Schwierige Themen während eines kurzen Besuchs

"Ich habe dem Herrn Premierminister versprochen, dass Berlin nicht nur an seine eigenen Interessen denkt, sondern auch die Interessen seiner Nachbarn einbezieht. Polen muss eine Chance zur Entwicklung seiner Wirtschaft und Infrastruktur erhalten", sagte Frau Merkel, als sie sich auf die Budgetverhandlungen der EU für 2007-2013 bezog. Sie stimmte zu, dass das neue Budget die Ziele der neuen Mitgliedsstaaten berücksichtigen muss.

 

Während der Pressekonferenz vermieden Frau Merkel und Premier Kaimierz Marcinkiewicz jedoch eine Antwort auf die Frage, ob bereits ein gemeinsamer  Standpunkt bezüglich des EU-Budgets verabredet wurde. (…) Beide unterstrichen den Stellenwert der gemeinsamen Wirtschaftsbeziehungen, die es ihrer Meinung nach zu vertiefen gilt.

Das deutsch-russische Gasleitungsprojekt, das durch die Ostsee führt und polnisches Territorium vermeidet, ist eine "für alle Interessierten offene Angelegenheit", so Merkel. "Dieses schwierige Problem müssen wir Schritt für Schritt lösen", sagte sie. Es sollte eine besondere polnisch-deutsche Arbeitsgruppe eingerichtet werden, die auch dieses Problem angeht.

Einer der im Saal anwesenden deutschen Journalisten fragte Premier Marcinkiewicz, ob die antideutschen Akzente, die angeblich im polnischen Wahlkampf zu hören waren, sich noch einmal wiederholen würden. "Ich habe keine antideutschen Akzente vernommen. Es kann sich also nicht etwas wiederholen, was nicht existent war", sagte der Premier der Republik Polen.

Der erste Besuch der deutschen Kanzlerin in Warschau dauerte einige Stunden. Es begleitete sie der Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der am Samstag nach Moskau fliegt. So bestätigten sich frühere Ankündigungen, dass jetzt deutsche Politiker auf dem Weg nach Russland in Polen zwischenlanden werden.

"Das ist ein gutes Signal. Zeigt es doch, dass Deutschland das Problem erkannt hat, das in einem Mangel an Interesse gegenüber Polen und den anderen neuen EU-Mitgliedern von Seiten der Schrödermannschaft bestand. Frau Merkel ist fest davon überzeugt, dass man das ändern muss. Trotz allem bin ich skeptisch. In den drei für uns wichtigsten Fragen: Beziehungen zu Russland, EU und den transatlantischen Beziehungen hat sie nur sehr begrenzte Möglichkeiten, etwas zu ändern", sagte gegenüber der "Rz" (der Tageszeitung Rzeczpospolita-d. Übers.) Piotr Buras, Politikwissenschaftler vom Willy Brandt Zentrum an der Universität Wroc³aw. "Ein zurück zur Ära Kohl, als Deutschland Mittler zwischen den großen und kleinen Ländern der Union sowie zwischen Europa und den USA war, ist unmöglich", fügte er hinzu. (...)

Das so große Emotionen hervorrufende Projekt Zentrum gegen Vertreibungen rückt nach den letzten Äußerungen von Frau Merkel in den Beziehungen zwischen Polen und Deutschland in den Hintergrund. Im Interview für die "FAZ" erkannte Kazimierz Marcinkiewicz an, dass der die Angelegenheit einer Erinnerung an die Vertreibungen regulierende Passus im Koalitionsprogramm der deutschen Regierung ein "Schritt in die richtige Richtung" ist. Das bedeutet, dass seine Regierung nichts gegen die Errichtung eines "sichtbaren Zeichens" in Berlin hat, das an die Vertreibungen im Geiste der Versöhnung und Zusammenarbeit mit Polen und anderen interessierten Staaten erinnert.                            

Piotr Zychowicz, Piotr Jendroszczyk, Rz vom 3.12.2005