15 Jahre Veit-Stoß-Stiftung
Von Klaus Göttner
Die Gründung dieser spezifischen Nichtregierungsorganisation, der
„Veit-Stoß-Stiftung zur Bewahrung Polnisch-Deutschen Kulturerbes und des
Allpolnischen Klubs für Polnisch-Deutsche Nachbarschaft“ in einer Zeit der
gesellschaftlichen Transformation war ein mutiger und weitsichtiger Schritt.
Die Gewinnung von Mitgliedern aus allen Schichten der polnischen Gesellschaft
für dieses Anliegen, vieler bekannter Persönlichkeiten, von
Deutschlandspezialisten, Wissenschaftlern und Angehörigen des katholischen
Klerus, gab Bürgern die Möglichkeit zur öffentlichen Auseinandersetzung und
Einflussnahme auf die Haltung zum Nachbarland. Die Konferenzen und Workshops zu
historischen und strittigen Fragen unserer Nachbarschaft, die kritische
Auseinandersetzung mit aktuellen Problemen in den Beziehungen und das neuartige
Herangehen an alte Streitfragen, wie die Rolle des Deutsch-Ritterordens oder
die Anerkennung eines gemeinsamen Kulturerbes, vor allem in den Nord- und
Westgebieten, verbunden mit einer beginnenden Aufarbeitung jahrhundertelangen
deutsch-polnischen Zusammenlebens, haben dem Aussöhnungsprozess spürbare
Impulse verliehen. Dazu hat auch die editorische Arbeit der Stiftung
beigetragen.
Die Publizierung von Büchern über
deutsche Persönlichkeiten, die sich um die Zusammenarbeit Verdienste erworben
haben, von Büchern deutscher Autoren aus diesen Gebieten in Polnisch, die
Herausgabe der Schriftenreihe "Dilemmata der Nachbarschaft", in der man
sich mit Problemen der bilateralen Beziehungen kritisch und progressiv
auseinandersetzt, und die Europa-Hefte, die seit 2001 über Polens Weg in die EU
mit Problemen/Lösungsvorschlägen informiert haben, förderten mit das
gegenseitige Verständnis. Dazu gehört auch die öffentliche Einmischung in
aktuelle Diskussionen und die Zurückweisung nationalistischer Töne.
Die diesjährige Jahrestagung war
den polnisch-deutschen Beziehungen in ihrer europäischen Dimension gewidmet.
Sie war aufgrund der gesellschaftlichen Beachtung dieses Ereignisses, der hohen
Beteiligung, insbesondere vieler junger Teilnehmer und von Studenten, sowie der
inhaltlichen Darlegungen sehr bemerkenswert.
Zu Beginn wurde die Rede von
Prof. Pastusiak, Marschall des Senates, verlesen, da er die Tagung nicht
persönlich eröffnen konnte. Einer seiner Schwerpunkte war die Notwendigkeit
einer neuen Öffnung in den polnisch-deutschen Beziehungen aufgrund der
gemeinsamen Mitgliedschaft in der EU. Er unterstrich u.a., Polen könne ein
gewichtiger Partner bei der europäischen Vereinigung sein, "natürlich
durch das Bündnis mit den Deutschen und den Franzosen (...). Dabei sei die
polnische Staatsräson eng mit der europäischen verbunden. Unter Hinweis auf die
gemeinsamen europäischen - ideologischen und geistigen - Wurzeln legte er dar,
dass die polnischen Interessen nicht im Widerspruch zu den amerikanischen und
russischen stehen müssten. Des weiteren ging er auf den gegenwärtigen Kampf um
die Erinnerungen und die gerechte Einschätzung der Vergangenheit ein und
stellte fest, "die Wolken der Vergangenheit vergiften die Atmosphäre,
nicht nur in der polnisch-deutschen Zusammenarbeit, sondern sie hemmen und
belasten auch den Prozess einer neuen gesellschaftlichen Ordnung auf dem ganzen
Erdball". Außerdem betonte er, dass die Siegermächte im 2. Weltkrieg eine
stabile territoriale Ordnung, die für die aktuellen und zukünftigen Interessen
Polens vorteilhaft ist, geschaffen haben. Seit 60 Jahren gehörten die Nord- und
Westgebiete aufgrund internationaler Rechtsakte zu Polen.
Ausgehend vom Motto
"Erinnerung an die Vergangenheit und Visionen der Zukunft", traf der
Vorsitzende, Herr Klimczak, in seinen Ausführungen die interessante
Feststellung, dass der vor sich gehende Versöhnungsprozess und das
polnisch-deutsche Zusammenwirken Muster für den Aufbau einer moralischen und
gesellschaftlichen Ordnung sein können, ein Beispiel zur Lösung vieler noch
unter der Decke schwelender Konflikte in Europa. Gemeinsam mit dem
deutsch-französischem Beispiel könne so der begonnene Aussöhnungsprozess Polens
mit der Ukraine und Litauen angeregt werden, wobei auch die eingefrorenen
polnisch-russischen bzw. belorussischen Beziehungen einen Impuls benötigten.
Beim Vergleich des
deutsch-polnischen mit dem deutsch-französischen Aussöhungsprozess wies er auf
die geringeren gesellschaftlichen Kontakte zwischen Deutschland und Polen hin.
