Prominente Anwälte ziehen sich zurück

"Preußische Treuhand" floppt

 

Die in Düsseldorf beheimatete „Preußische Treuhand“, eine Vorfeldorganisation mehrerer Vertriebenenverbände, die durch Klagen vor internationalen Gerichten die Rückgabe ehemaliger deutscher Besitztümer in Polen und anderen osteuropäischen Ländern erzwingen will, die 1945 als Kompensation für die deutschen Kriegsverbrechen enteignet worden waren, hat erneut eine ernsthafte Schlappe hinnehmen müssen: Die Anwälte laufen ihr davon. Aber die Kampagne soll weitergehen.

 

Ende September 2005, kurz nach den Bundestagswahlen, hatte die „Treuhand“ angekündigt, sie habe jetzt eine "namhafte Kanzlei" gewonnen, um die Klagen ihrer Aktionäre vor polnischen und europäischen Gerichten zu vertreten (Berliner Zeitung, 30.9.05). Mitte Oktober werde man Einzelheiten auf einer Pressekonferenz in Berlin mitteilen. Doch daraus wurde erst mal nichts. Die groß angekündigte Pressekonferenz wurde einen Tag vorher sang- und klanglos abgesagt.

Im Dezember 2000 hatten die Ostpreussische und die Schlesische Landsmannschaft des „Bundes der Vertriebenen“ (BdV) die „Preußische Treuhand GmbH“ gegründet, die ein Jahr später in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien umgewandelt wurde, um durch Klagen vor Gerichten eine „Rückgabe des im Osten von den Vertreiberstaaten völkerrechtswidrig konfiszierten Eigentums“ von deutschen Junkern, Firmen usw. zu erzwingen.

Zwar distanzierten sich nicht nur Vertreter der rot-grünen Bundesregierung und Bundespräsident Köhler von der „Treuhand“, auch die CDU/CSU und der BdV hielten nach außen hin Distanz zu den Aktivitäten der „Treuhand“. Tatsächlich aber kennt man sich und kooperiert bis heute insbesondere mit der CDU/CSU und dem BdV bestens. So residiert die „Treuhand“ bis heute in der NRW-Filiale der ostpreußischen Landsmannschaft in Düsseldorf. „Treuhand“ Chef Pawelka ist CDU-Mitglied und erst vor einem Jahr, also lange nach Bekanntwerden der Aktivitäten der „Treuhand“, erneut von seiner Partei aufgestelltes und auch direkt gewähltes Ratsmitglied in Leverkusen geworden. Im Aufsichtsrat der „Treuhand“ sitzt u.a. Hans-Günther Parplies, stellvertretender Vorsitzender des BdV. Entsprechend groß waren und sind die Sorgen in Polen und anderen Staaten, dass die Aktivitäten der „Treuhand“ keineswegs Absichten einiger weniger Spinner sind, sondern eine Erpressungskampagne einflussreicher deutscher Kreise mit möglicherweise weit reichenden Folgen. Der damalige Warschauer Bürgermeister Lech Kaczyñski - inzwischen polnischer Staatspräsident - hatte ebenso wie das polnische Parlament nicht nur eine Zurückweisung solcher Ansprüche verlangt, sondern im Gegenzug polnische Entschädigungsforderungen für die deutschen Kriegsverbrechen und Verwüstungen angekündigt. Allein für Warschau bezifferte Kaczyñski diese Schäden auf 32 Milliarden Euro.

Bereits Ende 2004 hatte die „Treuhand“, mit dem Münchner Anwalt Michael Witti verhandelt, der vor ein paar Jahren zusammen mit dem US-Anwalt Fagan auch Überlebende der NS-Zwangsarbeit vor US-Gerichten gegen deutsche Konzerne vertreten hatte. Dann sprang der Münchner Anwalt aber wieder ab. „Das hätte auch zu unserer übrigen Mandantschaft nicht gepasst“, begründet Witti den Rückzug gegenüber Journalisten.

