Handkuss und Putzlappen

Wirkliche Emanzipation in Polen immer noch ein Fremdwort?

 

Von  Berenika Partum

In der ersten Hälfte der 70er Jahre startete in den westlichen Ländern die Frauenbewegung.  In Polen dagegen blieb das Thema fast zwanzig Jahre lang unbemerkt. Kein Wunder, denn die Frau im Kommunismus hatte in ihrem Alltag weitaus andere Sorgen. Sie war damit beschäftigt, die ganz normalen Engpässe bei der Lebensmittelversorgung zu überbrücken oder Kleidung für die Kinder irgendwo zu organisieren. Der Westen, wo Frauen in geräumigen Wohnungen, umgeben von Luxusgütern, die Muße hatten, über Probleme im Geschlechterverhältnis zu debattieren, war für die Frauen in Polen ein Traumland.

 

Nach 1989 änderten sich nicht nur die wirtschaftlichen, sondern auch die gesellschaftlichen Verhältnisse im Land. Das Jahr der Wende war somit nicht nur die Neuerlangung der wieder gewonnen Freiheit, sondern auch die Geburtsstunde des polnischen Feminismus. Das Abtreibungsverbot, eingeführt 1993, führte letztendlich dazu, dass Frauen ihre Rechte auf Selbstbestimmung in verschiedenen Bereichen einzufordern begannen. Langsam entdeckte vor allem die junge Generation der Frauen die westliche  Emanzipation für sich. 

Aber sind dabei die vorgegebenen westlichen Wege überhaupt die richtigen? Gibt es polnische Eigenheiten im Verhältnis der Geschlechter zueinander? Das Bild, welches die Frau verkörpert, ist stark von männlichen Wünschen geprägt. Weiblich gekleidet soll sie sein, geschminkt und mit Absätzen herumlaufen. In allen Lebenssituationen sollte sie zum Flirt einladen. 

Für Galanterie sind polnische Herren durchaus berühmt. Da wird der Dame der Vortritt gelassen, die Hand geküsst, der eigene Platz angeboten oder ähnliches unternommen. Dass sich eine Frau die Zigarette selbst anzündet, kommt so gut wie nie vor. Ziemlich schnell findet sich immer ein männlicher Begleiter, der Feuer reicht. Aber viel weiter geht der männliche Eifer nicht. Um Haushaltsarbeit machen polnische Männer einen großen Bogen.

So lasten auf den Schultern der Frauen noch immer Verpflichtungen wie Waschen, Spülen, Putzen. Dabei sollte sie sich auch selbst nicht vernachlässigen. Es ist schon nicht leicht für junge polnische Frauen, die Rolle einer "Superwoman" zu erfüllen. Hier die Karrierefrau, da die fürsorgliche Mutter, abends dann "Femme Fatale". Beeindruckend jonglieren manche zwischen den verschiedenen durch die Medien verbreiteten Stereotypen; abends dann sieht man ihnen die Anstrengung des Tages kaum noch an, die Pediküre stimmt, die Kleider sind passend ausgewählt, da könnte sich manch ein polnischer Begleiter noch etwas von der Schönheitspflege abgucken.

Umfragen zufolge bevorzugen polnische Männer eine traditionelle Rollenverteilung. Noch immer sind es 47 Prozent der Männer, die eine gleichberechtigte Partnerschaft ablehnen. Die Gründe dafür, liegen in der Vergangenheit. Die komplizierte polnische Geschichte, die durch eine tiefe christliche Religiosität geprägt ist und immer wieder Männer sah, die sich in Aufständen vom Joch der Fremdherrschaft befreien wollten, hat den Mythos der "Matka-Polka" (Mutter Polens) kreiert, die symbolisch für Kraft und Aufopferung gegenüber ihrer Familie steht. Diesem Mythos zufolge verzichtet die Frau auf ihre eigenen Träume und gibt sich stattdessen "größeren Werten" wie Ehe, Kindern, der Nation und dem Vaterland hin. Kurz gesagt: Sie hält ihrem Mann den Rücken frei. Ein Beispiel für diesen Frauentyp ist Danuta Wa³êsa, Frau des Friedensnobelpreisträgers und Mutter von acht Kindern.

Doch Lech Wa³êsa spielt im politischen Leben Polens keine Rolle mehr. Die Frau seines Nachfolgers Alexander Kwaœniewski, Jolanta, dagegen sehr wohl. Sie war sogar lange als Nachfolgerin ihres Mannes im Amt des Staatspräsidenten im Gespräch und repräsentiert den Typus der neuen, selbstbewussten polnischen Frau.

Die Töchter der "Matka Polka" gewinnen wachsenden Einfluss in der polnischen Gesellschaft. Nach einer Erhebung der auch im Westen bekannten Wochenzeitschrift "Wprost" haben sie sich besser als ihre Männer an die Marktwirtschaft angepasst. Sie sind besser ausgebildet und lesen mehr. 10,4 Prozent der Frauen können das Diplom einer Hochschule vorweisen, dagegen nur 9,3 Prozent der erwachsenen Männer. Die Universitäten verzeichneten in den vergangenen Jahren einen immensen Frauenzuwachs.

Doch die Kirche legt der Entwicklung Steine in den Weg. Sie erkennt zwar die Gleichberechtigung von Frau und Mann an, betont aber gleichzeitig die Andersartigkeit der Frau aufgrund ihrer spezifischen "Berufung". Die Frau soll die Hüterin von Heim und Herd bleiben, sie soll den Kindern eine Mutter, dem Gatten eine fürsorgliche Ehefrau sein. Abtreibung ist so gut wie undenkbar.

Doch so starr wie einst sind die Verhältnisse nicht. Immer mehr polnische Väter entdecken das Interesse an ihren Kindern und räumen ihnen mehr Zeit ein. Immerhin sind es nun schon durchschnittlich drei Stunden am Tag. Im Verhältnis zu den Frauen ist es immer noch nicht gleichwertig, diese opfern ihren Kindern die doppelte Zeit, aber immerhin.

Ein bisschen Emanzipation, ein bisschen Tradition - die durchschnittliche Polin übt sich in diesem Spagat, wie auch die Frauenrechtlerin Ewa Schawarska feststellt.  "Es gibt zwei Schemata, die Mutter-Polin und die Feministin. Doch der weibliche Teil der Gesellschaft ordnet sich irgendwo dazwischen ein."