Die polnisch-deutschen Beziehungen

"An neuen Ufern?"

Von Ma³gorzata Barwicka

 

Die Ergebnisse der Herbstwahlen in Polen und in Deutschland sowie die Schwierigkeiten bei der Bildung der Regierungen in beiden Ländern vertieften die Befürchtungen einer Abkühlung der Beziehungen zwischen Warschau und Berlin. Bedeuten die Regierungswechsel auch eine Änderung in der Außenpolitik? In der deutschen Wahlkampagne spielte die Außenpolitik praktisch keine Rolle, in der polnischen nur eine geringe. Danach gab es mehr Fragen als Antworten. Heute dagegen gibt es bereits welche auf einige Fragen.

 

In Deutschland nahm man mit Beunruhigung den Sieg der Brüder Kaczyñski wahr, deren kritische Äußerungen gegenüber Deutschland als Beginn einer neuen Krise in den zweiseitigen Beziehungen interpretiert wurden. Man hegte Befürchtungen, dass Polen unter der Regierung der Kaczyñskis sich nicht nur von Berlin sondern auch vom Hauptkurs in der EU entfernt. Die polnische Außenpolitik wird durch die Geschichte wie auch die Geopolitik beeinflusst. Deshalb ist Polen bestrebt, den amerikanischen Einfluss als Gegengewicht zur deutsch-russischen Achse zu erhalten. In Polen existieren historisch begründete Ängste, wenn Moskau und Berlin hinter seinem Rücken sprechen. Ein großes, positives Echo riefen die Worte von Angelika Merkel (im Sommer dieses Jahres) hervor, dass die Flugzeuge nach Moskau in Polen zwischenlanden werden.

Nach seinem Beitritt zur EU versuchte Polen eine führende Rolle in Mittel-Ost-Europa einzunehmen, in dem es die Zusammenarbeit mit den baltischen Staaten, der Ukraine und Georgien verstärkte. Diese Orientierung aus den letzten Jahren ändert sich nach den letzten Wahlen nicht, die für sich genommen einen Schwenk nach Rechts bedeuteten.

Die Politiker haben sich bereits zu einigen außenpolitischen Fragen geäußert. Lech Kaczyñski, der zukünftige, bereits gewählte Präsident, gab der "Bild"-Zeitung ein Interview, in dem er versicherte, dass er kein antideutscher Politiker sei, und einen Besuch in Deutschland für den Januar ankündigte. Premierminister Marcinkiewicz flog zu seinem ersten Auslandsbesuch nach Brüssel, wo er versicherte, dass Polen ein berechenbarer Partner sein wird. Dabei gilt PiS [die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit - d. Übers.] als antieuropäische Partei, für die die EU eher als "Die dort" und nicht "Wir" bedeutet. (…)

Jahrelang bildeten drei Säulen die deutsche Außenpolitik:

- Das strategische Bündnis mit den USA, das Kanzler Schröder schwächte, Angela Merkel aber wieder herstellen will.

- Die Rolle Deutschlands in der EU als Schlichter und Sprecher der kleinen Staaten.

- Eine strategische Politik gegenüber Moskau..

Minister Frank-Walter Steinmeier sagte, dass die Grundlagen der deutschen Außenpolitik aktuell bleiben: enge Partnerschaft mit Frankreich; Versöhnung mit den östlichen Nachbarn, v.a. mit Polen; sowie die Vertiefung der transatlantischen Freundschaft. Angela Merkel unterstrich die Bedeutung der Zusammenarbeit mit Frankreich und Polen. Im Koalitionsvertrag wird von der Intensivierung der Kontakte im Rahmen des Weimarer Dreiecks gesprochen. Über die Intensivierung dieser Zusammenarbeit sprach ebenfalls Premierminister Marcinkiewicz.

Der polnische Premier sagte, dass er die Außenpolitik fortführen wird, deren Grundlagen nach 1989 geschaffen wurden. Er sprach sich für die Stärkung der Anwesenheit Polens in der EU und der NATO aus, für eine gemeinsame Energiepolitik der Union sowie für die Stärkung der Bindungen zur USA. Auch [Außen-]Minister Meller drückte den Wunsch nach Verstärkung der Zusammenarbeit mit Deutschland und Frankreich aus. (…)

Probleme in den Beziehungen

Obwohl sich die Regierungen änderten, änderten sich nicht die Rahmenbedingungen der gegenseitigen Beziehungen wie auch die Interessen in der Außen- und der europäischen Politik. Die bisherigen strittigen Themen bleiben aktuell. Die Ursache für die Verschlechterung der polnisch-deutschen Beziehungen war hauptsächlich der Krieg im Irak. Vor dem "Brief der Acht", der Ausdruck der Solidarität mit den USA war, hat keinerlei Konsultation stattgefunden.

Der Katalog bezüglich der polnisch-deutschen Dissonanzen ist bekannt:

1. Irak - Die Beziehungen kühlten sich auf Grund der Sendung polnischer Truppen in den Irak ab. Die Ansicht des jetzigen Ministers für nationale Verteidigung, Radek Sikorski, lässt vermuten, dass es keinen schnellen Rückzug aus dem Irak geben wird, obwohl sich drei Viertel der Polen für den Rückzug der polnischen Armee aus dem Irak ausspricht.

