Bilder einer Ausstellung, die tief berühren

"Erinnerungen bewahren"

Zwangs- und Sklavenarbeit von Polen im III. Reich 1939 -1945

Von Klaus Göttner

 

Diese Ausstellung im Warschauer Königsschloss, dem polnischen Nationaldenkmal, war ein gesellschaftliches Ereignis. Sie gibt einen breiten Überblick über die deutsche Ausrottungspolitik gegenüber Polen, gedenkt der Opfer, vor allem der Zwangsarbeiter, die während der deutschen Okkupation gelitten haben und gestorben sind, und ehrt die heute noch lebenden. Die Schirmherrschaft hatte der Präsident der Republik Polen übernommen.

 

Die Eröffnung, wenige Tage nach dem 66. Jahrestag des verbrecherischen Überfalls Hitlerdeutschlands auf Polen, erfolgte durch den Ministerpräsidenten, Prof. Dr. Be³ka. Die hohe Beteiligung weiterer offizieller Repräsentanten des Staates, von Abgeordneten des Sejms und Senats der Republik Polen, von Persönlichkeiten der Kirche, der Stadt Warschau sowie zahlreicher polnischer Opfer des Nazismus zeigte die große Bedeutung, die der Bewahrung der Erinnerung an das polnischen Martyrium in der Zeit der faschistischen Okkupation beigemessen wird.

Diese deutsche Aggression  war und ist für Polen ein prägendes Geschichtsereignis. Die Erfahrungen und Erkenntnisse aus dieser Zeit, die die ersten Nachkriegsgenerationen unmittelbar von den Eltern und später von den Großeltern erhalten haben, werden gegenwärtig von der Gesellschaft weitergegeben. Und wenn wir heute als Deutsche von einem Prozess der Versöhnung mit Polen sprechen, dann sollte das vor allem für uns bedeuten, sich an die Vergangenheit zu erinnern, an die historischen Erfahrungen des Nachbarn und Partners in der EU zu denken, um sie bei der Gestaltung des deutsch-polnischen Zusammenlebens und -wirkens stets zu berücksichtigen. Dazu ist es notwendig zu wissen, was der Alltag während der Okkupationszeit für Polen bedeutete - Terror, Pogrome, tägliche Hinrichtungen, Aussiedlungen, Ausbeutung und Vernichtung durch Arbeit, durch Zwangsarbeit. In Polen gab es neun Konzentrations- und Vernichtungslager, über 100 Straflager und ca. 2000 Arbeitslager. Von 1939-1945 wurden ca. 3 Millionen Polen zur Zwangsarbeit deportiert.

In seiner Rede unterstrich Professor Be³ka u.a., dass "diese Ausstellung ein wichtiger Beitrag zur gegenwärtigen Diskussion über die tragische Teilung der europäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts ist - der Geschichte von Vertreibungen, Zwangsaussiedlungen und Deportationen. Die umfassende Information, die emotional und ästhetisch anspruchsvolle Gestaltung der Ausstellung wird das Interesse am Los Polens in den Kriegsjahren wecken. Das kann dazu beitragen, dass die Deutschen die polnische Sicht auf den 2. Weltkrieg besser verstehen.

Der unerbittliche Zeitenlauf lichtet unaufhörlich die Reihen der Augenzeugen der damaligen Ereignisse. In ihrem Namen rufen die Organisatoren der Ausstellung die Erinnerung an Menschen ins Gedächtnis, aus denen die nazistischen Verbrecher namenlose Sklaven des III. Reiches machten. Das Memento, das Zeugnis unmenschlicher Barbarei muss zu einem dauerhaften Element des historischen Bewusstseins im sich vereinigenden Europa werden. Nur, wenn wir die Erinnerungen über die Vergangenheit bewahren, können wir - Polen und Deutsche - gemeinsam die Zukunft erbauen, als Bündnispartner in der Nato, als Partner in der Europäischen Union und als gute und befreundete Nachbarn im sich vereinigenden Europa".

Professor Su³ek, Vorsitzender der Stiftung für "Polnisch-Deutsche Aussöhnung" bedankte sich zunächst bei den Mitorganisatoren der Ausstellung, der deutschen Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft", der Berliner Geschichtswerkstatt und dem Deutschen Historischen Institut in Warschau für die inhaltliche und finanzielle Unterstützung. Er begrüßte auch die Vertreter der Partnerorganisationen aus Russland, Belorussland, der Ukraine, Tschechien und von der Jewish Claims Conference. In seinen Darlegungen betonte er, " die Ausstellung hat nicht das Ziel, zu hetzen und alte Wunden aufzureißen. Wir wollen weder antideutsche Vorurteile unter der alten Generation aufwärmen noch solche unter der jungen polnischen Generation schaffen. Es geht uns ausschließlich um die Darstellung der historischen Wahrheit über ein wichtiges Fragment des 2. Weltkrieges, die Sklaven- und Zwangsarbeit für das III. Reich. Es geht uns darum, dass diese historische Wahrheit im Gedächtnis der Menschen, der heute lebenden und der kommenden Generationen verbleibt,...als nachhaltiges Element im historischen Bewusstsein des sich vereinigenden Europa".