Mitte Oktober sollte nun der zweite Anlauf starten. Aber Matthias Druba von der Kanzlei Schwarz Kelwing, der zuletzt erfolgreich die Erben der jüdischen Kaufmannsfamilie Wertheim bei Prozessen gegen die Bundesregierung und den Karstadt-Konzern auf Rückgabe von Grundstücken im Zentrum Berlins vertreten hatte, sprang zwei Tage vor der groß angekündigten Pressekonferenz nun ebenfalls ab. „Ich kann der Sache mit juristischen Mitteln nicht wirklich dienen“, sagte er gegenüber Journalisten. Klagen auf Rückgabe einstigen Eigentums und auf Entschädigung seien „nicht sinnvoll“. Was solche Klagen auslösten sei jenseits dessen, „was man als Jurist vertreten kann“. Treuhand-Chef Pawelka reagierte zunächst fassungslos.

Zustimmung zum Absprung des Anwalts kam dagegen von der CDU/CSUBundestagsfraktion. Erwin Marschewski, Sprecher der Vertriebenengruppe in der Fraktion, erklärte, das Treiben der Treuhand sei „Wasser auf die Mühlen der deutschfeindlichen Kräfte in Polen“ und „rechtlich und politisch falsch“. Die Treuhand habe mit ihrem aggressiven Auftreten dem polnischen Präsidentschaftskandidaten Lech Kaczyñski „noch mehr Wähler beschert“.

Treuhand-Chef Pawelka aber will weitermachen. Das Projekt, auf dem Klageweg vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Strassburg ehemalige deutsche Immobilien in Polen zurückzufordern, werde durch den Absprung jetzt schon der zweiten prominenten Anwaltskanzlei nicht scheitern, sondern weiter fortgesetzt. Auch der Dortmunder Anwalt Gerwald Stanko, Geschäftsführer bei der „Preußischen Treuhand“, will weitermachen, fürchtet aber gleichzeitig wachsenden Druck der Aktionäre der Treuhand, was nun mit ihrem Geld wird. Gegenüber der „taz“ erklärte er: „Wie stehen wir jetzt intern da? Wie können wir das unseren Aktionären erklären?“

Spannend wird auch, wie die deutsche und europäische Politik jetzt weiter agiert. Immerhin hatte es schon die rot-grüne Bundesregierung in der Hand, dem Vertriebenenverband und seinen Landsmannschaften sechs Jahrzehnte nach Kriegsende endlich die jahrzehntelange finanzielle Subventionierung aus dem Bundeshaushalt zu entziehen. Geschehen ist nichts dergleichen. Noch heute streichen die „Vertriebenenverbände“ jedes Jahr Millionen an Zuschüssen aus dem Bundeshaushalt ein, weitere Zuschüsse der Länder und Kommunen kommen obendrauf. Der polnische Vorwurf einer staatlichen deutschen Mitwirkung bei den Umtrieben der "Preußischen Treuhand" ist also mehr als begründet.

Hinzu kommt: Bis heute sind gesetzliche Bestimmungen wie z.B. aus dem früheren Bundesvertriebenengesetz in Kraft, die unter anderem eine abstruse „Vererbbarkeit“ des „Vertriebenenstatus“ vorsehen. Dass damit bei den betroffenen Personenkreisen auch finanzielle und materielle Revanche-Ansprüche aufrechterhalten werden, liegt auf der Hand. Seit Jahren hat es die deutsche Politik versäumt, solche revanchistischen Gesetzesklauseln und Subventionen endlich abzuschaffen.

Aber auch auf europäischem Gebiet gibt es Handlungsbedarf. Eine Entschließung des europäischen Parlaments, die alle deutschen Restitutionsansprüche (Rückgabe- und Entschädigungsansprüche) gegenüber Personen und Staaten in Osteuropa ein für alle Mal verwirft, wäre sicherlich ein wirksames europäisches Signal gegen hetzerische Aktivitäten wie die der Preußischen Treuhand und würde auch deren Prozessaussichten vor dem Europäischen Gerichtshof in Strassburg sicherlich beeinträchtigen. Aber bisher ist von solchen Überlegungen im EU-Parlament nichts zu hören. Warum eigentlich nicht?                              rül

(aus: Politische Berichte vom 19.10.2005. Wir danken für das Nachdruckrecht)