Polnische Soldaten im II. Weltkrieg (Teil 2)

Von Lenino nach Berlin

Von Andreas Schuckert

 

Nach der Besetzung Polens durch die Wehrmacht entstanden verschiedene konspirative militärische Organisationen, die nach dem Überfall Nazi-Deutschlands auf die UdSSR zum bewaffneten Partisanenkampf übergingen. Als die bekanntesten wären hier zu nennen die Bauernbataillone sowie die Volksgarde/Volksarmee (Armia Ludowa), die im Juli 1944 per Dekret des Landesnationalrates in die in der UdSSR aufgestellten polnischen Streitkräfte eingingen und zusammen die polnischen Armee (Wojsko Polskie) bildeten. Des Weiteren gab es die von der polnischen Exilregierung gegründete Landesarmee (Armia Krajowa), die sich von der Politik der "zwei Feinde" (Deutschland und die UdSSR) leiten ließ. Die Landesarmee ging erst ab 1943 zum Partisanenkampf über und wurde im Januar 1945 aufgelöst.

 

Nach der Bildung des Bundes Polnischer Patrioten kam es in Zusammenarbeit mit der Sowjetregierung Anfang Mai 1943 zur Aufstellung der polnischen "Koœciuszko-Division" auf ihrem Territorium. Nach dem Prozess der Aufstellung, Einkleidung, Bewaffnung und Ausbildung konnte bereits Ende August während einer Divisionsübung festgestellt werden, dass ein Einsatz des Verbandes an der Front zu rechtfertigen war.

Am 12/13. Oktober 1943 kämpfte die 1. Polnische Division im Bestand der 33. (Sowjetischen) Armee der Westfront bei Lenino. 1950 wurde per Dekret des Präsidenten der VR Polen der 12. Oktober als der Tag der polnischen Armee festgelegt. Bedingt durch einen nicht abreißenden Strom von Freiwilligen wurde ab August 1943 das 1. polnische Korps aufgestellt. Im April 1944 wurden alle in der Sowjetunion aufgestellten polnischen Truppenteile zur 1. Polnischen Armee vereinigt (Kampfstärke ca. 91 000 Mann). Die erste Polnische Armee nahm im Bestand der 1. Belorussischen Front an der Befreiung der polnischen Ostgebiete, an den Kämpfen zur Unterstützung der Warschauer Aufständigen (welcher bekanntlich scheiterte) sowie im Januar/Februar 1945 an der Befreiung Warschaus, am Durchbruch des Pommernwalls sowie im März/April an der Ostpommernoperation der Sowjetarmee teil.

Nach Einführung der Mobilmachung im August 1944 in den befreiten Gebieten wurden zusätzlich die 2. Polnische Armee und weitere Verbände, Truppenteile und Einheiten gebildet (z.B. ein Panzerkorps, ein gemischtes Fliegerkorps, zwei Artilleriedivisionen). Sie wurden Mitte März der 1. Ukrainischen Front unterstellt und nahmen an der Befreiung der westlichen Gebiete Polens teil. 

Die Berliner Operation

Im Bestand der 1. Belorussischen Front kämpfte die 1. Polnische Armee und im Bestand der 1. Ukrainischen Front die 2. Polnische Armee. Beide polnischen Armeen sollten durch ihre aktiven Angriffs- und Verteidigungshandlungen die Flanken beider Fronten nach Norden und Süden sichern, die ihre Offensive direkt in Richtung Berlin entfalteten. Es gehört mit zu den größten Leistungen beider polnischer Armeen, dass es weder aus dem Norden der Heeresgruppe Weichsel noch aus dem Süden der Heeresgruppe Mitte gelang, in die Kämpfe im Stadtgebiet Berlins einzugreifen.

Am 30. April 1945 wurde die 1. Infanteriedivision "Tadeusz Koœciuszko" nach Berlin verlegt, wo sie im Bestand der         2. Gardepanzerarmee an den schweren Kämpfen im Tiergarten teilnahm. Bevor sie nach der Kapitulation am Mittag des 2. Mai in den Bestand der 1. Polnischen Armee zurückgeführt wurde, hissten die Soldaten auf der Siegessäule und dem Brandenburger Tor noch ihre weiß-rote Nationalfahne.

Der Beschluss, polnische Soldaten im Kampf in Berlin einzusetzen, war neben militärischen Gesichtspunkten auch ein Akt besonderer Auszeichnung und Anerkennung für sie. Der Kampfweg der 1. Polnischen Armee endete am 6. Mai an der Elbe.

Die Prager Operation

Nach schweren Abwehrkämpfen gegen Truppen der Heeresgruppe Mitte nahm die 2. Polnische Armee ab dem 7. Mai an der Prager Operation im Bestand der 1. Ukrainischen Front teil. Sie griff über das Lausitzer Bergland und das Böhmische Mittelgebirge an und erreichte am 11. Mai Melnik.

Neben 200 000 polnischen Soldaten, die an aktiven Kampfhandlungen teilnahmen, standen weitere 200 000 Soldaten als Reserve sowie zum Schutz des rückwärtigen Frontgebietes bereit. In beiden Operationen hatten die polnischen Armeen auch hohe Verluste mit rd. 35 000 Mann an Gefallenen, Verwundeten und Vermissten zu beklagen.

Zusammen mit rund 200.00 polnischen Soldaten, die auf den anderen Kriegsschauplätzen des 2 Weltkrieges kämpften, sowie Luft- und Seestreitkräften, zählten die von Polen in der Endphase des Krieges mobilisierten Kräfte der regulären Truppen rund 600.000 Mann. Damit stellten die polnischen Soldaten hinter der Sowjetunion, den USA und Großbritannien das viertgrößte Truppenkontingent.