Vertragliche Militarisierung 

Warum der EU-Verfassungsvertrag friedensgefährdend ist

 

Von Tobias Pflüger

Auf der Grundlage des am 29. Oktober 2004 unterzeichneten Vertrags über eine Verfassung für die EU kann kein friedliches Europa verwirklicht werden. Weder während der Regierungskonferenz noch im Konvent zur Erarbeitung des EU-Verfassungsvertragsentwurfs waren die Vertragsbestimmungen, die die EU weiter militarisieren, jemals ernsthaft umstritten. Hauptauseinandersetzungspunkt während der Regierungskonferenz war bei der Diskussion über den EU-Verfassungsvertrag die Stimmengewichtung innerhalb der EU. Nach dem Vorschlag des Verfassungskonvents sollten ab 2009 die meisten Entscheidungen im Ministerrat mit einer „doppelten Mehrheit“ gefällt werden: Mehrheitsentscheidungen sollten zustande kommen, wenn mindestens 13 von 25 Regierungen, die mindestens 60 Prozent der Bevölkerung repräsentieren, zustimmen würden. Polen und Spanien waren dagegen, die Stimmrechte an der Bevölkerungsgröße auszurichten, da sie bei dieser Regelung im Vergleich zur bisherigen Regelung (Nizza-Vertrag) deutlich an Gewicht verlieren würden.

 

Umgekehrt würde Deutschland als bevölkerungsreichstes Land deutlich an Macht gewinnen. Dabei ist es auch nach der Einigung bei der Regierungskonferenz am 17./18. Juni geblieben. Um aber Spanien und Polen mit ins Boot zu nehmen, wurden die Zustimmungsquoten auf 55% der Mitgliedsstaaten und 65% der Bevölkerung angehoben.

Stimmgewichtung zugunsten der Großen

Interessant ist, wie sich die Stimmgewichtungen im Vergleich zum Vertrag von Nizza insgesamt verschoben haben. Deutschland steigerte seine Stimmgewichtung im Rat von 9,0% auf 18,2%, was einem satten Zugewinn von 9,2% entspricht, Frankreich von 9,0% auf 13,2%, was immerhin noch einem Stimmenzugewinn von 4,2% entspricht, dann kommen Großbritannien mit einer Steigerung um 4,0% von 9,0% auf 13,0% der Stimmen und Italien von 9,0% auf 12,6%, was immer noch einer Steigerung von 3,6% entspricht. Spanien wurde mit einem Zugewinn von 0,6% abgefunden, von 8,4% auf 9,0% und Polen musste sich zufrieden geben, dass es keine Prozente verlor. Es blieb bei 8,4% Anteil an der Stimmgewichtung im Rat. Alle anderen Mitgliedstaaten verlieren im Vergleich zum gültigen EU-Vertrag von Nizza zwischen 0,5 bis zu 1,5% Punkten an Stimmen. So dürfte klar werden, wer aus machtpolitischen Gründen besonders ein Interesse an einem Inkrafttreten des Verfassungsvertrages hat. Das eigentlich Dramatische bei dieser Umgewichtung ist aber, dass sich das bisherige Gleichheitsprinzip zwischen den EU-Mitgliedstaaten in Auflösung befindet. Die Stimmengleichheit im Rat zwischen den großen Staaten Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien wird geschleift. Zudem gewinnen die vier Großen 21% an Stimmen hinzu und Spanien noch einmal 3,6%, die mittleren und kleinen Länder verlieren entsprechend.

