Lobby aller
NS-Verfolgten
Von Jost Rebentisch und Michaela Zalucki
Seit fünfzehn Jahren berät der Bundesverband Information und Beratung für NS-Verfolgte e.V. mit Sitz in Köln weltweit Verfolgte des Nationalsozialismus. Im Auftrag der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hat der Bundesverband eine Transferstelle für Überlebende nationalsozialistischer Verfolgung in diesem Bundesland eingerichtet. Hier beraten und informieren die Mitarbeiter/innen des Bundesverbandes über Ansprüche gegenüber dem Härtefond des Landes, die von allen in diesem Bundesland lebenden NS-Verfolgten geltend gemacht werden können. Vertreter/innen des Bundesverbandes sitzen auch im Beirat des Härtefonds. Dort wurden u.a. die Richtlinien für Anspruchsberechtigungen und die Informationen darüber verbessert sowie die Zahlung von laufenden Leistungen erreicht.
Der Bundesverband hat schon
vielen Überlebenden in der ganzen Welt Entschädigungen, Renten und andere
Leistungen erstritten - zuletzt war er maßgeblich an
der Entschädigung der ehemaligen Zwangsarbeiter/innen durch die Einrichtung der
Bundesstiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" beteiligt.
Hier ist der Bundesverband neben der Jewish Claims Conference die einzige
Interessenvertretung der Überlebenden, die ein Kuratoriums-Mitglied stellt. Mit
der Nachweisbeschaffung für ehemalige NS-Zwangsarbeiter/innen gelang es dem
Bundesverband in Zusammenarbeit mit dem Bundesarchiv, mehr als 43.000
Antragsteller/inne/n die dringend benötigten Nachweise zu beschaffen.
Der Bundesverband vertritt aber
auch außerhalb der Bundesstiftung als Lobby-Organisation die Interessen aller
NS-Verfolgter, unabhängig von deren Verfolgungsgründen, in Politik und
Gesellschaft. Seit dem Jahr 2002 haben die Mitarbeiter/innen des
Bundesverbandes mehrere Tausend Überlebende der Ghettos der Nazis beraten, die
einen Antrag auf eine deutsche Altersrente gestellt haben. Gerade weil hier in
vielen Fällen noch kein Erfolg zu verzeichnen ist, kämpft der Bundesverband um so härter für die Anerkennung der Ansprüche der
Überlebenden. Ihre weit reichenden Recherche-Erfahrungen
nutzen die Mitarbeiter/innen des Bundesverbandes immer wieder, um
Nachforschungen für NS-Verfolgte und deren Familienangehörige, sei es nach
Dokumenten oder Personen, durchzuführen.
Engagement in der Altenhilfe
Doch neben den Fragen der
Entschädigung und der Interessenvertretung engagiert sich der Bundesverband
ebenfalls für die Belange von NS-Verfolgten in der Altenhilfe. So gehört der
Bundesverband zu den Unterzeichnern des Memorandums für eine kultursensible
Altenhilfe und unterstützt die gleichnamige internationale Kampagne. Die Ziele
der Kampagne, für eine verbesserte biographie- und am Individuum orientierte
Pflege zu sorgen und dabei den Aspekt der Migration unter Einbeziehung der
Betroffenen im Blick zu halten, entspricht auch den Vorstellungen des
Bundesverbandes von gelingendem Altern. Unter den Überlebenden des NS-Regimes
gibt es zudem zahlreiche Seniorinnen und Senioren mit Migrationshintergrund
mit sehr unterschiedlichen Verfolgungsgründen. Über die Beteiligung an der
Kampagne werden wir nicht müde, immer wieder auf diese besondere Migrationsgeschichte hinzuweisen.
Das Engagement in der Altenhilfe
findet seit Mai 2005 konzentriert in einem von der Stiftung Wohlfahrtspflege
NRW geförderten Projekt zur "Anpassung der Altenhilfe an die Bedürfnisse
alter NS-Verfolgter" statt. Die Sensibilisierung des Personals in der
Altenhilfe und -pflege sowie der Öffentlichkeit für die besondere Problematik
der NS-Verfolgten in der Altenhilfe gehört mit zu den Zielen des Projektes.
Durch die direkte Beratung der Betroffenen konnte in zahlreichen Fällen eine
große Zurückhaltung bei der Inanspruchnahme von Hilfeleistungen festgestellt
werden. Begründet liegt diese Scheu häufig in den negativen Erfahrungen, die
während des Nazi-Regimes mit öffentlichen Einrichtungen gemacht wurden. Eine Umfrage,
die z. Zt. durchgeführt wird, soll weiteren Aufschluss über die konkreten
Hilfebedarfe der Überlebenden geben. Im gleichen Zuge werden Zugangsbarrieren
zum Altenhilfesystem ermittelt, um sie Schritt für Schritt abbauen zu können. Inzwischen
haben erste Vernetzungen mit einem Pflegedienst und Anbietern von betreutem
Wohnen stattgefunden, die bereit sind, ihre Serviceleistungen entsprechend den Bedürfnissen von ehemals NS-Verfolgten
auszurichten.
Die Schaffung von ‚Orten der
Zuflucht', in denen die Überlebenden der NS-Verfolgung sich sicher fühlen, hat
bereits erste Gestalt angenommen. In Köln realisiert der Bundesverband ein für
alle Verfolgten offenes Erzähl- und Begegnungscafé. Hier tauschen sich
Überlebende alle vierzehn Tage in entspannter Atmosphäre bei Kaffee und Kuchen
aus. Alle zwei Monate öffnet sich das Café der interessierten Öffentlichkeit -
dann haben die NS-Verfolgten, die dies wünschen, Gelegenheit, z.B. mit
Schülerinnen und Schülern über ihre Erfahrungen zu sprechen. Die bisherigen Erfahrungen
haben gezeigt, dass trotz aller bestehenden Unterschiede unter den
Überlebenden, eine Kontinuität unter den Teilnehmenden eingetreten ist. Auch
neue Freundschaften sind geschlossen worden. Der Erfolg zeigt, dass die Einrichtung
weiterer Cafés auch jenseits der Grenzen von Nordrheinwestfalen anzustreben
ist. Der Bundesverband wird diese Themen weiter vorantreiben und mit nötigem
Nachdruck auch auf politischer Ebene vertreten.
Kontakt: Bundesverband Information und Beratung für NS-Verfolgte e.V., Holweider Str.13-15, 51065 Köln, Tel: 0221 17 92 94 0, www.ns-beratung.de