In seiner kurzen Rede ging der Direktor des Deutschen Historischen Instituts in Warschau, Prof. Ziemer, u.a. auf das Ausmaß der Zwangsarbeit ein. Allein im Jahre 1944 arbeiteten fast 8 Millionen Zwangsarbeiter in Deutschland, d.h. sie waren überall gegenwärtig und keiner könne sagen, dass er davon nichts gewusst habe. Außerdem unterstrich er die Notwendigkeit der Verankerung des Wissens über diese Zeit im Bewusstsein der deutschen und der polnischen Gesellschaft.

Der Vertreter der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft", Herr Saathoff, verwies u.a. darauf, dass "die Geschichte der Zwangsarbeit bis Ende der 80-er Jahre im gesellschaftlichen Bewusstsein kein Thema war. Gründe dafür waren nicht nur finanzielle Probleme, sondern auch Befürchtungen Deutschlands vor unabsehbaren Entschädigungsforderungen. Eine bestimmte Bedeutung für die Politik und die öffentliche Meinung hatte auch der kalte Krieg, wodurch dieses Thema lange Zeit auf internationaler Ebene keine Rolle spielte. Diese Lücke im gesellschaftlichen Bewusstsein, abgesehen von damaligen Bemühungen Polens gegenüber Deutschland, resultierte daraus, dass die osteuropäischen Länder, vor allem die Sowjetunion kein Interesse an dieser Frage hatten". Im weiteren betonte er die Notwendigkeit, die historische Wahrheit und die Fakten über die Zwangsarbeit mit allen ihren Gesichtern aufzudecken. Außerdem solle der Prozess festgehalten werden, wie die Opfer nach 1945 von den Deutschen und in ihren Heimatländern behandelt wurden. Abschließend stellte er fest: "Dieser Teil unserer gemeinsamen Geschichte muss zum gemeinsamen Gut der historischen und politischen Erziehung werden, damit die Jugend und die künftigen Entscheidungsträger auch fähig sind, verantwortungsbewusst zu wirken".

Man sah es den Fotografien in der Ausstellung an, dass sie jahrelange Wegbegleiter waren, Erinnerungen an die Liebste, die Familie, Freunde und an bessere Zeiten. Wie oft mögen sie betrachtet worden sein, Erinnerungen geweckt und Kraft gegeben haben in ausweglos erscheinenden Situationen. In Konfrontation zu diesen ganz persönlichen Fotos dann offizielle Dokumente, Todesurteile, Plakate über Hinrichtungen, Auszüge aus Reden von Nazigrößen, Aufrufe, Anordnungen, Verordnungen. Und Bilder von KZ-Häftlingen, von Menschen in Arbeitslagern, von Erschießungskommandos, von Erhängten mit ihren Henkern, Darstellungen des Schicksals der zur Arbeit deportierten Kinder und Frauen, des Alltagslebens unter diesen Bedingungen - diese Gegenüberstellung der Ausbeutungs- und Ausrottungspolitik mit dem Schicksal des Einzelnen berührt, wühlt auf. Eine beeindruckende, moderne und durch die Originaldokumente sehr überzeugend gestaltete Ausstellung, die das Ausmaß der Naziverbrechen in Polen, der Vernichtungspolitik in Gefängnissen, Lagern und Ghettos  sichtbar macht und zum Nachdenken anregt. Im aktuellen Teil werden Wege zur künftigen Gestaltung der polnisch-deutschen Zusammenarbeit aufgezeigt.

Diese Ausstellung ist eine eindringliche Mahnung, so etwas nie wieder zuzulassen. Nur, wenn man Geschichte ehrlich aufarbeitet, kann es auch zur Aussöhnung kommen. Erfahrungen aus Gegnerschaft und Feindschaft dürfen dabei nicht ausgespart werden. Einseitigkeiten in der Geschichtsbetrachtung oder schleichende Neubewertungen, wo aus Tätern Opfer werden, wie sie z.B. in Fernsehfilmen über Flucht und Vertreibung oder den Bombenkrieg zum Ausdruck kommen, muss Einhalt geboten werden. In diesem Zusammenhang gilt es auch, Erika Steinbach als Vorsitzende des Vertriebenenverbandes, die immer wieder mit ihren Aktivitäten zur Schaffung eines Zentrums gegen Vertreibungen in Berlin und ihren unsäglichen Äußerungen zu Polen antideutsche Vorurteile stärkt, in die Schranken zu weisen.

"Man nahm Euch das Leben, heute können wir nur an Euch erinnern". Diese Inschrift auf dem Denkmal für die Opfer des Jugendlagers in £ódŸ war das Motto der Ausstellung. Sie muss auch in Deutschland präsent sein, als ständige Ausstellung in Berlin, und als Wanderausstellung in den Ländern, um sie damit möglichst breiten Bevölkerungsschichten, vor allem aber der Jugend zugängig zu machen.

Die Fotos stammen aus der Kurzinformation zur hier besprochenen Ausstellung „Zachowaæ Pamiêæ - Erinnerung bewahren“.