Die EU fit machen für die globale Kriegsführungsfähigkeit

In punkto Außen- und Militärpolitik ist es das offensichtliche Ziel des Verfassungsvertrags, die Europäische Union für die globale Kriegsführungsfähigkeit fit zu machen. Der Vertrag soll die „auf militärische Mittel gestützte Fähigkeit zu Operationen“ (Art I-41 Abs. 1) sichern. Aufrüstung wird Verfassungsgebot: „Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten regelmäßig zu verbessern“ (Art. I-41 Abs. 3). Und: Eine „Agentur für die Bereiche Entwicklung der Verteidigungsfähigkeiten, Forschung, Beschaffung und Rüstung“ (Europäische Verteidigungsagentur) [bis Juni 2004 hieß es noch:“ Europäisches Amt für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten“] soll dies überwachen und „zweckdienliche Maßnahmen zur Stärkung der industriellen und technologischen Basis des Verteidigungssektors“ durchsetzen (III-311). Gravierend ist auch, dass das EU-Parlament und der Europäische Gerichtshof explizit aus der Kontrolle der Außen- und Militärpolitik ausgeschlossen sind. Die Interventionsoptionen der EU werden massiv ausgeweitet: In Artikel III-309 werden die Militäroptionen der EU beschrieben. Die sogenannten Petersbergaufgaben („humanitäre Einsätze“ bis hin zu Kampfeinsätzen) werden ergänzt durch sogenannte „Abrüstungskriege“, eine Wortschöpfung von Joschka Fischer, der diesen Begriff vor Beginn des Irak-Krieges erfand. Auch militärische Aktionen im Kampf gegen den Terrorismus werden festgelegt. Von besonderer Brisanz ist die in Artikel III-312 festgeschriebene „ständige Strukturierte (militärische) Zusammenarbeit“, die mit einem Zusatzprotokoll jetzt genau definiert wird.

Gescheitert sind alle Bemühungen, dass eine europäische Verfassung von der zivilen Mitverantwortung der EU für den Erhalt des Friedens in der Welt auszugehen habe. Statt sich per Verfassungsgebot dafür einzusetzen, die Rolle der Vereinten Nationen in zwischenstaatlichen Konflikten zu stärken und sich in ihrem Handeln der Charta der Vereinten Nationen und insbesondere dem Gewaltverbot in den internationalen Beziehungen zu unterwerfen, findet sich die militärinterventionistisch interpretierbare Formulierung der Verpflichtung auf die „Weiterentwicklung“ des Völkerrechts und eine Verpflichtung lediglich auf die „Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen“, die die Möglichkeit für nicht UN-mandatierte Militärinterventionen durch die EU offen lässt.

Explizite Formulierungen, dass von den Territorien der EU-Staaten niemals wieder Krieg ausgehen darf, fehlen. Die Ächtung von Angriffskriegen sucht man ebenfalls – vergebens. Auch ein ausdrückliches Verbot weltweiter militärischer Interventionspolitik wird nicht gefordert. Sinnvolle Institutionen, die auf Ebene der EU mithelfen könnten, ein friedliches Europa zu schaffen, sind Fehlanzeige: Weder eine europäische Agentur für Abrüstung und Konversion noch ein Amt für Rüstungsexportverbotskontrolle wurden eingerichtet.

Sternenweit entfernt ist dieser Verfassungsvertrag von einer Europäischen Union, die Krieg und militärische Gewaltanwendung zur Lösung von Konflikten ablehnt, die Massenvernichtungswaffen beseitigen will und ihre Rüstungsindustrie auf zivile Produktion umstellt sowie Rüstungsexporte beendet. Eine friedensfördernde Reduzierung der militärischen Kapazitäten auf strukturelle Nichtangriffsfähigkeit der EU dagegen wird im Verfassungsvertrag in ihr Gegenteil verkehrt. Alles wird der Schaffung der strukturellen und konkreten Angriffsfähigkeit untergeordnet. Nur so ist nach eigenem Selbstverständnis offensichtlich die globale Machtprojektion leistbar.

Europäische Sicherheitsstrategie als konkrete Umsetzung

Noch während der EU-Verfassungsvertrag debattiert wurde, gingen die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten schon an die Umsetzung der militarisierten EU-Verfassungsbestimmungen: So verabschiedeten sie in Rom eine verbindliche Militärstrategie, die sogenannte „Europäische Sicherheitsstrategie“ (ESS). Bereits vorher hatte sich der deutsche Bundeskanzler gewundert, dass die Vorlage - die weitgehend die Vorstellungen der deutschen und französischen Regierung wiedergibt - von allen EU-Staaten akzeptiert wurde: „Zunächst ist es angesichts der innereuropäischen Differenzen in der Irak-Frage bemerkenswert, dass Javier Solanas Entwurf für eine europäische Sicherheitsstrategie von allen EU-Partnern positiv aufgenommen worden ist.“ (Internationale Politik, Nr. 9-2003)

Tatsächlich wurde die Vorlage des EU-Beauftragten für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), Javier Solana, im wesentlichen unverändert verabschiedet. Sie benennt drei strategische Ziele:

- Erstens den Kampf gegen Terrorismus,

- zweitens den Kampf gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und

- drittens Hilfe für „zusammengebrochene Staaten“ als Mittel gegen organisierte Kriminalität.

