Nicht nur für Polen kämpfend

Eine Biografie von Claus Weyrosta ist erschienen

Von Hans Kumpf

 

Claus Weyrosta ist den Lesern und Leserinnen dieser Zeitschrift als langjähriges Mitglied des Bundesvorstands der Deutsch-Polnischen Gesellschaft der BRD und als Gründer des Landesverbands Baden-Württembergs bekannt. Bis 1997 agierte er im Südweststaat als Vorsitzender unseres Vereins.

 

Doch Weyrosta war mehr als nur ein Freund Polens, der schließlich mit dem Offizierskreuz des Verdienstordens der Republik Polen ausgezeichnet wurde. Jörg Palitzsch, Redakteur bei der "Bietigheimer Zeitung", hat in emsiger Fleißarbeit ein Buch geschrieben, in dem auch ein Weyrosta-Kenner viel Neues und Interessantes entdecken kann. Da wird die Familie des am 15. März 1925 in Breslau Geborenen vorgestellt und dessen Soldatenzeit beschrieben. Über seine eigenen Erlebnisse unmittelbar nach dem Hitlerüberfall auf das östliche Nachbarland hatte Claus Weyrosta bereits in dem Sammelband "Wach auf, es ist Krieg!" (ISBN 3-9801753-2-4) berichtet.

Der Vertriebene schuftete zunächst als Maurer und studierte dann Architektur - und ließ sich in Bietigheim nieder. Als SPD-Abgeordneter im Landtag von Baden-Württemberg beschäftigte er sich vornehmlich mit der Ökonomie und Ökologie. Ein Regierungsamt blieb dem agilen Politiker jedoch versagt - allzu gerne wäre er ja 1992 Staatssekretär in der (zweiten) Großen Koalition des Südweststaats geworden. An Ideen, Forderungen und Mahnungen mangelte es Weyrosta nie, er war eine Kämpfernatur, ein "Schlachtross" eben. Doch den Kampf gegen seine vielen Krankheiten verlor er schließlich - am 27. September 2003 verstarb er. Bei der Trauerfeier in der Bietigheimer Stadtkirche nahmen langjährige politische Weggefährten teil, so auch Lothar Späth und Erhard Eppler. Eine ehrende Ansprache hielt sein "Ziehsohn", Hans Martin Bury, damals noch Staatsminister im Außenministerium. Jetzt verfasste Bury für die Biografie ein Vorwort.

Jörg Palitzsch ist in seiner Rolle als Buchautor gewiss mehr ein penibler Chronist als ein kritischer Kommentator. Er bedient sich vieler Quellen - ohne Schwierigkeiten kam er natürlich an das Zeitungsarchiv von Weyrostas neuer Heimatstadt, aber auch die vielen hinterlassenen mit zahlreichen Dokumenten gespickten Leitz-Ordner des umtriebigen Politmenschen konnte er einsehen. So erfährt man beispielsweise etliche Details aus Briefwechseln zwischen ihm und Helmut Ridder, dem ehemaligen Bundesvorsitzenden der Deutsch-Polnischen Gesellschaft der BRD.

Jörg Palitzsch: Das Schlachtross - Eine Annäherung an den Sozialdemokraten Claus Weyrosta (1925-2003); Mit einem Vorwort von Hans Martin Bury, Druck- und Verlagsgesellschaft Bietigheim mbH, 232 Seiten, 58 Fotos, gebunden, Preis 22,90, ISBN 3-931843-12-2

 

 

„Als viel angenehmer erlebte Claus Weyrosta eine weitere Reise des Vorstandes der Deutsch-Polnischen Gesellschaft, Landesgruppe Baden-Württemberg, vom 6. bis zum 10. Juni 1995 nach Polen. Über Nürnberg, Dresden und Görlitz ging es nach Katowice. Auf dem Programm standen Gespräche mit Vertretern örtlicher Umweltschutz- und Wirtschaftsbehörden, Verwaltungen, der Gewerkschaft Solidarnoœæ und der deutschen Minderheiten. Der Rektor der Polytechnischen Hochschule in Breslau (Wroc³aw), Andrzej Wiszinieski, überreichte Claus Weyrosta die Medaille der "Polytechnika Wroc³awska".  Zum 85. Jubiläum der Technischen Universität in Breslau beschwor Weyrosta den europäischen Gedanken. "Viele Turbulenzen unserer gemeinsamen leidvollen Geschichte liegen hinter uns. Europa steht vor der Tür, für uns alle eine große Hoffnung! Polen hat nach der Wiedervereinigung Deutschlands im Westen einen stabilen, demokratischen Nachbarn bekommen und Sie sind direkter Nachbar der EU und der NATO geworden. Diese neue Nachbarschaft lässt in vielen Bereichen auf eine polnisch-deutsche Interessengemeinschaft bauen, sie gibt der Außenpolitik Ihres Landes eine wichtige Orientierung. Ich bin überzeugt, dass sich Polen längst als ein Teil dieser europäisch vereinten Seele betrachtet, auch deshalb, weil es seine gemeinsamen Werte teilt und sich ihnen seit Jahrhunderten verpflichtet fühlt. So werden Brücken gebaut. Und wir gehen gerne darüber." Bei dem Besuch in Schlesien ging es auch um ganz konkrete wirtschaftliche Hilfe. Die Woiwodschaft Oppeln erfreute sich schon mannigfaltiger Hilfe aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, trotzdem wünschte man sich noch mehr deutsche Investoren und Joint Ventures. Der Auftrag an Weyrosta: Er solle im Landkreis Ludwigsburg für die 10 000 Einwohner zählende Gemeinde Korfantów eine Partnerstadt ausfindig machen. Weyrosta selbst sah sich allerdings nicht auf die Rolle des Brautwerbers beschränkt: "Wir waren Botschafter und Kundschafter zugleich", sagte er nach der Reise.

Vertieft wurde das Thema im November 1995 bei einem Essen zu Ehren des polnischen Außenministers W³adsy³aw Bartoszewski, zu dem Ministerpräsident Erwin Teufel ins Neue Schloss nach Stuttgart geladen hatte. Weyrosta wagte sich wieder einmal auf das diplomatische Parkett und warb für sein Projekt eines deutsch-polnischen Jugendtreffs. Sowohl Teufel als auch Bartoszewski sicherten ausdrücklich ihre Unterstützung zu.

Textauszug aus: Jörg Palitzsch: Das Schlachtross, S. 184/5