Die Sorben - Łužiscy Serbja - heute

Von Jurij Lušćijanski

 

Fährt man durch die zweischsprachige Lausitz, dann fallen dem Besucher die zweisprachigen Ortstafeln und Straßenschilder auf. Nimmt man sich die Zeit, steigt aus dem Auto und sucht das Gespräch mit den Bewohnern, dann kann man sich mit ihnen auch in ihrer Muttersprache - in Sorbisch – unterhalten. Die Sorben (Serbja) sind über 1500 Jahre in der Lausitz zu Hause und sie besitzen zwei Sprachen. Obersorbisch wird in der Oberlausitz (im Freistaat Sachsen) und Niedersorbisch in der Niederlausitz (im Land Brandenburg) gesprochen. Ältere Frauen tragen in den vier verschiedenen Kulturregionen noch täglich ihre Tracht, von der jüngeren Generation werden die Trachten zu den Fasttagen angelegt. Am bekanntesten ist die sogenannte „Spreewaldtracht“, die der Niedersorbinnen, die ihre Tracht zunehmend auch zum „Zampern“ (Fastnacht) und „Kokot lapanje“ dem “Hahnschlagen”, einem Erntebrauch anlegen.

 

Rechtlich ist das sorbische Volk durch mehrere Gesetze und Vorschriften geschützt, so wurde das „Gesetz zur Ausgestaltung der Rechte der Sorben/Wenden“ vom Brandenburger Parlament 1994 und ein ähnliches fünf Jahre später in Sachsen beschlossen. In beiden Gesetzen ist das zweisprachige Siedlungsgebiet festgeschrieben.

Ein besonderes Datum für die Sorben ist der 13. Oktober 1912, an diesem Tage wurde die “Domowina” als Dachverband sorbischer Vereine und Vereinigungen in Hoyerswerda/Wojerecy gegründet. 1937 wurde die “Domowina” verboten und nach dem Zweiten Weltkrieg, zwei Tage nach der Befreiung, am 10. Mai 1945 in Crostwitz/Chrósćicy (Kreis Kamenz) neugegründet. Während der 40jährigen DDR-Existenz wurde auch die “Domowina” wie alle Parteien und Massenorganisationen von der „Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands“ (SED) vereinnahmt und zur ,sozialistischen nationalen Organisation“ deklariert.

Nach der politischen Wende im Herbst 1989 veränderten sich die Aufgaben und Strukturen der “Domowina”. Auf dem außerordentlichen “Domowina”-Bundeskongress am 18. März 1990 wurde ein neues Statut angenommen, in dem sie sich zur unabhängigen nationalen Organisation des sorbischen Volkes und ein Jahr später zum Zwjazk Łužiskich Serbow/Bund Lausitzer Sorben erklärt. Im Jahre 2001 wurde der Unternehmer Jan Nuck (56) zum Vorsitzenden der “Domowina” gewählt.

Dem sorbischen Dachverband gehören 17 sorbische Vereine und Verbände und sechs assoziierte Freundesvereine im Ausland an, dazu gehören zwei Vereine, die von Nachkommen sorbischer Auswanderer in Texas und Australien gegründet wurden. Die “Domowina” ist aber auch Mitglied in überregionalen Vereinigungen, - so zum Beispiel der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen (FUEN) in Flensburg, des Europäischen Büros für weniger verbreitete Sprachen (EBLUL) in Dublin/ Brüssel und der Gesellschaft für bedrohte Völker in Göttingen. Als Mitglied der FUEN organisiert die Geschäftsstelle der “Domowina” seit knapp zehn Jahren ein Seminar für slawische Volksgruppen und Minderheiten. Die jährlich stattfindenden Seminare werden thematisch bestimmt, so wurden zum Beispiel die Medien, die Schul- und Ausbildungssituation, die Rechtsbestimmungen in den jeweiligen Ländern vorgestellt und diskutiert. Die Zahl der Teilnehmer wächst ständig, mittlerweile beteiligen sich 12 Vertreter nationaler Minderheiten daran. Von den polnischen Minderheiten sind es Związek Polaków na Litwie, Kongres Polaków w Rep. Czeskiej, Stowarzyszenie Lemków w Legnice und Zrzeszenie Kaszubsko-Pomorskie w Gdańsku. Aber auch andere Minderheiten, die in Polen leben und organisiert sind, wie Związek Ukrainców und Towarzystwo Macedończyków w Polsce sind Gäste der Seminare. „Die Seminare sind für uns alle eine große Bereicherung. So erfahren wir regelmäßig etwas über die Situation anderer Minderheiten, über deren Schwierigkeiten wie auch deren Erfolge und können diese dann in der Argumentation für unsere Rechte zu Hause verwenden“, so Antonina Poltavec aus Vilnius nach dem Treffen bei den Minderheitenvertretern der Slowaken, Slowenen und Kroaten in Budapest im vorigen Jahr. Kontakte der “Domowina” bestehen aber auch zum Związek Polaków w Niemczech (Bund der Polen in Deutschland).

Sorbische Vereine und Institutionen besitzen gute Beziehungen zu polnischen Partnern in der Bundesrepublik resp. zu Partnern in Polen. So hat zum Beispiel die sorbische wissenschaftliche Gesellschaft „Maæica Serbska“ in Bautzen gute Beziehungen zum Kraszewski-Museum in Dresden oder das Sorbische Institut zu mehreren wissenschaftlichen Einrichtungen in Polen, wie in Warszawa, Gdañsk, Opole und Zelona Góra. Die beiden Zeitschriften „Zeszyty Łuźyckie” (Uniwersytet Warszawski) und „Pro Lusatia - Opolskie Studia Luźycoznawcze” informieren in polnischer Sprache über die Geschichte, Kultur und Sprache der Sorben.

Sorbische Handwerker und Unternehmer stellen sich den Anforderungen der Zeit und betreiben Firmen resp. haben Partnerfirmen in Polen. Das Fazit einer Podiumsdiskussion zu „Chancen und Ängsten sorbischer Unternehmer beim Beitritt Polens zur EU“ Anfang Februar in Bautzen war positiv. „Bei der Verständigung wird die sorbische Sprache zum wirtschaftlichen Faktor“, war eine der Meinungen am Abend. Die Bedeutung des Abends unterstrich die Anwesenheit des polnischen Botschafters Prof. Dr. Józef Olszyński und des Generalkonsuls Rafał Zmijewski.

Ein weiteres Gebiet, das neue Perspektiven eröffnet, ist die Tourismusbranche, die sich in der grenznahen Region zu entwickeln beginnt. Es gibt traditionelle Beziehungen auf kulturellen und wissenschaftlichen Gebieten. Neue sind in den letzte Jahren dazugekommen. Es liegt an uns selber, was wir aus dem Angebot, dem Beitritt Polens und Tschechiens zur EU machen.

Zum Schluss ein Beispiel für die Brückenfunktion der Sorben: Die Karlsbrücke in Prag zählt ganz sicher zu den schönsten Brücken Europas. Was wäre diese aber ohne die Sorben? Sie wäre nicht komplett, denn drei der Figurengruppen würden fehlen. Diese stammen nämlich vom sorbischen Bildhauer M.W. Jakula. Sinnbildlich wollen wir wie in der Barockzeit auch im zukünftigem Europa dabei sein und mittun.

Weitere Infomationen: wvvw.sorben-wenden.de 

Der Autor, Jurij Lušæijanski, ist Referent für kulturelle Angelegenheiten und Ausland der “Domowina”