Wie die EU militärisch agieren wird, ist ebenfalls im Strategiepapier erwähnt: „Als eine Union mit 25 Mitgliedstaaten, die mehr als 160 Mrd. Euro für Verteidigung aufwenden, sollten wir mehrere Operationen gleichzeitig durchführen können.“ Und an anderer Stelle: „Unser herkömmliches Konzept der Selbstverteidigung, das bis zum Ende des Kalten Krieges galt, ging von der Gefahr einer Invasion aus. Bei den neuen Bedrohungen wird die erste Verteidigungslinie oftmals im Ausland liegen. Die neuen Bedrohungen sind dynamischer Art.“

„Verteidigungslinien“ die im Ausland liegen, das erinnert an das so genannte „Präemptivkriegskonzept“ aus der „National Security Strategy“ (NSS) der US-Regierung. Die Begriffe „Präemptivkrieg“ oder „Präventivkrieg“ wurden allerdings von der EU vermieden. Dazu heißt es auf der Homepage der Bundesregierung: „Der umstrittene Begriff ‘preemptive engagement’ wurde durch ‘preventive engagement’ ersetzt“.

Offizielle Erklärungen erwecken den Eindruck, mit dem anderen Begriff sei nun „Prävention“ also Konfliktvorbeugung gemeint. Die Neue Zürcher Zeitung (15.12.03) vermutet dagegen, dass der Begriff „präemptiv“ vermieden wurde, weil es sich um ein „Reizwort“ handele. Und für die International Herald Tribune (09.12.2003) ist der Begriff nur ausgetauscht worden, weil es in einigen EU-Sprachen einfach keine Wörter für „preemptive“ gibt. Unabhängig davon: Verteidigungslinien im Ausland, das ist eine Umschreibung für „Angriffsaktionen“ und Angriff, bevor der Gegner angreifen kann. Das ist eine völkerrechtswidrige Aggression.

European Defense Paper mit Präventivkrieg

In der Folge wurde das Pariser Institut für strategische Studien (ISS), das bis 2001 für den europäischen Militärpakt Westeuropäische Union (WEU) arbeitete, damit beauftragt, verschiedene Einsatzszenarien für EU-Truppen auf Grundlage des noch nicht ratifizierten EU-Verfassungsvertrages und der EU-Sicherheitsstrategie zu erarbeiten. Herausgekommen ist im Oktober 2004 eine Studie hochrangiger Militärberater unter dem Label „European Defense Paper“. Das Ergebnis ist bemerkenswert: Die Autoren der Studie fordern eine energische, unverzügliche und umfassende Aufrüstung der EU. Ziel müsse sein, den Status einer zur Führung von Angriffskriegen fähigen Weltmacht zu erreichen. „Präventives Engagement“ ist in dieser Strategie ein geradezu selbstverständlicher Teil.

Angriffskriege werden damit jetzt auch auf europäischer Ebene verankert. Nukleare Optionen werden nicht mehr ausgeschlossen. Lothar Rühl, ehemaliger Staatssekretär im deutschen Verteidigungsministerium und Mitautor des „European Defence Paper“, stellt zufrieden fest, dass das Thema ,,Präemption/Prävention“ in dem Dokument zwar vorwiegend unter dem Aspekt von Kriegseinsätzen mit konventionellen Streitkräften und operativen Spezialkräften behandelt wird. „Immerhin“ werde aber die Möglichkeit erwähnt, britische und französische Nuklearstreitkräfte „explizit oder implizit“ einzubeziehen. (Lothar Rühl: Lücke zwischen Mittel und Zweck. Das ,,European Defence Paper“; Frankfurter Allgemeine Zeitung 1.10.2004). In der Tat heißt es in dem Strategiepapier bezüglich der Kriegsszenarien der künftigen EU-Streitmacht: ,,[W]e have not avoided presenting scenarios in which the national nuclear forces of EU member states (France and the United Kingdom) may enter into the equation either explicitly or implicitly.“

