Deutsch-Polnische Konferenz in Berlin

Die neue Rolle Polens und Deutschlands in Berlin

Von Agnieszka Rzek

 

Am 26. November fand in Berlin eine Konferenz der Deutsch-Polnischen Gesellschaft der BRD in Zusammenarbeit mit der Berlin-Brandenburgischen Auslandsgesellschaft statt, die durch die Bundeszentrale für Politische Bildung gefördert wurde. "An neuen Ufern - die neue Rolle Polens und Deutschlands in Europa" - lautete das Thema. Eingeleitet wurde die Konferenz mit einer Lesung von Godehard Schramm unter dem Titel "Unser allernächstes Exotistan: Deutsch-Polnische Begegnungen" am Vorabend im Museum Blindenwerkstatt Otto Weidt.

 

Godehard Schramm las einige Texte aus seinem Gesamtwerk vor, worüber anschließend durchaus kontrovers Meinungen geäußert wurden. Während die Mehrheit der sich zu Wort Meldenden seine Texte als einfühlsam, gut beobachtet und im positiven Sinne sehr persönlich würdigten, gab es auch Vorbehalte. So äußerte eine Stimme sich sehr kritisch und warf Godehard Schramm westliche Arroganz, überhebliche Belehrungen und faktische Diskriminierung der polnischen Menschen vor. Polen sei kein Exotistan, dessen Menschen europäische Normen erst noch lernen müssten, sondern ein normales Land mit normalen Menschen.

Die Konferenz selber fand dann am anderen Tag im Ratssaal des Rathauses Hellersdorf statt.  Dr. Norman Paech, Professor für Öffentliches Recht und Bundestagsabgeordneter aus Hamburg (s. Foto), zeichnete die Entwicklung der deutsch-polnischen Beziehungen nach dem II. Weltkrieg unter besonderer Berücksichtigung der geopolitischen Lage Polens und seiner damit gemachten Erfahrungen in der Vergangenheit sowie juristischer Probleme in den deutsch-polnischen Beziehungen nach. Mit dem Hinweis auf die geopolitische Lage Polens und dessen historische Erfahrungen wies er auf die verständlichen Bestrebungen hin, die USA als Schutzmacht in Europa halten zu wollen. Das dürfe aber nicht so weit gehen, dass man an einem eindeutig völkerrechtswidrigen Krieg teilnimmt. Paech stellte am Schluss seines Referates fest, dass er keine juristische Möglichkeit für die Infragestellung der deutsch-polnischen Grenze sähe. Zwar sei der so genannte „2+4-Vertrag“ juristisch tatsächlich kein wirklicher Friedensvertrag und die formaljuristische Kritik an ihm berechtigt, aber politisch habe das Bundesverfassungsgericht der BRD diesen Vertrag als bindend anerkannt. Trotzdem aber würde er die Forderung an den Deutschen Bundestag unterstützen, dass dieser ausdrücklich erkläre, dieser „2+4 Vertrag“ sei ein Friedensvertrag und damit die deutsche Ostgrenze unwiderruflich. Ein weiterer Grund für eine solche Erklärung des Bundestages sei aber noch herauszustreichen: In der Vergangenheit sind Reparationsforderungen gegen Deutschland, z.B. durch griechische Gemeinden, von Seiten der Bundesregierung immer damit zurückgewiesen worden, dass es noch keinen abschließenden Friedensvertrag gäbe. Weil es aber in Deutschland immer noch bedeutende politische Kräfte gibt, die mit der juristischen Zweifelhaftigkeit des „2+4-Vertrages“ Politik machen und berechtigte Forderungen gegenüber Deutschland damit zurückweisen, müsse der Bundestag als Stimme des Souverän, d.h. der deutschen Bevölkerung, auch als solcher in unzweideutiger Weise auftreten.

Der zweite Beitrag der Journalistin Ma³gorzata Barwicka (s. Foto) aus Warschau zeichnete die Entwicklung der deutsch-polnischen Beziehungen in den Jahren nach 1989 mit besonderem Schwerpunkt auf die letzten Jahre nach (s.a. nachstehenden Artikel). In ihrem Schlusswort am Ende der Diskussion, die sich an den beiden Referaten anschloss, wies sie auf einen deutlichen Unterschied hin: Auf dieser Konferenz wurde viel über die unterschiedlichen, die Beziehungen belastenden Positionen zum Irak-Krieg und zur Haltung gegenüber der USA gesprochen, in Polen würde man darüber fast gar nicht reden, sondern bedeutend mehr über die EU, die mit ihr verbundenen Verfassungsdiskussion und die sich daraus entwickelnden Belastungen oder Festigungen der Beziehungen.

Der Vormittag endete mit einer eindeutigen Aufforderung an den Vorstand, in der nun beginnenden Legislaturperiode eine Initiative zu starten, die den Bundestag im oben genannten Sinne zu handeln auffordert. Gleichzeitig verurteilte die Versammlung das geplante "Zentrum gegen Vertreibungen" und forderte die Einstellung jeglicher Unterstützung dieser Planung durch die Bundesregierung.

Während auf der Konferenz am Vormittag die staatlichen Beziehungen im Vordergrund standen, rückten am Nachmittag innenpolitische Entwicklungen in Polen in das Zentrum der Diskussion. Kurze, aber doch sehr differenzierte Impulsreferate zur politischen Situation nach den Wahlen in Polen durch Dr. Holger Politt sowie zur Situation der katholischen Kirche in Polen heute durch Wulf Schade leiteten eine rege Diskussion ein. Dabei wurde deutlich, wie wichtig Informationen über unser Nachbarland, die die Vielschichtigkeit der innenpolitischen Situation darstellen, für das Verständnis der ‚anderen' Seite sind. Beide Referenten haben nicht nur ein grobes schwarz-weiß Schema dargestellt - rechte Regierung/konservativ nationale Kirche, sondern die innere Differenziertheit der verschiedenen Institutionen und Organisationen deutlich gemacht. Der Tag endete mit einem gemütlichen deutsch-polnischen Abend.