„Polen sind fröhlich, freundlich und entspannt“

Medien entdecken unser Nachbarland

 

Von Karl Forster

Ein Gutes hat die EU-Osterweiterung für unser östliches Nachbarland gebracht: Die deutschen Medien haben entdeckt, dass der Osten nicht nur die ehemalige DDR ist, sondern dass es östlich von Brandenburg noch etwas gibt, über das sich zu berichten lohnt. So jagten Journalisten und Fotografen in kleinen und großen Gruppen kurz vor und nach dem 1. Mai gen Osten, um dort etwas zu entdecken.  Zu den Ergebnissen gehören eine Menge von Fernsehberichten über das Lebuser Land, die Ostseeküste, die Masuren oder das Riesengebirge. Ob Bayerischer Rundfunk oder WDR, jeder entdeckt Polen neu. Merian bringt nach längerer Pause wieder ein Polen-Heft, das sich diesmal den Masuren, Danzig und der Ostseeküste widmet. Und GEO widmet Polen nicht nur Bildaufsätze in den aktuellen Heften, sondern gar ein „GEO Special“.

 

„Wir konnten gar nicht alle Wünsche bedienen“ erzählte man im Polnischen Fremdenverkehrsamt wegen der vielen Anfragen nach Journalistenreisen. Tatsächlich hatte man den Eindruck, dass einige Redaktion erst durch den EU-Beitritt davon erfahren hatten, dass Polen auch als Reiseland attraktiv sein könnte. Doch dann hatte man zeitweise den Eindruck, dass einer vom andern abschrieb. „Breslau“ und „Stettin“ gehörten neben „Warschau“ und „Krakau“ zu den Standard-Zielen. In den Fernsehberichten dominierten „Naturberichte“: Das Land der Störche, die Seenlandschaft der Masuren. Irgendwie kennt man das alles. Selbst das renommierte Merian-Heft setzt auf Altbekanntes. Da führen der Alt-Danziger Günther Grass und der Neu-Danziger Paweł Huelle, beide Literaten,  den Merian-Redakteur durch Gdańsk. Über die Masurischen Seen im Winter schreibt natürlich Siegfried Lenz. Da weiß der Korrespondent Thomas Urban zu vermelden:

„Polen sind fröhlich, freundlich und entspannt. Auf jeden Fall in den Sommerferien an der Ostsee.“  Und, wie gesagt, die Störche. Bei Merian liest sich das so: „Im Märchen von Wilhelm Hauff werden der Kalif von Bagdad und sein Großwesir zu Störchen verzaubert. Was der Dichter verschwieg: Beide besuchen jährlich mit großem Gefolge Zywkowo im Ermland.“

Natürlich dürfen traditionelle Ostpreussen-Themen wie „Güter und Schlösser“ und ein gezeichneter Aufriss der Marienburg nicht fehlen.

Aber ich bin vermutlich wieder mal viel zu kritisch. Für den Leser, der einen Anklang von Literatur und das Althergebrachte liebt, ist auch der Merian eine angenehme Lektüre, wenngleich der Reiseservice-Teil dann doch wie ein Bruch wirkt. Dafür hilft eine gute Karte, im Heft als heraustrennbare Beilage, die Artikel auch zu lokalisieren und sich in der Region wenigstens grob zurechtzufinden. Ach, und die Fotos. Sind sie wirklich alle in diesem Jahr entstanden? Bei manchen Bildkompositionen glaubt man eher an die 80er Jahre. Also wirklich! Danzig und die Masuren sind doch wesentlich schöner, als das in diesem Heft den Anschein hat.

Nochmals den Fotos. Sie waren ja von Anfang an das Besondere an den GEO-Heften. Die Zeitschrift nennt sich ja auch im Untertitel „Das neue Bild der Erde“. Und das „neue Bild“ versucht man da auch aus Polen zu vermitteln. Nicht ohne Erfolg. Da ist zum einen eine Reportage im Septemberheft der Zeitschrift. Eigentlich ist es nur der zweite Teil einer Serie über die Ost-Grenzen der EU-Osterweiterungsländer. Von Estland bis Slowenien - eine Europareise, 1230 Kilometer lang. Vom Frischen Haff zum Bieszczady-Gebirge. Ach ja, die Fotos. Da ist der 40jahre alte „Warszawa“, noch immer fahrtüchtig, neben der lichtblauen Madonnen-Statue, Da ist die Lenin-Fahne als Dekoration in einer Bar in der Kleinstadt Hajnówka, 60km südöstlich von Bia³ystock. Zu Lenins Geburtstag steigt hier immer eine Party. Da ist die steinerne Wand von Bełżec, wo über eine halbe Million Juden im Vernichtungslager ermordet wurden.  Und dann wird im Text ein Land beschrieben, wie man es heute real vorfindet. Ein Beispiel: „Goldap ist Grenzübergang und das ist vielleicht der Grund, weshalb man sich hier bemüht, nach allen Seiten offen zu sein: Der Juden wird mit einem Gedenkstein auf dem Platz der ehemaligen Synagoge gedacht, der 16 Generationen von Deutschen auf dem evangelischen Friedhof. Die polnisch-sowjetische Waffenbrüderschaft ist unverrückbar durch eine Kombination aus Bunker und Felsen auf dem Marktplatz verankert, die polnische Unabhängigkeit bewacht ein schimmernder Adler. Hinter ihm ziehen Frauen Zigarettenstangen unter ihren Pullovern hervor.  In den Drogerien wartet man schon auf sie. Auch eine Schmugglerin ist zuerst einmal Frau. Der Marktplatz ist von Schaufenstern umstellt, deren Lidschatten-, Nagellack- und Lippenstift-Bestand für eine mittlere Großstadt ausreichen würde.“

Ja und dann ist da noch das Geo Special. Redakteur Florian Hanig stellt in seinem Vorwort richtig fest: „Mit keinem anderen Land sind wir geschichtlich so eng verbunden wie mit Polen. Und von keiner anderen Nachbarnation wissen wir so wenig.“ Und so versucht man, mit außergewöhnlichen Fotos auf die informativen Texte zu locken. Man findet das moderne Polen ebenso wie Wildnis im Überfluss. Und wieder die Grenze nach Osten mit Polen als „Europas neuer Pförtner“. Und selbst aus den traditionellen Thema „Pilze“ macht man hier eine interessante Reportage.

Ein ganz besonderer Teil aber ist das Dossier Deutschland-Polen. In einer repräsentativen Umfrage ließ GEO erkunden, was Polen über Deutsche und Deutsche über Polen denken. Und in einem ausführlichen Kartenwerk wird die Entwicklung Polens in Europa dargestellt. Auf einem kleinen Foto im Editorial ist übrigens auch POLEN und wir-Autorin Dorota Barwinska aus Kraków zu finden: Sie hatte GEO-Fotograf Peter Ginter als Dolmetscherin begleitet.