Was geschah im April 1971?

Von Udo Kühn

 

Die Dokumentation Polen-Informtion besteht mittlerweile seit 36 Jahren. Sie ist ein wertvolles Findmittel für die geschichtliche wie auch politische Arbeit über die deutsch-polnischen Beziehungen ab den 70er Jahren. Ein Griff in die "Zeitgeschichtskiste" des Monats April vor 35 Jahren fördert eine Reihe von interessanten Informationen zum deutsch-polnischen Verhältnis und über das damalige Polen zu Tage. Insgesamt 50 Artikel und Meldungen unterschiedlicher Art und Quellen liegen in der "Dokumentation Polen-Information" ausgewählt, kommentiert und archiviert vor, die damals bereits ein halbes Jahr bestand.

 

Im Rahmen der neuen deutsch-polnischen Beziehungen nach dem Warschauer Vertrag vom 7. Dezember 1970 kann man hier die zunehmenden Kontakte zwischen den Ländern bzw. ihren Institutionen nachvollziehen. So findet man beispielsweise den Kulturaustausch zwischen den Städten Oberhausen und Krakau mit der erstmaligen Vorstellung preisgekrönter Filme der in beiden Städten in früheren Jahren durchgeführten Kurzfilm-Wochen als Sonderprogramm [1971 041505.KK], wie auch die zunehmende Nutzung von Reiseangeboten nach Warschau [1971 043003.DZ]. Ebenso interessant sind die Fundstellen über den Beginn der kontroversen Ratifizierungsdebatten, die sich noch bis zum 17. Mai 1972 hinzogen - das reichte bis zu Attentatsversuchen auf Politiker: "...Die Motive gleichen sich fatal: der 20jährige Gärtner Carsten Eggert, der mit einem feststehenden Messer den Bundespräsidenten umbringen wollte, der 21jährige Krankenpfleger Ekkehard Weil, der einen russischen Wachsoldaten am sowjetischen Ehrenmal anschoß, der Mann, der in La Paz mit den Fäusten auf Außenminister Scheel losging - sie alle wollten auf ihre Weise ‚politischen Widerstand' leisten..." [1971 041601. DZ]

Parallel dazu werden die Realitäten der Familienzusammenführung bzw. deutschstämmigen Aussiedler aus Polen dokumentiert. Eifrig wurde gezählt, wie viele im "Grenzdurchgangslager Friedland" ankamen. "Vor 25 Jahren [1945/46] stießen in der Nähe des kleinen Dorfes Friedland die britische, amerikanische und sowjetische Besatzungszone zusammen. Diese geographische und politische Mittelpunktslage veranlaßte damals die britische Besatzungsmacht, in diesem Dörfchen die Ställe eines Versuchsgutes der Universität Göttingen in ein Lager umzuwandeln, das ‚zur Erfassung, Verpflegung, vorläufigen Unterbringung und Weiterleitung von Vertriebenen, Flüchtlingen, Evakuierten und Heimkehrern dienen sollte'. Seitdem haben mehr als 2,5 Millionen Menschen das Provisorium passiert..." [1971 043007.PUB]. Ebenso interessant sind dann da auch Dokumente über die Heimatvertriebenen-Problematik zu finden, die scheints bis heute noch immer nicht völlig gelöst wurde. Hierzu nur eine Episode aus dem April 1971: "Der niedersächsische Minister für Bundesangelegenheiten hat dem Lagerpersonal des Grenzdurchgangslagers Friedland verboten, unter den neuankommenden Polen-Aussiedlern Mitgliederwerbung für Vertriebenenverbände zu betreiben...  Der offen eingestandene Beweggrund dieser Maßnahme ist es zu verhindern, daß die Neuankömmlinge gegen die Ostpolitik der Bundesregierung indoktriniert werden..." [1971 042301.DZ].

Die Informationen aus den ausgewerteten Zeitschriften finden sich so gut sortiert in knapp 30 Themenbereichen: Antisemitismus, Deutschlandpolitik Polens, Familienzusammenführung, Aussiedler, Literatur, Ostpolitik der BRD, Polen im Ausland, Wirtschaftsbeziehungen, Zentralkomitee der PVAP, Politbüro usw. usw.

