Am Scheideweg

Von Ma³gorzata Barwicka

 

Wird die Stiftung "Polnisch-Deutsche Aussöhnung" Ende dieses Jahres aufgelöst und werden 200 Mil. , die sich auf ihrem Konto befinden, den Spendern zurückgegeben? Oder kommt sogar jemand auf die Idee, dieses Geld anstatt für die Unterstützung der Opfer des III. Reiches für andere Ziele einzusetzen?  Wie geht es weiter mit den bisher realisierten Projekten? Am 6. Januar wurde die alte Leitung der Stiftung abberufen und eine neue berufen, aber über deren Pläne ist nicht viel bekannt. Und die inoffiziellen Informationen, die unsere Redaktion bisher erreichten, stimmen nicht optimistisch.

 

"Wir sind beunruhigt", sagt Marian Nawrocki, der Leiter vom Verband der im III. Reich geschädigten Polen. "Die Repräsentanten unserer 16 Wojewodschaftsverbände und 32 Regionalgruppen fragen, was in der Stiftung los ist. Bisher informierten wir sie einmal wöchentlich über die Arbeit der Stiftung über den Stand der Auszahlung der Unterstützungen und anderer Aktivitäten für und mit den Geschädigten. Seitdem der Vorstand ausgewechselt worden ist, besitzen wir keinerlei Informationen darüber", erklärt er. (…)

Im Namen der Stiftung steht das Wort "Versöhnung". Ein Anhänger solch einer Versöhnung war der abberufene Vorsitzende der Stiftung, Jerzy Su³ek. Als die deutsche Presse über die Politiker von PiS [national-konservativ, heute Regierungspartei - d. Übers.] berichtete, unterstrich sie gewöhnlich deren antideutsche Neigung. Es fehlte nicht an Stimmen, die befürchteten, dass die Büchse der Pandora geöffnet würde und sich eine Spirale gegenseitiger Forderungen entwickeln würde. Der Präsident Polens ordnete noch als Präsident Warschaus an, die Verluste zu errechnen, die die Stadt während des II. Weltkrieges erlitten hat. Einer der Autoren diese Studie war der jetzige Vorsitzende der Stiftung. Die Studie entstand quasi als Antwort auf die durch die Preußische Treuhand aufgestellten Forderungen. (…)

Ende 2006 ist die bisherige Mission der Stiftung erschöpft. Dann enden nämlich die Auszahlungen von Leistungen an die Opfer. Gleichzeitig verbleiben auf dem Konto der Stiftung etwa 200 Mil. Z³. (…) Der vorherige Stiftungsvorstand meinte, dass dieses Geld Teil der Spenden ist und deshalb für sozial-humanitäre Hilfe zur Verfügung stehen müsse. (…) Von April 2004 bis Dezember 2005 zahlte die Stiftung an über 60.000 Personen 33 Mil. Z£. für sozial-humanitäre Hilfe aus. (…)

Historiker und Politiker streiten heute über die zukünftige Aufgabe der Stiftung. Einige möchten, dass sie in ihrer bisherigen Form nicht weiter existieren sollte, d.h. sie sollte die Auszahlung von Geldern an die Opfer des III. Reiches einstellen. Sie sagen, dass man auf ihrer Basis ein Gegenstück zum deutschen Zentrum gegen Vertreibungen bauen soll. Die Entwicklung eines solchen antideutschen Ortes gefällt ganz offensichtlich dem Kultusminister, der sich in diesem Sinne in der "Rzeczpospolita" äußerte. (…)

Die Angestellten der Stiftung, mit denen wir gesprochen haben, sind darüber verbittert, dass man ihnen das Etikett "Diebe" anklebte, die die Opfer des Nazismus ausnutzen. Sie wissen nicht, was sie erwartet, welche Politik der neue Vorstand durchführen wird. Sie fürchten sich, sich zu weit aus dem Fenster zu legen, denn es gibt das Gerücht, dass bis Ende des Jahres von 119 Angestellten im Januar (bei 109 Planstellen) etwa 30 verbleiben werden. Man überlegt, ob die Entlassung eines Archivangestellten der erste Vorbote war.

Seit einigen Monaten wandert die Ausstellung "Erinnerung bewahren" durch Polen, deren Eröffnung im September letzten Jahres im Königsschloss in Warschau stattfand. Mitte Januar konnten sie die Bewohner von Szczeciñ sehen. Jedoch fielen von den über 30 Stellwänden, die die Zwangs- und Sklavenarbeit während der deutschen Besatzungszeit, die polnisch-deutschen Beziehungen sowie die Tätigkeit der Stiftung für die Versöhnung zwischen Polen und Deutschland zeigen, einige heraus. Für entbehrlich hielt der neue Stiftungsvorstand eine Stellwand, die die Parafierung des Vertrages für Ausgleichzahlungen wegen des Kursfalls zeigen, als der Euro mit dem Zloty verrechnet wurde; eine zweite, die den Gründungskongress der Union der Opfer des Nazismus zeigt (ein schlechtes Zeichen für die weitere Existenz dieser Organisation); sowie - was am meisten schockiert - eine Stellwand über die Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz. Die neue Leitung der Stiftung beabsichtigt ganz offensichtlich andere Akzente zu setzen, wie sie offensichtlich auch die polnisch-deutsche Versöhnung anders versteht.

(aus: Ma³gorzata Barwicka, Fundacja Pojednanie - Kto otworzy puszkê Pandory? Na Rozdro¿u, Trybuna Nr. 40 (4854), 16 Februar 2006; Übersetzung: Wulf Schade, Bochum)