Studie
dokumentiert hohe Ausländerfeindlichkeit
Ausländerfeindlichkeit ist in Deutschland nach wie vor weit verbreitet.
Laut einer aktuellen Studie der Universität Leipzig stimmt ein Viertel der
bundesdeutschen Bevölkerung ausländerfeindlichen Aussagen ausdrücklich zu. In
Sachen Fremdenfeindlichkeit hat der Westen den Osten Deutschlands inzwischen
eingeholt. Stark zugenommen haben rechtsextreme Einstellungen insbesondere bei
Personen mit höherem Bildungsabschluss. Die Autoren der Studie führen dies auf
die wirtschaftliche Lage zurück.
Im Rahmen der Untersuchung im
Herbst 2004 wurden rund 2.500 Deutsche aller Altersgruppen und Bildungsniveaus
zu rechtsextremen Einstellungen befragt. Als Dimensionen eines rechtsextremen
Weltbildes wurden Befürwortung einer rechtsautoritären Diktatur, Chauvinismus,
Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus, Sozialdarwinismus sowie Verharmlosung
des Nationalsozialismus untersucht.
Es gab große Zustimmung zu den
meisten Aussagen. Vor allem ausländerfeindliche Positionen wurden von einem
Viertel der Bevölkerung ausdrücklich geteilt. Besonders hohe Zustimmung
verzeichnete die Aussage: "Die Bundesrepublik ist durch die vielen
Ausländer in einem gefährlichen Maße überfremdet." 38% der Befragten
stimmten ihr zu. Der Anteil derer, die der Aussage zwar nicht zustimmen, sie
aber auch nicht ablehnten, lag bei 26%. Nur 37% lehnten diese Aussage explizit
ab.
Ausländerfeindlichkeit hat im
Vergleich zu früheren Studien leicht abgenommen. Dennoch sprechen die
Wissenschaftler "von einem breiten ausländerfeindlichen Konsens in der
Bevölkerung". Auch chauvinistische Äußerungen wurden oft bestätigt, so die
Autoren.
36% der Befragten aus Ost- und
sogar 41% aus Westdeutschland bejahten: "Wir sollten endlich wieder Mut zu
einem starken Nationalgefühl haben." Die Aussage "Was unser Land
braucht, ist ein hartes und energisches Durchsetzen deutscher Interessen
gegenüber dem Ausland" fand die Zustimmung von 28% der Befragten. 24%
wünschen sich eine "Partei, die die Volksgemeinschaft verkörpert" und
17% einen "Führer, der Deutschland zum Wohle aller mit harter Hand
regiert".
Ein zunächst überraschendes
Ergebnis der Studie ist, dass Westdeutsche inzwischen in ähnlich starkem Maße
ausländerfeindliche Meinungen vertreten wie Ostdeutsche. Dies liegt an einer
leichten Zunahme im Westen, aber vor allem an einer Abnahme im Osten. Vielen
rechtsextremen Aussagen stimmen mehr West- als Ostdeutsche zu. Ein Beispiel
hierfür ist die Verharmlosung des Nationalsozialismus: 16 % der befragten
Westdeutschen stimmten der Aussage: "Ohne Judenvernichtung würde man
Hitler heute als großen Staatsmann ansehen" zu, aber nur 6% der
Ostdeutschen. Auch antisemitische Positionen sind im Westen verbreiteter.
Außerdem stellten die Wissenschaftler fest, dass ältere Menschen rechtsextremen
Aussagen eher zustimmen als jüngere. Das Geschlecht spielte dagegen eine
geringe Rolle.
Ein weiterer Bestimmungsfaktor
für rechtsextreme Einstellungen ist das Bildungsniveau. Zwar stimmten Befragte
mit höherem Bildungsabschluss rechtsextremen Aussagen seltener zu als weniger
gebildete. Der Anteil der Höhergebildeten, die den vorgelegten Sätzen
zustimmten, hat jedoch im Vergleich zu den Vorjahren deutlich zugenommen.
"Einen ersten Hinweis auf die Gründe für diese alarmierende Entwicklung
geben die hohen Zustimmungswerte der so genannten Modernisierungsverlierer",
so Elmar Brähler, Projektleiter der Studie und Leiter
der Selbständigen Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische
Soziologie an der Universität Leipzig. "Die wirtschaftliche Krise und der
strukturelle Umbau des Sozialstaates sind nun auch in bildungsnahen Schichten
der Bevölkerung zu spüren." Der Mittelstand sei von sozialer Deklassierung
bedroht, wie sie bisher in dieser Breite nur Angehörigen bildungsferner
Schichten gedroht habe. "Rechtsextremismus und Antisemitismus scheinen
stabile Einstellungsmuster zu sein, die bei sozialen Krisen aus der Latenz
treten", so Oliver Decker, ein an der Studie beteiligter Psychologe.
"Unsere Ergebnisse untermauern die These von den
Modernisierungsverlierern: Die stärkste Ausländerfeindlichkeit findet man bei
Erwerbslosen".
Im Unterschied zu anderen
Untersuchungen wurden in dieser Studie nur rechtsextreme Einstellungen, nicht
jedoch rechtsextremes Verhalten oder Gewalt untersucht. Verschiedene Berichte
dokumentieren für das Jahr 2004 in Deutschland und Europa einen deutlichen
Anstieg rechtsextremer Gewalt . me
Die Studie ist Online verfügbar
unter:
www.uni-leipzig.de/~medpsy/pdf/rechtsextremismus_230605.pdf
Weitere Informationen: www.bpb.de/themen/M6RM34,0,0,Rechtsextremismus.html
(Themenschwerpunkt der Bundeszentrale für politische Bildung); www.idgr.de (Informationsdienst gegen Rechtsextremismus)
(Aus: Migration und Bevölkerung, Newsletter, Ausgabe 7, September 2005, http:// www.migration-info.de)