2. Die Entscheidungsformeln im [EU-]Verfassungsvertrag - Hier gab es Meinungsunterschiede zwischen Polen und Deutschland. Heute weiß man überhaupt nicht, was mit dem Vertrag geschehen wird. PiS wird den Prozess der Ratifikation nicht fördern und nicht eine Hand rühren, um die Arbeit für eine stärkere politische Union zu beleben.

3. Die baltische Gasleitung - Bei der Entscheidungsfindung über ihren Bau hielt es der Kanzler nicht für angebracht, Warschau und Wilna ernsthaft einzubeziehen.

4. Zentrum gegen Vertreibungen - In Polen wurde die Tatsache positiv aufgenommen, dass die deutschen Bischöfe  sich nicht mit der Übergabe der Kirche des hl. Michael an Frau Steinbach einverstanden erklärten, doch beunruhigt der Wille zum Bau des Zentrums im Programm der CDU, wie auch die merkwürdige Aussage der Kanzlerin Angela Merkel über irgendeine Form der Erinnerung an die Vertriebenen. Falls in Berlin ein Zentrum gegen Vertreibungen entsteht, wird das negativ die polnisch-deutschen Beziehungen beeinflussen.

5. Die durch die Preußische Treuhand formulierten Forderungen - Als Revanche rechnete Lech Kaczyñski in seiner Eigenschaft als Präsident von Warschau die Kriegszerstörungen in der Höhe von über 50 Mrd. € vor. Das Problem der deutschen Forderungen, die in Polen starke Ängste und Unruhe hervorrufen, muss zu einer Regelung führen - wahrscheinlich auf der Regierungsebene.

6. Die Ostpolitik der EU - Polen möchte, dass die Beziehungen zu Russland über die EU geregelt werden. Bisher zogen Deutschland und Frankreich lieber einzelne Gespräche mit Präsident Putin vor. Was mit der Partnerschaft zu Russland unter der Ägide Angela Merkel wird, wird sich erst noch zeigen.

Es gibt aber auch Beispiele für gute Zusammenarbeit zwischen Polen und Deutschland - z.B. bei der orangenen Revolution in der Ukraine. Das war ein Beispiel für eine gemeinsame Politik der EU (mit Unterstützung der Niederlande als EU-Vorsitzende), initiiert von Polen und von Deutschland unterstützt. Erfreulich ist ebenfalls die Erklärung Angela Merkels zur Unterstützung der Reformen in der Ukraine sowie der Menschenrechte in Weißrussland.

Als Belastungen für die polnisch-deutschen Beziehungen erweisen sich aber auch äußere Faktoren. Die Europäische Integration durchlebt eine Krise. Nach dem französischen und niederländischen Referendum wurde deutlich, dass die reichen Westeuropäer nicht solidarisch sein wollen mit Polen und den anderen mittel-ost-europäischen Ländern. Die bisherigen Gespräche zum EU-Haushalt 2007-2013 bestätigen dieses negative Bild.

Die Europapolitik Deutschlands wird zunehmend durch die Situation auf dem Arbeitsmarkt, das Budget wie auch das niedrige Wirtschaftswachstum bestimmt. Das bewirkt ungünstige Beziehungen zu Polen, wie die Diskussionen über die Freizügigkeit Arbeitender und das Dienstleistungsabkommen zeigen. Deutschland spricht sich ähnlich wie Polen für eine schnelle Verabschiedung des EU-Budgets für 2007-2013 aus. Jedoch stellte Kanzlern Merkel fest, dass sie Einsparungen anstrebt.

Beide Regierungen - die polnische wie die deutsche - werden sich hauptsächlich auf die Innenpolitik konzentrieren. Die polnische  Minderheitsregierung wird zur Suche nach Unterstützung durch die LPR [Liga der Polnischen Familie - nationalistisch-klerikal], Samoobrona [Selbstverteidigung - rechtspopulistisch]und die PSL [Bauernpartei - konservativ] verdammt sein. Es besteht die Befürchtung, dass jedes Gesetz teuer erkauft werden muss.

Irena Lipowicz, Bevollmächtigte der polnischen Regierung für die Beziehungen zu Deutschland meint, dass es eine gute Infrastruktur für die polnisch-deutschen Beziehungen gäbe, die unabhängig von Klima auf höchster Ebene sei. Diese bestehe durch die gut zusammenarbeitenden Gemeinden, Städte, verschiedene Organisationen und Vereine, Hochschulen und Schulen. Ein wichtiges Element darüber hinaus könnte die von Botschafterin Lipowicz ergriffene Initiative für den Bau eines Polnischen Historischen Instituts in Berlin sein.

Deutschland bleibt der Schlüsselpartner der polnischen Politik. Deutschland ist ein wichtiges europäisches Land, der wichtigste Wirtschaftspartner Polens und seiner Nachbarn. Vielleicht werden sich die Beziehungen pragmatischer entwickeln, aber dass sie sich zu einer kooperativen Politik gestalten, das hoffe ich.

(Übersetzung: Wulf Schade, Bochum)