Polen verabschiedet neues Minderheitengesetz

 

Von Renata Mróz

Am 6. Januar dieses Jahres verabschiedete der Sejm, das polnische Parlament, das "Gesetz über nationale und ethnische Minderheiten und Regionalsprachen". Damit erfüllte er einen Auftrag der polnischen Verfassung. Die Arbeit an diesem neuen Gesetz hat mehr als 10 Jahre gedauert. Am meisten umstritten waren die Quoten für die nationalen Minderheiten, ab wann sie ihre Sprache als Amtssprache neben dem Polnischen in den Gemeinden einfordern können. Vor allem die deutschen Minderheitenvertreter wollten die Grenzwerte auf 10 Prozent der Gemeindemitglieder oder niedriger herabgesetzt sehen. Der Senat, die zweite Kammer des polnischen parlamentarischen Systems, dagegen verabschiedete letztes Jahr eine Quote von 50 Prozent, was faktisch in nur ganz wenigen Gemeinden erreicht wird und diese Quote damit ad absurdum geführt hätte.

 

Trotz der an das polnische Nationalgefühl appellierenden Einwände der Liga Polnischer Familien (LPR) und einiger unabhängiger Abgeordneter entschied sich die notwendige Mehrheit des Sejm schließlich für eine 20-Prozent-Grenze.

Entsprechend dem neuen Gesetz haben die Angehörigen von nationalen Minderheiten nun das Recht, bei Kontakten mit den örtlichen Behörden ihre Muttersprache anzuwenden. Gleichzeitig haben diese Gemeinden ebenso die Möglichkeit, zweisprachige Orts- und Straßenschilder aufzustellen. Henryk Kroll, der an dem Gesetz von Beginn an mitgearbeitet hatte und einer der zwei Sejm-Abgeordneten der deutschen Minderheit ist, urteilte zufrieden: "Das Gesetz ist für die deutsche Minderheit ein guter und großer Fortschritt." Aber auch die Vertreter der anderen Minderheiten, waren stark an einer möglichst geringen Quote interessiert.

Das Gesetz bezieht sich auf die nationalen Minderheiten der Weißrussen, Tschechen, Litauer, Deutschen, Armenier, Russen, Slowaken, Ukrainer und Juden sowie vier ethnische Minoritäten, die der Karaimer, Lemken, Roma und Tataren, nicht dagegen auf die sich in den letzten Jahren konstituierende Volksgruppe der Schlesier. Außerdem regelt es den Gebrauch der Sprache der Kaschuben, einer regionalen Sprache in der Gegend südlich von Danzig. Wird das Gesetz buchstabengetreu umgesetzt, können nun 28 Gemeinden in den Wojewodschaften Schlesien und dem Oppelner Land Orts- und Straßenschilder in deutscher und polnischer Sprache aufstellen. Auch zwölf Kommunen im Nordosten Polens mit hohem Anteil von Weißrussen, zehn pommersche Gemeinden mit vielen dort wohnenden Kaschuben und die von zahlreichen Litauern besiedelte Region Puñsk könnten künftig ihre Orte und Straßen zweisprachig beschildern lassen.

Mit den Litauern um die Ortschaft Puñsk war ein besonderes Politikum verbunden: Es gibt zwischen Warschau und Vilnius wegen der Behandlung der polnischen Minderheit in Litauen oft Streit. Trotzdem lehnten die demokratischen Kräfte in Polen zu Recht das "Prinzip der Gegenseitigkeit" - "Wie du meine, so behandle ich deine Minderheit!" - als verwerflich ab. Eigentlich gibt es ein ähnliches Problem zwischen Deutschland und Polen. Aus Warschauer Sicht ist die Behandlung des Polentums in Deutschland weit von den Privilegien der Deutschen in Polen entfernt, in Gesprächen zwischen Warschau und Berlin ist das jedoch kein Thema.

Viktor Leyk, der für Minderheiten zuständige Beauftragte des Marschalls in der Wojewodschaft Ermland und Masuren, spricht von einer "positiven psychologischen Wirkung" für die Minderheiten. "Auch wenn im Gesetz fast nichts Neues steht: Es ist gut, dass es dieses Gesetz nun in kompakter Form gibt", betont Leyk, der sich in dieser Region um Deutsche, Ukrainer, Weißrussen, Masuren und Roma kümmert. In der Tat waren die meisten Paragraphen des neuen Gesetzes schon in früheren Gesetzen und Verordnungen festgeschrieben worden, etwa das Recht auf eigene Sprache, Tradition, Kultur, eigene Bildungs- und Kulturinstitutionen sowie eigene Vornamen und Namen. Festgelegt wird im neuen Gesetz dagegen erstmals, welche Gruppen zu einer nationalen und zu einer ethnischen Minderheit zu zählen sind. 

Polens Nationalkatholiken werden den demokratischen Kräften - nicht nur aus der Linken - im bevorstehenden Wahlkampf wegen des Gesetzes nun gewiss "nationalen Verrat" vorwerfen.