Neue Schlachttruppen - „battle groups“

Auch was die konkreten Aufrüstungen zur globalen Kriegsführung angeht lässt die EU sich nicht lumpen. So präzisierten die Verteidigungsminister der EU-Mitgliedsstaaten jüngst die künftige Aufstellung von europäischen Schlachttruppen („battle groups“). Nach Verabredungen, die im September 2004 im niederländischen Noordwijk getroffen wurden, dominiert das deutsch-französische Machtkartell, die innerhalb kürzester Frist einsetzbaren „battle groups“. Der grundsätzliche Beschluss, die EU zu einer Macht mit globaler Kriegsführungsfähigkeit auszubauen, ist von Berlin und Paris in der EU-Verfassung durchgesetzt worden.

Neben der Umsetzung des Rüstungsprogramms treiben Berlin und Brüssel auch die Truppenaufstellung weiter voran. Die EU-Verteidigungsminister haben im März 2004 mit dem so genannten „Head-Line Goal 2004“ einen Fahrplan zur globalen Kriegsfähigkeit beschlossen, der von den Staats- und Regierungschefs beim Gipfel im Juni 2004 abgesegnet worden ist. Der Plan sieht vor, eine hochgerüstete Streitmacht aufzubauen, die im Jahr 2010 unter einheitlichem EU-Kommando für weltweite Militärinterventionen zur Verfügung stehen soll. Zwei Säulen der dafür vorgesehenen Truppen befinden sich derzeit im Aufbau: Die europäische Eingreiftruppe, die bis zu 60.000 Soldaten zum Einsatz bringen und für längere Zeit in einer Krisenregion stationieren soll, und die „battle groups“ kleine Kampfverbände von jeweils 1.500 Elitesoldaten, die als erste Einheiten in ein Kriegsgebiet entsandt werden und den Eingreiftruppen den Weg freikämpfen müssen. Dabei wird wiederum auf das Protokoll zur „ständigen Strukturierten (militärischen) Zusammenarbeit“ verwiesen, das die Dimension der kerneuropäischen Militarisierung im künftigen Verfassungsvertrag fixieren soll. Eine der ersten EU-battle groups soll die deutsch-französische Brigade in Müllheim sein.

„Strukturierte Zusammenarbeit“ im Militärbereich als militärisches Kerneuropa

Neben den allgemeinen Militarisierungsschritten für alle EU-Mitgliedstaaten, eröffnen die Artikel I-41, 6 und Artikel III-312 mit der so genannten „strukturierten Zusammenarbeit“ nichts weiter als einen Rechtsrahmen für einen Zusammenschluss einiger weniger Staaten auf dem Gebiet der Militärpolitik (ESVP) - innerhalb der EU. Die ansonsten festgeschriebene Einstimmigkeit im Bereich der Außen- und Militärpolitik der EU bezieht sich hier explizit nur auf diejenigen, die an der strukturierten Zusammenarbeit teilnehmen, die anderen bleiben im wörtlichen Sinne draußen.

In Artikel III-312 wird - für die genaue Ausgestaltung dieser kerneuropäischen Militärpolitik - auf das dem EU-Verfassungsvertrag angehängte entsprechende Protokoll verwiesen. Dazu muss man wissen, dass, wenn überhaupt über die in der Öffentlichkeit bekannten 460 Artikel des Verfassungsvertrages diskutiert wird, von den nach einer Ratifikation Rechtskraft erlangenden 350 Seiten Protokollen und 112 Seiten Erklärungen fast niemand spricht. Diese sind in der Öffentlichkeit praktisch unbekannt.