Aber nicht nur für Sach- sondern auch Personalinformationen ist die "DOKUMENTATION POLEN-INFORMATION" eine wichtige Quelle. So findet man beispielsweise zu folgenden Personen Informationen:

HANS BERGER, ehemaliger deutscher Botschafter, wurde "in die Wüste geschickt", weil er gegen die Ostpolitik der Bundesregierung Stimmung gemacht habe; so berichtete der "Bayernkurier", das Sprachrohr von Franz Josef Strauß (1915-1988), in einem ausführlichen Artikel [1971 040301.BAY]. Ein Presseorgan der Vertriebenen setzte Anfang 1972, in der heißen Phase der Ratifizierungsdebatte, noch eins drauf: "Mit Erschrecken könne man feststellen, daß die Lösung, die nach den Verträgen von Moskau und Warschau dem deutschen Volk angeboten werde, alle Ungerechtigkeiten des Versailler Vertrages weit in den Schatten stelle... ...dies erklärte der ehemalige Botschafter der Bundesrepublik Deutschland beim Vatikan, Dr. Hans Berger..." [1972 011306.BBB].

ANDRZEJ CZECHOWICZ sorgte für Irritationen. "...Die Demarchen folgen auf eine Periode vehementer Propaganda, die Anfang März [1971] einsetzte. Damals wurde ein polnischer Spion, Andrzej Czechowicz, tagelang benutzt, um Rolle und Funktion von Radio Free Europe in den schwärzesten Farben zu schildern..." [1971 060202.NZZ]. Das schweizer "Zeitbild" versucht zu klären, "Warum ein unentdeckter Auftrag abgebrochen wurde" [1971 040701.ZB].

BOLESLAW KOMINEK, Erzbischof in Breslau hat eine Einladung der Katholischen Akademie Trier angenommen, auf einer Tagung im Mai über die Situation der Katholischen Kirche in Polen zu sprechen [1971 043006.PUB].

GOTTHOLD RHODE (1916-1990), Professor in Mainz, wurde im damaligen Polen sehr kritisch betrachtet, hat er doch seine wissenschaftliche Tätigkeit auf dem Gebiet der Osteuropa-Forschung bereits im "Dritten Reich" begonnen. So war es 1971 bemerkenswert, daß die polnische Wochenzeitung "Wiadomoœci" ein Interview mit Professor Rhode brachte [1971 041507.KK]. Er gehörte dann auch der gemischten Kommission von Historikern und Geographen aus Polen und der BRD an, die 1972 zwecks der Schulbuchrevision gebildet worden war [1977 0300101. POW].

Als Informations- und Dokumentationsquellen wurden damals bereits folgende Zeitungen ausgewertet: Bayernkurier [BAY], Bielitz-Bialaer Beskidenbriefe (Unser Oberschlesien) [BBB], Darmstädter Echo [DE], Der Spiegel [SPI], Die Kommenden [KOM], Die Zeit [DZ], Kulturpolitische Korrespondenz [KK], Neue Zürcher Zeitung (Schweiz) [NZZ], Polnische Wochenschau (Polen) [POW], Publik [PUB], Stern [ST], werk und leben [W&L], Zeitbild (Schweiz) [ZB], bis heute sind noch viel andere dazugekommen, z.B. auch POLEN und wir.

Das Originalquellenmaterial wurde dem "Deutschen Polen-Institut" in Darmstadt als Leihgabe von der "Dokumentation Polen-Information" zur Verfügung gestellt, kann dort recherchiert und eingesehen werden. Für das "Deutsche Polen-Institut" siehe auch im Internet unter: www.deutsches-polen-institut.de. Die Archivierung wurde im Status eines Bandkatalogs im Übergang zu einzelnen Tagesmappen vorgenommen. Für die "Dokumentation Polen-Information" siehe auch im Internet unter: www.dok-pol-inf.de.