Polens
Brotkorb
Von Gerd Kaiser
Wie ging es und wie geht es "Pan Kowalski"? War 2004 doch das
Jahr, in dem Polen in die EU eintrat, und ist das Jahr 2005 doch ein Wahljahr
in Polen, wo im Juni oder September gewählt werden wird. Bereits jetzt ist es
so gut wie sicher, dass die von der SLD geführte Koalition abgewählt werden
wird. Obwohl die nach dem viel zu spät erfolgten Rücktritt Leszek Millers von
Marek Be³ka geführte Regierung an Ansehen gewonnen
hat. Jüngst verlor die SLD-Fraktion im Sejm jedoch
auch noch ihren Vorsitzenden Józef Oleksy, dem ein Gericht bestätigte, dass er die Unwahrheit
über seine Vergangenheit gesagt hatte.
Die aus der SLD hervorgegangene
und von Marek Borowski geleitete Abspaltung (in
Anlehnung an seinen Familiennamen die "Borówki"
- "Preiselbeeren" genannt), hat gute Chancen, einen erklecklichen
Teil des politischen Erbes der SLD antreten zu können.
Die mit Korruptions- und anderen
Skandalen belastete SLD sieht sich mit politischen Gegnern konfrontiert, die
ihrerseits kaum weniger Skandale am Halse haben. Außerdem zeichnen sie sich -
wie auch die SLD - durch programmatische Ideenarmut aus. Da geht es den Menschen
(in Polen) wie den Leuten (in Deutschland) ... Da für die Masse der Wähler
keine Alternativen erkennbar sind, nehme ich an, dass sich ein großer Teil der
Polen dem Wahl-Täterätä verweigern wird.
Wie hoch des Polen Brotkorb
hängt, berechnet Jahr für Jahr seit langem die "Polityka".
Sie lässt ermitteln, wie viel im Jahresdurchschnitt für einen aus annähernd
2000 Positionen bestehenden Waren- und Dienstleistungskorb ausgegeben werden
muss und wie dies im Vergleich zu anderen Ländern aussieht.
Das monatliche Bruttoeinkommen
belief sich für Pan Kowalski im Vorjahr auf 2.371,- Z³oty und war damit um
199,- Z³oty höher als 2003. Bevor berechnet werden kann, wie viel man von
diesem Monatseinkommen für sich selbst und für die Familie ausgeben kann, ist
vorab noch abzuziehen, was an Steuern etc. vom Einkommen abgeht. In Polen sind
es 31,2% und damit deutlich weniger als in Deutschland, wo 41,9% weggesteuert
werden, aber auch deutlich mehr als in Tschechien mit 21,4% und Großbritannien
mit 24,3%. Somit betrug also das monatliche Nettoeinkommen von Pan Kowalski
1.631,- Z³oty, das sind 141,- Z³oty mehr als im Jahr 2003.
Konnten in Polen 2003 noch 12
Waren bzw. Dienstleistungen erworben oder genutzt werden, die im Vergleich zu
allen anderen Ländern am wenigsten kosteten, waren es 2004 lediglich noch 8
Positionen dieser Art. Am preiswertesten im europäischen Vergleich kaufte man
in Polen 2004 folgende Waren: Eier (6 Stück 0,58 €), Käse vom Typ Gouda (3,86 €/kg, in Deutschland 4,90 €), Kartoffeln 0,17
€/kg), Äpfel (0,36 €/kg, in Deutschland 1,99 €). Dagegen stieg der Preis für
Roastbeef in den Sommermonaten in Polen auf 30 Z³oty/kg und bei Filet auf 60 Z³oty/kg.
Wie seit langem ist Telefonieren in Polen ein teures Vergnügen. Unterm Strich
erwies sich nach acht Monaten EU, dass zwar die Lebenshaltungskosten gestiegen
sind, allerdings nicht in dem Maße, wie befürchtet worden war.
Polnische Wissenschaftler und
Politiker aller Couleur errechneten jedoch, dass Polen annähernd eine Milliarde
Euro mehr aus dem EU-Topf geholt habe, als es selbst einzahlt. Und was
ebenfalls niemand vorhergesehen hatte: Besonders bei den Bauern schlugen 2004
erstmals seit 15 Jahren höhere Einkünfte zu Buche. Doch ob sich das alles in
der Wahlbeteiligung im kommenden Herbst niederschlagen wird, ist offen.
"Das Blättchen"
Nr. 4, Zweiwochenschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft, Berlin, vom
14.2.2005; www.DasBlaettchen.de. Wir danken der
Zeitschrift für das einmalige Nachdruckrecht.