Schaut man sich im Bereich der strukturierten Zusammenarbeit das entsprechende Protokoll einmal an, so wird deutlich, dass hier keine Nebensächlichkeiten abgehandelt werden. Nicht nur, dass hier die Zusammenarbeit mit der NATO festgeschrieben wird und man erklärt, zur „Vitalität eines erneuerten Atlantischen Bündnisses beitragen“ (CIG 87/04 ADD 1) zu wollen, finden sich hier auch klar und deutlich bis ins Detail ausformulierte Vertragsbestimmungen für ein militärisches Kerneuropa. Im Klartext ist hier festgehalten, dass „an der ständigen strukturierten Zusammenarbeit“ jeder Mitgliedstaat teilnehmen kann, der sich verpflichtet, „seine Verteidigungsfähigkeiten durch den Ausbau seiner nationalen Beiträge“, die Teilnahme „an den wichtigsten europäischen Ausrüstungsprogrammen“ und durch die Teilnahme „an der Tätigkeit der Europäischen Agentur für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten“ „intensiver zu entwickeln“. Hier wird eindeutig festgelegt, dass der Kern der EU-Staaten, die sich zu besonderer militärischer Aggressionsbereitschaft (vulgo: Interventionsbereitschaft) und massiver Aufrüstung verpflichten, im Rahmen der strukturierten Zusammenarbeit als Europa der schnelleren Geschwindigkeit gemeinsam ihre Außen- und Sicherheitspolitik militarisieren können.

Die Verpflichtung wird im Protokoll in der Folge noch weiter präzisiert. Denn es geht darum, „über die Fähigkeit“ „spätestens 2007“ zu verfügen, „Kampftruppen“ gemeinsam aufzustellen und „Missionen“ durchzuführen, die „innerhalb von 5 bis 30 Tagen“ aufzunehmen sind und zudem „Missionen“ durchzuführen, die „von zunächst 30 Tagen ... bis auf 120 Tage“ ausgedehnt werden können. Um diesen Verpflichtungen nachkommen zu können, ist in Artikel 2 des Protokolls die Rede vom Einhalten „vereinbarter Ziele für die Höhe der Investitionsausgaben für Verteidigungsgüter“, die zudem regelmäßig überprüft werden sollen. Auch die Angleichung des „Verteidigungsinstrumentariums“ wird festgeschrieben und „gemeinsame Ziele für die Entsendung von Streitkräften“ sollen aufgestellt werden.

Zusammenfassend liest sich das Protokoll, wie ein Horrorkatalog eines entfesselten militärischen Kerneuropas. Die Bestimmungen dazu sollen verfassungsvertraglich vereinbart werden. Man möchte eben ungern etwas dem Zufall überlassen. Sollten diese EU-Verfassungsbestimmungen Wirklichkeit werden, entsteht eine Verpflichtung zur Aufrüstung und zur gesteigerten militärischen Einsatzbereitschaft. Diese gibt es nicht nur in den Verfassungsbestimmungen in Artikel I-41, sondern insbesondere auch durch die völlig neue „strukturierte Zusammenarbeit“ im Militärbereich.

Beschleunigte Militarisierung der Außenpolitik

Durch die rot-grüne Bundesregierung wird eine noch stärkere Verpflichtung zur Erlangung voller Kriegsfähigkeit im Rahmen eines militarisierten Kerneuropas eingegangen. Die entscheidende Frage bleibt jedoch, ob Frankreich und insbesondere Deutschland nach einer Ratifizierung des EU-Verfassungsvertrags genug Stimmen im Rat zusammenbekommen würden, um diesen Weg (in EU-Kriege) beschreiten zu können. Als Drohung an die anderen EU-Staaten sind die Bestimmungen der „strukturierten Zusammenarbeit“ jedoch heute schon wirksam. Die Gefahr einer beschleunigten Militarisierung der deutschen Außenpolitik mit dem Ziel, eigenständige EU-Kriege führen zu können, hat in ihnen Gestalt angenommen. Darin liegt die eigentliche Brisanz.

Der Autor, Tobias Pflüger, ist Mitglied des Europäischen Parlaments und Vorstandsmitglied der Tübinger Informationsstelle Militarisierung. Wir danken für das Abdruckrecht: www.imi-online.de/analysen.php3