Kritisch stellte er weiter fest, dass die polnisch-deutsche Aussöhnung zunächst
von staatlicher Seite praktiziert und erst später von gesellschaftlichen
Kräften getragen wurde, so dass die politische und intellektuelle Elite davon
überrascht worden ist. Dieser lang andauernde Prozess sei oftmals durch
Initiativen gestört worden, auf die die Gesellschaft nicht vorbereitet war, wie
die Bitte der polnischen katholischen Bischöfe über gegenseitige Vergebung und
Versöhnung. Ausgehend von einem nur oberflächlich vorhandenem Gefühl der
Aussöhnung in beiden Ländern, wobei es in Polen emotional und physisch stärker
ausgeprägt sei, umfasse es nicht alle gesellschaftlichen Kreise. Das zeige die
unterschiedliche Haltung der Parteien und von Teilen der
Nichtregierungsorganisationen zu polnisch-deutschen Fragen. Kritisiert wurde
ebenfalls, dass die polnisch-deutschen Beziehungen vor allem im Bewusstsein der
Eliten und noch zu wenig im Allgemeinen gesellschaftlichen Bewusstsein
verankert seien.
Gefordert wurden gegenseitig
größere Kenntnisse über kulturelle und wissenschaftliche Leistungen und
gemeinsame Entwicklungen in Forschung und Innovation, wobei es kaum
Präsentationen gemeinsamer Errungenschaften gebe. Die Tage Polens und
Deutschlands seien dazu nicht ausreichend. Bezüglich der gegenwärtigen Probleme
und Schwierigkeiten in den bilateralen Beziehungen betonte er die Bedeutung des
Dialogs und äußerte, dass es in den letzten zwei Jahren auf beiden Seiten
Kommunikationsdefizite, zu wenig Bereitschaft und Willen zur Verständigung
gegeben habe. Bei der Fortsetzung der Gespräche müsse man über die schweren Fragen
der Vergangenheit, das Polen zugefügte Leid, aber auch das Unrecht bei der
Umsiedlung, über die Rückgabe der Kulturgüter, über die Genugtuung für die
Zwangsarbeiter, über Schulbücher und den Geschichtsunterricht sowie über die
Erhaltung der Spuren des Zusammenlebens reden. Insgesamt gehe es um eine Verstärkung
der gesellschaftlichen Kontakte im Rahmen der regionalen Zusammenarbeit in der
EU, wobei die polnischen Nord- und Westgebiete hierfür besonders prädestiniert
wären.
In seiner Bilanz würdigte er auch
die Bedeutung des guten Zusammenwirkens mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Hervorgehoben
wurden weiter die Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für gute Nachbarschaft zu
Polen, mit der Vereinigung der Europa-Häuser sowie den Polonia-Organisationen
"Rod³a" und "Zgoda". Die Erklärung der Gesellschaft für
gute Nachbarschaft zu Polen zum 60. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus wurde als bewegendes Zeugnis deutscher Empfindlichkeit
gegenüber Polen gewertet.
Professor Dobrosielski
beschäftigte sich in seinem außerordentlich interessanten Beitrag u.a. mit dem
von der Bush-Administration ausgelösten globalen Krieg gegen den Terrorismus.
Dabei schätzte er ein, dass die Außen- und internationale Sicherheitspolitik
der USA zu einer Verstärkung des Terrors geführt habe und eine Bedrohung für
die Menschheit darstelle. Notwendig sei, der globalen Hegemonialpolitik der USA
entgegenzuwirken. Dabei müsse die EU eine Rolle spielen. Eine Unterordnung der
EU unter die USA-Politik schaffe neue Gefahren. Des Weiteren setzte er sich mit
der Haltung Polens zu Russland auseinander, in dem Polen seine größte Bedrohung
sehe. Die antirussische Kampagne sei gegen die Interessen Polens gerichtet und
verhindere eine Normalisierung der Beziehungen. Ein anderer Schwerpunkt war die
EU-Verfassung. Neben der Wertschätzung der Präambel und der Grundrechte
reflektierte er kritisch die Festschreibung einer neoliberalen
Wirtschaftspolitik und die Festlegungen zur Sozial-, Außen- und
Sicherheitspolitik.
Die Ministerin für Europäische
Integration legte in ihrem Beitrag dar, dass die Ängste vor der EU hinsichtlich
der politischen und wirtschaftlichen Folgen im Grunde überwunden seien. Jetzt
gehe es vorrangig um eine Wertediskussion, die in Polen noch nicht geführt
worden sei. Sie habe Auswirkungen auf die Gestaltung der Zusammenarbeit, da es
auch um politische und ökonomische Werte gehe. Im weiteren Verlauf legte sie
dann den bekannten offiziellen Standpunkt Polens zur Verfassung dar und
widersprach einigen Darlegungen der Vorredner.
Abschließend bedauerte sie, dass
es noch keinen Referendumstermin gebe, da seine Durchführung nach den Wahlen
problematisch werden könne.
Professor Markiewicz betonte in
seinem Beitrag die strategische Bedeutung der Beziehungen zu den USA, die als
einzige Weltmacht Polen seit 1989 unterstützten. Er beschäftigte sich danach
mit einigen Aspekten der polnischen Außenpolitik gegenüber Russland, der
Ukraine und Litauens.
Die Tagung hat gezeigt, wie aktiv sich die Mitglieder mit der Entwicklung der Zusammenarbeit auseinandersetzen und mit ihren Erkenntnissen in die gesellschaftliche Diskussion einbringen, wie sie versuchen, den Versöhnungsprozess, der die Erinnerung einschließt, voranzubringen. Zugleich wurden die neuen Möglichkeiten aufgrund der gemeinsamen Mitgliedschaft in der EU deutlich aufgezeigt, um so Anregungen für ihre Nutzung zu geben.