramm gefeiert. Was macht es da schon aus, wenn nur einige Länder sich mit landestypischen Produkten (Polen mit Piroggen) präsentierten, andere dafür „landestypische Bratwurst“ anboten – formell korrekt dann aber als Thüringer Bratwurst gekennzeichnet.

Berlins Regierender Bürgermeister nutzte die Chance und setzte die eingeladenen Bürgermeister der Partnerstädte Warschau, Prag und Budapest gleich in mehreren Veranstaltungen ein.  Am Ende einer Konferenz stand eine gemeinsame Erklärung mit der Zielsetzung, das Angebot der jeweiligen Fremdsprachen auszuweiten, Schülerbegegnungen zu stärken, die Zusammenarbeit mit Botschaften und den staatlichen Kulturinstituten zu pflegen und ähnliches mehr, alles übrigens Punkte, die keinen Finanzeinsatz erfordern. Ansonsten wurden Forderungen an andere gestellt: Die Verkehrsinfrastruktur soll verbessert werden und für die zu erwartenden Probleme bei Aufnahme und Integration von Asylsuchenden in den neuen Ländern soll ein gemeinsamer Förderantrag beim Europäischen Flüchtlingsfond gestellt werden.

Begleitet wurde die Bürgermeisterkonferenz von einer Zukunftswerkstatt von Studenten der vier Städte, einem Schüler-Seminar aus den Partnerstädten (jeweils auch mit Treffen der Bürgermeister), einer Ausstellung über Architektur in den drei Städten (der Berliner Beitrag sollte vor der Türe im Original besichtigt werden). Dazu gab es noch eine Ausstellung über die wirtschaftlichen Kontakte zwischen Warschau und Berlin sowie eine Präsentation „Warschauer Markt“ vor dem roten Rathaus. Doch die Kunsthandwerker, Spitzenklöpplerinnen, Bildhauer und Tourismuswerber standen weitgehend allein auf dem Platz. Die Berliner hatten höchstens am Rande davon erfahren. Längst hatten die Zeitungen Anfang Mai damit aufgehört, auf derartige Veranstaltungen aufmerksam zu machen.

... und “nichtoffiziöse”

Das war Anfangs noch ganz anders. Eine Kulturinitiative hatte ihr Programm auf Mitte April vorverlegt und ein spannendes, weil alternatives Konzept verwirklicht. „TERrA! Polska“ wollte die andere, die junge Kultur Polens vorstellen. Und das ist ausnahmslos gelungen. Straßentheater und Jazz, Theater und Ausstellung, Bekannte und unbekannte Bands - ein absolutes Highlight war der Auftritt der Gruppe „Raz Dwa Trzy“ - lockten so viele Besucher, dass zeitweilig der Einlass gesperrt werden musste. Allerdings kam vor allem die „polnische Szene“. Deutsche kamen häufig nur als „Begleiter“. Höhepunkt des Programms sollte dann ein „Polenmarkt“ sein, in Erinnerung an den berüchtigten Polenmarkt von 1989: polnische Kunst, polnisches Kunsthandwerk, Bücher, polnisches Essen. Und eine Stadtrundfahrt, die ihresgleichen sucht: als „Expedition Berlinska“ wurden den Gästen in zwei Stunden das polnische Berlin nahegebracht. Dazu gehörten beispielsweise der „Club polnischer Versager“, eine inzwischen aus dem Berliner Kulturleben nicht mehr wegzudenkende Kunstinitiative, die polnische Kunstgalerie ZERO, das Polnische Kulturinstitut oder der Polnische Sozialrat - dazwischen Aktionen einer Straßentheatergruppe. Hier konnte man sich beim „Polnischen Arbeitsamt“ um eine Stelle bei der Straßenreinigung in Łódź bewerben, oder die Auktion zur Versteigerung polnischen Landes - ein Stück Masowien für nur 10 Euro. Zum Abschluss dann Aktionskunst am Ostbahnhof. „Wir begrüßen unsere polnischen Nachbarn in der EU“ hieß die Aktion, bei der aus Kartoffeln Sterne ausgeschnitten und auf blaues Tuch gepinnt wurden, um sich so eine EU-Flagge selbst zu basteln – argwöhnisch beäugt von den danebenstehenden Punks und Obdachlosen, die nicht so recht wussten, was sie von dieser Aktion halten sollten.

Ein Projekt fällt aus dem Rahmen. Schüler der Dorfschule von Krzywa im äußersten Südosten Polens, die teilweise erstmals einen Fotoapparat in der Hand hielten, fotografierten ihre Region, die neue Ostgrenze der EU, mit solcher Eindringlichkeit, dass ihre Fotos inzwischen in namhaften Galerien in Warschau und Wien zu sehen waren. Jetzt kam das Projekt in die deutsche Hauptstadt, begleitet von einem umfangreichen Rahmenprogramm.